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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0308
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Hardy Worm: Jede dritte Stunde ein Selbstmord

Der Bürger Mondmilch las in der
Zeitung eine tolle Geschichte.

Die handelte nicht von der Prosti-
tuierten Schuhriegel, seiner Nichte,

Sondern von Selbstmördern. Zwei-
tausendvierhundert, stand im Be-
richte,

Patten sich 1923 dasLeben genommen.

„Das sah ich doch kommen".

Sagte Mondmilch und schmierte sich
schnell noch ein Brot
And legte sich Käse darauf. „Die hatten
doch Angst vor dem Pungertod.

Vielleicht taten sies auch aus ver-
schmähter Liebe.

Dann verdienten sie eigentlich Piebe."

Mondmilch rülpste und klopfte sich auf
den Bauch,

Der sehr voll war. „Vielleicht hatten
sie auch

Angst vor Strafe. Irgendetwas geklaut.

Mit einer liederlichen Krankheit die Gesundheit versaut.

Man weiß ja, wie leichtsinnig junge Leute sind."

Er dachte an Emma. Die hatte auch schon ein Kind,

Ehe sie konfirmiert wurde. Es ging aber bald ein.

Denn der Vater, ein Schiffsknccht, gab ihm nur Brantewcin.
Der hatte dem armen Wurm bald den Magen zerfressen.

Da nutzte keine Limonade mehr, keine Kompressen.

Mondmilch wußte noch ganz genau: es war schon blau wie 'ne
Pflaume,

Als er eintrat. And furchtbar nach Schnaps stanks in dem Raume,
Denn der Vater lag besoffen unter dem Tisch und pennte.
Mondmilch war damals furchtbar entrüstet. Er rannte sofort zur
Polente.

Die weckte den Vater und schleppte ihn auf die Stadtvogtci.

Vorher schlug er aber einem Beamten
die Nase entzwei.

„DaswarensoSachen!" sagteMond-
milch und nahm sich noch etwas Tee
And einen Schluck Rum. Da bekaur
er sofort wieder eine neue Idee.
„Wie mögen die zweitausendvier-
hundert wohl alle geendet sein?
Ob sie mehr für Gas inklinierten?

Denn einen Waffenschein
Patten doch wohl die wenigsten. And
die Rasiermesser

Sind nicht immer scharf. Da ist cs
schon besser.

Man bindet sich einen Stein um den
Pals

And stürzt sich ins Wasser. Wenn-

Zeichnuna von Erms ^ .ch als

Kultivierter Mensch sehr scharf da-
gegen bin.

Auch die Sache mit dem Strick ist immerhin

Anästhetisch und es widerspricht der einfachsten Anstandsregel

Demjenigen, der einen abschneiden will, wie ein Flegel

Die Zunge herauszustrecken." Mondmilch schmiertesich noch ein Brot

Lind guckte dann in den Börsenteil, der nicht so verroht

War wie der lokale Teil. „Aeberhaupt ist es doch widerlich

Einem zum Frühstück so etwas hinzusetzen. Wenngleich ich

Gegen Sentimentalitäten gefeit bin, verbitte ich mir, daß mein Blatt

Einem diese Statistik auftischt. Man hat

Ja gar keinen Appetit mehr. Ich kann doch nichts dafür,

Daß sich die Leute das Leben nehmen." Der Bürger polkte an
seinem Geschwür.

Das hatte er schon seit zehn Jahren und roch ganz fürchterlich.
Aber deswegen nahm er sich sein Leben noch lange nicht.

Er war doch nicht verrückt!

An der Grenze.

Volksschauspiel in einem Aufzug.

Von Knüppelsix.

(Vorbemerkung an den freundlichen Leser:
An der Schweizer Grenze kam es vor, daß
ein Feldblumenstrauß verzollt werden mußte!)

Personen:

Der Äberpatriot,

Der große Schieber,

Seine Frau,

Der kleine Schieber,

Seine Frau,

Ein Schweizer Zollwächter,

Ein deutscher Zollwächter,

Der deutsche Zollinspektor
Ein Arbeiter,

Sein Kind,

Der „Alte Lerr"

(eine Stimme aus den Wolken).

Ort der Äandlung: Zollstation an der
deutsch-schweizerischen Grenze. Auf deutscher
Seite ein Lotel mit Terrasse. Vor dieser das
Auto eines Großschiebers. Auf Schweizer-
seite ein Wirtsgarten. LeißerTag, derLimmel
in verlogenem Blau, am fernen Porizont
Gewitter im Anzug.

Schweizer Zollwächter (gähnend) Gott-
verdüri, s'isch heiß! Lhaaa — — —
Deutscher Zollwächter (knurrend-arg-
wöhnisch ein in 1000 Meter Löhe kreisendes
Flugzeug betrachtend) Gottverdämmi, Flügel

Parlamentarier

Zeichnung von Alois Florath

„Sehn Sie, Perr Kollege: Grundsätzliche
Politik: das ist, wenn man aus Angst vor
den andern bewußt das Verkehrte tut."

300

her, Flügel möcht i haben. Da unten steht
man und oben fliegen sie mit Gott weiß was

allem über die Grenze herüber! Krrrrr-

Der Äberpatriot (auf der Lotelterasse
am Tische des Großschiebers) Ja die Not
des deutschen Vaterlandes! Das Lerz frißt
es einem ab, ob dem Elend unseres Volkes.

And diese Regierung, welche-

Der Großschieber (in biederem Ton)
Recht haben's. Gar nix mehr is. Gar kein
richtiger Geschäftsgang nicht mehr, alls z'samm

erdrosselt. Der ehrsame Landet —-

Der Äberpatriot (unterbrechend)-

und diese Negierung, welche lediglich auf

parlamentarischer Grundlage — =-

Der Großschieber (dazwischen redend)
Recht haben's, der ehrliche Geschäftsmann

wird gehindert, der Landel--

Der Äberpatriot (laut)-

welche nur auf parlamentarischer Grundlage
fußend, jeglicher Autorität entbehrt und —
Der Großschieber (kreischend) Ganz
richtig, ein ehrlicher Mensch hat kein Aus-
kommen nicht mehr. Jeder hergelaufeneIud —
Der Äberpatriot (aufschnellend,begeistert
und endlos weiter redend) Die Juden. Gott
strafe sie! Beim Wotan, es wird einmal
eine Zeit kommen, wo man sie alle unseres
 
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