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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0282
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ERICH WEINERT:

EUTSCHE TAGE“

Der Spaß hat uns wirtlich noch gefehlt:
„Deutsche Tage" mit Äurraklamauken!
Wo einer seicht und der andre krakehlt
bei festlich verstimmten Revanchepauken.

Von allen Seiten strömen herbei
die Krieger- und Wiederaufbauvereine
im Schutz der deutschen Staatspolizei.
Das ist ja die Freiheit, die ich meine!

Wo Veteranen in Blechgarnitur
und staatlich abgestempelte Pelden
die Pässe reckenzum treudeutschen Schwur,
da hat die Republik nichts zu melden.

Der Ausnahmezustand gilt ja nicht
für die Thron-- und Altaresstützen,
drum tut die Republik ihre Pflicht,
die großen Reklameparaden zu schützen.

Der General duldet keinen Protest
Peld Ludendorff zeigt die gepanzerten
er klemmt die Gehirnprothese fest sIähne;
und redet bedrohliche Pobelspäne.

In wallendem Gehrock und Amhängebart
die Dichter- und Denker-Deputationen,
dann die Pochschulringkämpfer deutscher
als garantiert enthirnte Teutonen. sArt

Dann kommt der Windjackenlandsturm-
die männermordendenPubertäter, strupp
der Peldentodaspirantenklub
und die konzessionierten Landesverräter.

And Peldengestalten ringsherum;
die stehn wie in Erz und Marmor gegossen
und repräsentieren dem pp. Publikum
auf neu gefärbte Monarchensproffen.

Im Wirbel männlicher Schlachtmusik
erlegt man Proleten mit mächtigen Streichen
Das Gesetz zum Schutze der Republik
sorgt draußen inzwischen für Lssdnung und Leichen.

Wild branden über den Männern derTat
die dolch- und knochenbestickteu Windeln.
Vor solch verheerendem Flaggensalat
beginnt es sogar der Reichswehr zu

sschwmdeln.

In diesem Sinne so weiter, mit Gott!

So haben die proletarischen Stände

jeden Sonntag ihr Leichenbegängnis im Pott

und die anderen gesichertes Aufmarschgelände.

Josef Maria Frank: Völkische Pfingsten.

Ein Rundschreiben der schwarzweiß-
verrohten Verbände
verkündigte denen, die daran belangt
seien (also den Deutschnationalen,
den Deutschsozialen, Völkischen, Land-
bündlern und Nationalliberalen),
daß man sich Pfingsten zusammenfände,
und zwar zu einem gemütlichen Pfingst-
ausflug

mit gleichzeitiger Bedeutung als Siegeszug
und nachherigem geselligen Beisammensein.

Dazu lade man alles Arische ein! (Auch,
d. h. wenn sie artig sei,
die nicht so ganz koschere Volkspartei!)

Treffpunkt: um sieben an der
Siegessäule.

Erkennungszeichen ■ Heilheil-Geheule.

Außerdem: Vereinsfahnen, Orden und Ehren-
zeichen,

Lauten, Ehrenworte, Nationalbewußtsein und
dergleichen,

Hakenkreuze, Uniformen, Parabellumpistolen,

Portepees,

Atzung, div. Getränke, sowie leichte und schwere MG's
seien mitzubringen!

Außerdem sei zu singen:

„Heil!"

Schon um sechs in der Frühe waren sie versammelt.

Es brauste ein Donnerhall und sie traten vierstimmig zum Beten
vor Gott den Gerechten und zu einander in nähere Intimitäten.
Darauf wurden die Mitbringsel in die Tornister verrammelt
und zum Samnteln geblasen. Die Jungfrauen schnürten die Mieder.
Man richtete sich ein, und zwar in drei besondere Glieder.
Vorneweg die Völkischen mit den Deutschsozialen;
hinter denen die Massen der Deutschnalionalen;
hinter denen aber versteckten sich (au' weih!)
die Damen und Herren von der Volkspartei.

Im ersten Glied reckten sich Prominente wie Mulle
und Knüppelkunze mit je einer Hakenkreuz-Fahne und Pulle
im zwoten aber der wallende Tirpitz, am Händchen
das Tindchen Äergtchen am Gängelbändchen.

Aber nicht nur die Graefes und Westarps waren auch dabei
(sie beschatteten die Damen der Deutschen Volkspartei),
sondern man sah sogar drei leibhaftige Prinzen
sehr devot und stereotyp in die „Förne" grinsen.

(Was sogar Stresemann nebst Gattin fabelhaft rührte,
weil ihn nämlich einer von den dreien zum Gespräch erkürte!)

Zeichnung von Eims

And

Doch da — brüllt es „Achtung!"

Ei, wer tommt da . . .?

Das ist doch der Ober-Opapa!

(Abg. Ludendorff! Na ja!)
„Heil!"

Nun war alles beisammen! Aberi
juchhe, mit Trommeln, Flöten
und Hörnerschall!

Die Hakenkreuze umklirrten den
Fridericus Rex und die Butter-
brotpapiere raschelten „Sieg-
reich wollen wir" und „Treu
bis in den Tod"
so zog man weihevoll zum
Waldrestaurant „Wallhall"!

Wo man nach getanem Marsch durch
die wotanisierten Wälder
und über die agrarisch-arisch-verjudeten
Felder

zum Atzen einkehrte und wo mit feurigen Zungen
es über sie kam, sowohl über die Alten wie
die Jungen!

Es kam über sie (wie damals zu Pfingsten vom Himmelreich):
sie sprachen durcheinander, und zwar alle zugleich!

Mit einem Unterschied nur, das Verständnis fehlte
dem einen zu dem, was der andere erzählte!

And als die Völkischen erklärten (zu den Deutschsozialen),
sie hätten sich eingelassen mit jüdischen Kapitalen,
und als die Sozialen den Völkischen an die Köppe schmissen,
ihr Ludendorff sei damals doch nach Schweden ausgerissen,
und als die Nationalen auf die Wahlresultate hinwiesen
und sich allein als die Alleinseligmachenden priesen,
unö als eine kommunistische Störungskolonne von hinten kam
und die sich preisenden Streiter da zwischerr sich nahm,
und da die Metröpfe grausam die Hirne umbrauten,
schlugen sie auseinander los, statt mit Worten mit Lauten,
Stuhlbeinen,Bierkrügen,Hakenkreuzen,Orden und Ehrenzeichen,
Nationalbewußtsein, Ehrenworten urrd sonst dergleichen,
sowie mit Fahnenstangen und Tischplatten
bis sie genug hatten!

„Heil!"

Die Kunzes, die Mulles, die Lergte, die Tirpitze,
die Graefes, die Westarps und die anderen Witze
aber flohen entsetzt aus Wallhall heraus
und riefen gerettet draußen aus:

„Heil!"

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