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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0595
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Die Neinsager: Der junge Bismarck hat
mit Ja gestimmt.

Die Jasager: Gibt es noch wen, der ernst
die Stimmer nimmt?

Lergt: Lier stehe ich!") Doch wird man
mir vergönnen,

Wenn's nötig ist, auch andersrum zu können.
Wer wird denn fliegen? And wer wird denn

schwimmen?^)

Beruhigt euch! Die Sache wird schon stimmen.
Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen.^)
Labt ihr denn meine Reden nicht gelesen?
Wer glaubt, mit Dawes kann Deutschland
niemals leben.

Wird den Verneinern seine Stimme geben.

(Stürmischer Beifall.)

Lergt: Daran erkennt ihr deutlich mein
Talent,^)

Wählt halb und halb! Prozent ist mein Patent.
And jeder Patriot bei dieser Wahl
Wählt halb und halb und stimmt deutsch-
national!

Auf einen Wink des Versammlungsleiters
erfolgt der vorschriftsmäßige Beifall.
Staatsbürger (vor sich hinmurmelnd):
Ich bin dem ganzen Schwatz nicht hold.

Ich stimme nur für Schwarzrotgold!18)
(Schluß der Vorstellung.)

«) Aus Luther (nicht der Reichsfinanzminister),
gesammelte Reichstagsreden. >°) Lergt selbst, einer
der ganz kleinen Propheten. 16) Demetrius von Schiller.
Bezieht sich nicht auf den Redner. 17) Griechische
Münze, neuerdings für Begabung angewandt. Lier
gänzlich unverständlich. 18) Wahlparole aller
Vaterlandsfreunde.

Durchlaucht geht wählen

„Durchlaucht, der Weinhändler —"
„Kreatur kann warten. Mir in solchem
Ton zu schreiben. Kanaille wird immer
schlimmer. Jean, erst wähle ich."

Durchlaucht klemmte das Monokel, warf
sich in den Pelz und ließ anspannen, ob-

Wie der deutsclmationale
Wahlaufruf entstand

Zeichnungen von Alois Florath

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wohl es nur zehn Minuten weit zu gehen
war. Im Wahllokal beachtete ihn kaum ein
Mensch und der Wahlleiter behandelte ihn
wie einen ganz gewöhnlichen Menschen.

Durchlaucht zitterte und schnaubte, riß den
Mantel auf und zog aus der Rocktasche
einen Zettel, steckte ihn in den Wahlumschlag,
um ihn wütend in die Arne zu werfen.
Zu Lause tobte er.

„Kerl soll kommen."

Der Weinhändler trat ein.

„Was erlaubt er sich — mir in solch
impertinentem Ton zu schreiben, er brauche
sein Geld, habe lange genug gewartet. . .
Was, das hat er nicht getan? Da —"
Zornbebenfl riß er aus der Rocktasche den
— deutschnationalen Stimmzettel.

Die große Rechnung steckte in der Arne.
Worauf Durchlaucht in Ohnmacht fiel.
(And der Weindhändler noch heute auf
sein Geld wartet).

V otzenhardt

So weiß mans und es gräbt sich ein
Wie Frost und trifft wie scharfes Eisen:
Du magst in Kämpfen Mut beweisen
And trotzdem ein „Verräter" sein.

Wer frei im Aeberschwang der Taten
Besonnen nicht, doch ehrlich war.

Den reiht man kühn in Spihelschar
And darf ihn kalten Sinns verraten.

Der weiß es, wer es stets verstand.

Nur soll mans nicht mit Namen nennen:
Greif hin, wo tollste Feuer brennen,

And kühle selbst den Schmerz der Land.
Rebellen dürfen nicht bedenken.

Ob Weib und Kinder betteln gehn.
Kannst du in Ketten aufrecht stehn,
Braucht keiner Freiheit dir zu schenken.

Franz Rothenfelder.

„Das ist der Parlamentarismus, dessen
Anfruchtbarkeit wirimmer vorausgesagt
haben..." (Deutschnation. Wahlaufruf)
 
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