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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0242
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„Na, Du kleiner Leld, wo hast Du Dir denn das Eiserne Kreuz verdient?" — „Auf dem Felde der Ehre, Exzellenz!" — „So? Im Osten
oder im Westen?" — „Nee, beim Sturm auf die Wohnung von Erhärt Auer in München, da Hab' ich es in der Schublade gefunden!"

Zeichnung von Florakh

Der Nasen

So etwas kommt in Preußen vor:
Während des Vahnbaues lag der schöne
Platz eingezäunt und seine Schmuck-
flachen verdorrten unter Schutthügeln.
Als aber nach vier Kriegs- und fünf
Nachkriegsjahren der Bahnbau doch
mal ein Ende nahm, sollte auch der
schöne Schmuckplatz wieder hergestellt
werden. Den Winter über beschäftigte
man sich damit, strahlenförmige Beete
abzuzirkeln. Doch als es Frühling
wurde, fehlte es an Geld in der Stadt-
kaffe, um die Belegung der Flächen
mit Rasen alsbald durchzuführen. Kahl
und braun trauerten diese, und kein
Pälmchen wuchs auf ihnen, während
ringsum das erste Grün prangte. Die
Folge war, daß ein Teil der Bürger-
schaft diese Wüstenffächen nicht als
Rasenbeete ästimierte und häufig über-
querte. Namentlich wer es eilig hatte,
pflegte das eine Segment zu über-
schreiten, dieweil ein genialer Anlage-
plan es so gelagert hatte, daß es
durchaus den Zugang zu einer Haupt-
straße versperrte.

Da aber schritt die hohe Obrigkeit
ein. Neben dem eingezäunten Stück

Zeichnung von Alfred Knab

kaufen." —

„Aa sagen sie mal, Mütterchen, sie haben
sich wohl verlaufen, hier kaufen nur ansiändige
Leute, und die haben keine kalten Füße, ver-
siehen Se!"

Wüste placierte sie einen Schutzmann,
der jeden Passanten, den er innerhalb
der Einfassung erwischte, wegen „Be-
tretens der Rasenflächen" aufnotierte
und der Bestrafung zuführte. So hatte
man trotz Geldknappheit den Rasen
gewonnen, zwar nicht den physischen,
aber den juristischen Rasen. And
das war die Hauptsache. Denn wo-
zu ist Rasen in Preußen denn sonst
da als zur Bestrafung der ihn Be-
tretenden?

Nachdem das fünfhundertste Straf-
mandat wegen Betretens des Rasens
— er blieb ebenso unsichtbar wie des
Kaisers neue Kleider in Andersens
Märchen - erlassen war, fand sich in
der Stadtkasse das Geld zur Belegung
mit Rasenstücken. Eines Morgens
prangte die ganze Fläche in farben-
frohem Grün. An demselben Tage
verschwand der Schutzmann. Denn
jetzt sah ja ohnehin ein jeder, daß hier
Rasen wuchs.

So ist es bei uns und wird es
bleiben: Die Polizei beschirmt den
juristischen Rasen. Der wirkliche schützt
sich — gottlob — ganz von selber!

M. v L,

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