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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0415
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EUCH W EOEBT: ANONYME GRABSCHRIE TEN

E i n fl n e n t w e g 1 e r
Hier ruht ein Patriot
und Mann der Presse.

An ihm ist alles tot
Vis aus die Fresse.

Ein Abstraktum
Es liegt in diesem Grabe
eine Kulturaufgabe.

Sie hat nicht bewältigt werden gekonnt.
Drum ging sie uns übern Horizont.
Hier ruhen ihre Gebeine.

Vielleicht war.es gar keine!

"Ein Liberaler

Er liebte, umzufallen.

Das war sein Lebenslauf.

Doch stand er meist nach allen
Debakeln wieder auf.

Trostlos ist seine Lage.

Doch wird er unbesehn
am jüngsten „Deutschen Tage"
noch einmal auferstehn.

Ein Ko m mandeur
Ach, der hier liegt, war vom Militäre,
und ein Mann der Disziplin.

Wird er jetzt im Engelsheere
Seine Konsequenzen zichn?

Ach, ich sehe ihn als Hauptmannsengel,
wie er dort organisiert
und mit aufgepflanztem Palmenstengel
Flügelrollen exerziert!

Deutsches Wesert
Hier ruht es unter grünem Gras,
an dem die Welt noch nicht genas.
Doch wird an seinem Verwesen
noch mancher Wurm genesen.

Ein I n d u ft r i e l l e r
flntcr diesem pompe funebre
ruht ein wackrer Arbeitgeber.

Arbeit gab er, und mit offnen Händen
jeder Kreatur.

Für sich selber nur

Nahm er ganz bescheidene Dividenden.

Ein Friedensengel

Hier ruht ein guter Mensch im dunklen
und Pazifist sDrange

Er weiß noch nicht, daß er schon lange
gestorben ist.

Es war ein friedliches Begängnis
so still und froh.

Sein einziger Sohn sitzt im Gefängnis.
Man weiß nicht wo.

Ein Psychosynthetiker

Synthese war sein großes Wort;
Synthese hier, Synthese dort.

Jetzt'liegt er unter der Wiese
als unvermeidliche Analyse.

Eine Totgeburt
In diesem Grabe ruht
Revolucinde.

Sie starb an der Sünde
wider das Blut.

Im T r a n

Alfons Knickebein hat eine schwere Sitzung
hinter und den Weg nach Muttern vor sich.
Behutsam wie ein In-
dianer auf dem Kriegs-
pfad schleicht er an den
grauen Wänden end-
loser Häuserreihen ent-
lang. — Plötzlich sieht
er neben einer Tür einen
Klingelzug. Daneben
ein Porzellanschild mit
der Inschrift:

GLOCKE zur
TOTENFRAÖ.

Tiefsinnig betrachtet
Alfons das Schild.

Endlich meint er kopf-
schüttelnd: „Die — die
- Welt — Welt —
wird immer — hup —
immer verrückter. Wat
soll denn 'ne tote —
hup — tote Frau —
noch mil'in — Glocken-
zug?"

250 M. mehr

Da scheinbar in die-
sem Jahr aus der ita-
lienischen Reise wieder
nichts wird, sicherte ich
mir rechtzeitig ein Zim-
mer in meiner alten
Sommerfrische Mul-
denau. Als ich das stille
Dörfchen betrat, fand
ich alles in vollster Auf-

regung. Der Briefträger hatte sicher hängt,
die Leichenfraufeierte ihr 25jähriges Orts-
jubiläum, und der Pastor war im Begriff,

nach einer anderen Pfründe abzuwandern.
Im Gasthofe saß der Schmied, dem noch die
Tränen von der Abschiedspredigt im Bart
hingen. Ach, sagte er
mit zittriger Stimme,
d ieschöne Predigt hät-
ten Sie hören müssen,
tvir haben alle geheult
uuc die Schloßhunde,
weil der Herr zu ihm
gesagt hatte: „Gehe

.aus deinem Vatcr-
lande und aus deiner
Freundschaft und aus
deinem Vaterhause, in
ein Land, das ich dir
zeigen will." „Na, gebt
Euch nur zufrieden,"
sagte drauf der Leichen-
bitcr,dervom Jubiläum
seincrFrau hernoch ein
bißchen illuminiert war,
„ich weiß es zufällig
ganz genau, ergeht hin-
über nach O . . ., weil
erd ort dasIa hr 250 M.
mehr kriegt!" A. S.

Nomen omen

„Wer ist denn eigent-
lich der Mensch da, der
egal die dämlichen Be-
mcrkungen macht?"

„Bitte sehr! Das ist
Baron Schwerin."

„Achdarum. Inden
feinen Schädel gchts
etwas schwer 'rin."

Der gerettete Knüppelkunze

Zeichnung von AtoiS Floralh



Ein Jude hat Knüppelkunze aus dein Wasser gezogen (Wer andre aus dem
Wasser zieht, fällt selbst hinein . .). Aber der Lebensretter kann nicht ver-
hindcrn, daß den Geretteten jetzt die Lächerlichkeit tötet!

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