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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0318
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FRANZ KOTHENFELDER: »AS KLAGELIED BES WALLOT RAU S

Der guten Spree vertraute Möwen,
Was flattert ihr so bang um mich?
Ihr meine Adler, meine Löwen,

Was schüttelt euch so fürchterlich?

Ihr sträubt Gefieder oder Mähne,

Ihr krallt euch wütend in den Stein
And beißt die Schnäbel oder Zähne
In meines Grünspans milden Schein!

Auf meinem Dach ihr tapfer» Reiter,
Du lanzenfrohes Bruderpaar,

Was wollt ihr jetzt so zornig weiter
And standet oben Jahr für Jahr?

Ihr sagt, ihr möchtet euch nicht teilen
Mit Selben, die dem Feld entrückt
And jetzt so kühn zu Sitzen eilen,

Bon Sonne ihres Volks beglückt?

Ja, alle, alle sind gekommen
(And ach, ich tröstete mich schon),

Die Suld des Schicksals mir genommen
(Soweit sie nicht von selbst entflohn).

Die blaubebrillte Vogelscheuche,

Mit der man gern die Kinder schreckt,

Die alte grimme A-bootseuche,

Die der Geschichte Buch verdreckt.

So aber hat es einst der Meister
Mit mir und deutschem Land gewollt:
Die schönste Kuppel kröne Geister
In würdevollsten Schweigens Gold.

And an dem Giebel ward geschrieben,

Ich sei dem deutschen Volk geweiht —

O Gott, die Inschrift ist geblieben,

Das deutsche Volk verschläft die Zeit.

Ich will in tapferm Dulden warten,
Wenn auch mein Lerz vor Kummer weint.
Bis drüben aus dem grünen Garten
Die ganze Garnitur erscheint.

Otto der Faule — wie sie heißen.

Kein armer Floh legt drauf Gewicht,
Doch kommen werden diese Weißen,
Anmöglich ists in Deutschland nicht.

Zuweilen werde ich gebeten:

Verzeih, sind wir am rechten Ort?

Die Oper möchten wir betreten ....
Sier ist der Groll — der Kroll ist dort!
O wär er da!! Ich hörte Töne
And nicht verdammten Schnodderlaut,

Der ich für Deutschlands beste Söhne,
Für seine Schänder nicht erbaut!

Oekonomie

Zeichnung von Fred Knab

„Sag' mal, Männe, wozu bekommen diese Leute
immer zwei Kellen voll aufgefüllt? Eine genügt doch
— es schmeckt ja doch eine wie die andere!"

Äymne auf die Reichswehr

So oft die Reichswehr durch die
Straßen zieht mit ihrer Musik (die
aber wirklich nicht gut ist, weil sie
immer zu blechern quäkig schreit, zu
trara-tönig), so oft wird sie freudig
begleitet vom Bürgertum und von
den Proletariern. And das ist recht
so, denn

1. das Bürgertum hat von der braven
Reichswehr überall soviel Vorteil
gehabt, daß es einfach Dankes-
Pflicht für das Bürgertum ist, diese
brave Reichswehr zu begleiten;

2. das Proletariat hat von der schnei-
digen Reichswehr überall soviel
Schaden gehabt, daß es sehr wohl
zu verstehen ist, wenn es nun auch
einmal etwas Gutes von ihr haben
will, nämlich Musik.

Außerdem ist es für jeden hungrigen,

gepeinigtenMenschen eine hoffnungs-
reiche Ergötzung, wohlgenährte, kräf-
tige Leute marschieren zu sehen.

Auch mich ergötzt es immer, die
Reichswehr zu schauen, denn cs ist
mir ein gar zu lieber Gedanke, zu
denken, wieviel Tote wohl liegen
bleiben, wenn dievielenBumsgewehre
alle mal losballcrn! Seija, und wenn
dann die Franzosen auch losballern,
wenn die Flieger schwirren, wenn die
Gase konnnen, und wenn gleich auf
jeder Seite ein paar Millionen
Menschen plötzlich lotgehen — — ! Welch
ein phänomenaler, wunderbarer Effekt! Sört,
hört! Seht, seht!

Oh, ich wollte, ich wäre Geistlicher! Ei,
wie möchte ich da segnen und beten! Oder
ich wollte, ich hätte Süttenaktien. Ei, wie
möchte ich da standhaft durchhalten!
Frischauf, mein Volk!

Vielzuviele haben noch ihr rechtes Bein
und ihr linkes Bein.

Sie wissen es alle noch nicht, daß es süß

und ruhmvoll ist, für das Vaterland zu
sterben. Ja, daß es überhaupt die eigent-
liche Bestimmung des Menschen nur ist,
daß er aufwachse, sich übe, Werte schaffe
und dann freudig sterbe. Seine Sinter-
bliebenen haben dafür den heißen Dank
des Vaterlandes.

Das walte Gott!

And siehe doch, wie herrlich ist es, wenn
Volk wider Volk losgeht! Dann ist niemand
arbeitslos. Dann hat jeder Beschäftigung.

310

Der eine tötet, der andere stirbt, der
dritte begräbt ihn, der vierte macht
Munition, der fünfte schnauzt den
sechsten an und kriegt die Tressen
dafür, und der siebente verdient
schweinemäßig viel Geld bei der ganzen
Geschichte. Wirklich, es geht nichts
über einen frisch-fröhlichen Krieg. Wir
brauchen nur noch 93 Professoren,
die uns nachher bescheinigen, daß wir
nicht Schuld haben.

Felix Riemkasten

Seid menschlich...

Kurz vor dem Ausbruch des Krieges
konzertierte in einem Berliner Cafe
eine Kapelle, deren Dirigent sich Senri
duVeiltnannte. Man fand allgemein,
daß der schlanke Mann mit den feu-
rigen dunklen Augen und dem langen
schwarzen Saar der Typus des ele-
ganten Franzosen sei. Bis sich Ende
Juli 1914 dasKriegsgewölk zusammen-
zog. Eines Tages gab es im Cafe
einen furchtbaren Skandal: Das

Publikum wollte das Auftreten des
Franzosen nicht dulden. Zitternd trat
der Dirigent an die Rampe und sagte:
„Beruhigen Sie sich, meine Serren,
ich bin ein ebenso guter Deutscher wie
Sie selbst." „Warum führen Sie
denn einen französischen Namen?"
brüllten ihm hundert Stimmen zu.
„Das werden Sie begreifen und ent-
schuldigen, meine Serren," erwiderte der
Künstler, „wenn ich Ihnen sage, daß mein
wirklicher Name Seinrich Pupke ist."

)• ACHTUNG! (

: Unsere nächste Nummer erscheint als ♦

) Reise- und Bade-Nummer (

l Beiträge von Hans Baluschek, Erms, Horath. •

7 Heinrich Zille, Josef Maria Frank, Erich Weinert /

| u. a. / Verbess. Ausstattung, Dreifarbendrucke Y
 
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