Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0594
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Lört ihr wieder, wie sie rings trompeten
und mit Blick zu Gott zmn Beten treten?
Ist das nicht erhebend anzuschaun?

Wie sie sanfte Kompromisse kneten?
Wieder unentwegt, mit Gottvertraun
in die Kerbe der Verfassung haun?

Goltverdimmich! Die sind nicht von Pappe!
Keine Täuschung! Allens bloß Attrappe,
Vorne matt aus Republik lackiert.
Friedlich wird der nationalen Klappe,
die den deutschen Geist im Maule führt,
Volksbeglückervoübart anfrisiert.

Kinder, Kinder, laßt euch nicht verblüffen!
Diese haben immer so gepfiffen,
wenn ihr vor die große Wahl gestellt.
Lat man euch noch nicht genug geschliffen?
Lat man euch um euer saures Geld
wirklich nicht schon oft genug geprellt? —

Immer schwören sie den großen Treueid:
deutsche Einigkeit und Recht und Freiheit!
wenn ihr an der Schicksalsurne steht. —
Linterher kommt immer eine Neuheit.
Plötzlich wird die Leitung abgedreht.

And dann sagt ihr wieder mal: zu spät!

Einigkeit? Jawoll! —Vom Trustmagnaten
bis zum kleinsten Aktienpoteiitaten,

Land in Land zum Wohl der Industrie!
Einig sind sie wie in allen Staaten.

Einig, einig offerieren sie

deutschen Stahl und deutsche Kriegschemie.

Recht? Jawoll! — Justiz? And was für eine!
Jeder Lochverräter kriegt das Seine.
Leil'ges Recht, das unerbittlich ist —
gegen Große so wie gegen Kleine:
Zuchthausstrafe kriegt der Kommunist,
und der andre die Bewährungsfrist.

Freiheit? Ja! In unbeschränkter Fülle,
wo sich irgend nationaler Wille
tvelterschütternd in die Tat umsetzt.
Volle Freiheit jeder blauen Brille!
Freiheit dem, der Sozialisten hetzt!
Freiheit, bis die Republik zerfetzt! —

Ja, da stehn die Lelden, die seit Jahren
Einigkeit und Recht und Freiheit wahren.

Fromm verfassungsmäßig angemalt. —

Soll die Bande nicht zum Teufel fahren?

Auf, Genossen! Ansere Freiheit strahlt!

Ihr entscheidet! Jetzt wird ausgezahlt! Erich Weinen

Wählt 5) alb und Lalb!

Ein Stenodrama in Versen
(Unter Benutzung klassischer Vorbilder)

Ort derLandlung: EinSaal. Schwarzweiß-
rote Fahnen, soweit vorhanden. Publikum,
soweit dito. Ganz vorne Oberstleutnant a. D.
Oels von Doornhausen mit drei unverehe-
lichten Töchterchen aus den Jahren 1870 uild
folgende. Aber auch hier bieten sich für die
Damen nur geringe Aussichten. Am Vor-
standstisch Geheimer Studienrat Teulschmann
und ähnliche. Glocke des Versammlungsleiters.

Derselbe: Nichtswürdig ist die Fraktion,
die nicht ss

Zur Lälste ja, zur Lälste nein verspricht,
Ihr Alles freudig setzt an ihre EhreP
Als wenn nicht auch die Ehre teilbar wäre.
Sich wappnend ge-
gen eine See von
Qualen P

So treten jetzt wir in
die Reichstags-
wahlen.

Seid einig, einig!")

Laßt es brausen.

Das schöne Wort
vom alten Atting-
hausen.

IhrBerichter-
stalter: Ictztklat-
schen Beifall sämt-
liche Banausen.

Der V e r s a m m -
lungsleiter:

Damit ihr unsere
Ziele deutlich merkt
Geb' ich das Wort
dem Staatsmini-
ster Lergt.

i) Schiller, drei Buchsta-

ben verhergt. i) 2) Schiller

pur. 3 * *) Shalespeare. in

Uebersetzung. *) Teil,

W Helm (oenau wie un-

ser oeli.vt. Kaiser.) Pseu-

donym : Allinghausen.

Exzellenz Lergt (von stürmischem Jubel
begrüßt. Die Neinsager klatschen sowieso,
die Jasager, weil Oskar ja die Schiebung
inszeniert hat):

Sein oder Nichtsein, das ist jetzt die Fraget
Gibt's keinen Sieg, dann kommt 'ne Niederlage,
Wär's wirklich? Könnt ich nicht mehr, wie
ich wolltet)

Lat Lehmann ja gestimmt, sprach nein derNolte.
Ministersessel mit der Seele suchendF)

Lerrn Dawes begrüßend teils und teils ver-
fluchend.

Verschmähten weise wir die feste Bindung.

3) Lamlet, bekannter Kronprinz von Dänemark,
der wie der Oelser und Rupprecht auch nicht aus
den Thron kommen konnte. 6) Walleustein l >fried-
länder nur, wenn er Gelo gibt. 7) Frei nach Iphigenie,
Exzellenz Goethe.

Ein Versammlungsteilnehmer: Der

Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung.8)
Lergt: Ihr wißt's: Stolz weht die Flagge
schwarzweiß, ot.^)

Verteuert auch der Schutzzoll euer Brot:
Bedenkt, welch' edle Limmelsgabe ift10)

Des Junkers Kuhstall in Ostelbiens Mist.
And Wilhelm ist ein ehrenwerter Mann'")

Ein unerwünschterZ wischenrufer: Weil
er von unfern Geldern leben kann.
(Getümmel.)

Der Versammlungsleiter: Den Stoß-
trupp vor!

Der Oberstleutnant (Land an der Glatze):
Der existiert nicht mehr.

Die Völkischen beglückte unser Leer.

Doch weiß ich wirklich nicht, ob sie bei Wintern,
Bei Ludendorff, bei
Litlern überwin-
tern.

Eine greise Ma-
trone: Reicht

Zwiebeln her!
Sonst Hab'ich keine
Tränen,12)

Da unfern armen
Kaiser sie erwäh-
nen. (Sie versucht
zu weinen.)

Ein Student (zum
Nachbar): Iestatte
mir, erjebenst:
Meiner Lenkel!
Lergt: Ein Mann
ist not, ein Nibe-
lungenenkel! 13)

Aus Versehen: fteirte
(Iuvc!) 9) Veraltetes
Volkslied Siebe Mili-
tärgesanabuch. 10) Melch-
tal im Tell. .,Li amels-
gabe' wirkt fabelhaft.
>') Wilhelm gleich Bru-
tus. 12 Cham sso germa-
nisierte, Franzose p Em-
manuel von Geibel, kö-
niglich bayrischer Adel.

Aus unserer Postkartensammlung

III. Zeichnung von Georg Wille



& V&t*

586
 
Annotationen