Das Ketzergericht
(3u Rußland wurden Schriften Trohkis konfisziert)
(Zeichnung von I. Belsen.)
„In deinem Buche sind Spuren von Vernunft entdeckt worden! And deshalb sollst du sein vermaledeit, Leo Trohki,
und der Staub deiner Asche soll sein allen Gerechten ein Aergernis und ein Greuel, ein Stück treifenes Fleisch, eine
sozialdemokratische Angelegenheit! Die kommunistische Welt aber erleuchte das Licht dieses Scheiterhaufens für und für!"
Mein Freund vom Stahlhelm
Bon Mölschen
Man sieht es ihm eigentlich gar nicht so
an, meinem Freund. Jeder hält ihn für
einen normalgebauten besseren Perrn, der
seine Primareife ohne mehr als zweimal
Sitzenbleiben erlernt hat, mit Erfolg geimpft,
konfirmiert und verehelicht wlirde. Auch daß
er im Kriege Glück hatte, glaubt man ihm
ohne weiteres, wenn man den Westenhinter-
grund betrachtet, dessen makellose Rundung
nichts von den Folgen der kunsthonigsüßen
großen Zeit verrät. Wirklich, inan kann es
ihm nicht ansehen; nur wenn er die Fleischer-
händchen in die rentenpfennigscheppernden
Taschen steckt und dabei das neue Jackett
zurückschlägt— dann merkt man plötzlich was.
Nämlich, daß ihm über dem Bierzipfel ein
Blech hervorschillert, das wie ein umge-
kippter Nachttopf ausschaut, es ist aber
keiner, sondern eine Miniatursturmhaube,
und dadrauf steht in exakt ausgerichteren
Leitern: Stahlhelm, Bund der Front-
soldaten. Steht da, fest und treu wie die
Wacht am Hauptquartier, die damals doch
der wackere Erich gehalten hat, ehe er die
Dampserkarte kaufte, Gloria, Viktoria.
Vierzehn Tage lang ist er so wie alle
Welt, mein Freund vom Stahlhelm. Er
reist in Barchentunterhosen, das ist ein fried-
fertiges Geschäft, und der Sinn wird mild
und ungefährlich dabei. Am denFünfzehnten
herum aher ändert sich das Wetter. Der
Seeienpegel steigt, dumpf rauscht's im Anter-
bewußten, ragend stellt der Deutsche Peld
empor — da gibt es keine Gnade mehr, es
rast der völkische Belang uitd will sein Opfer
haben. Gleich nachdem der Neunstundentag
ausgeschlagen hat, der letzte Posenposten ab-
gesetzt ist, da wallt mein Freund vom Stahl-
helm westwärts in die traute Peimat. Aus
dem Mahagonischrank springt die erprobte
Windjacke, das Arlauberkoppel — die graue
Kappe, schwarzweißrot verbrämt, strömt übers
Köpfchen, die Faust ergreift den Wander-
stab, und vorwärts gehts zum Gölter-
tempel aller Deutschbewußten ins Bierlokal,
haltet aus im Sturmgebraus! Dort
600
wuselt die Schar der Todbereiten und das
Teutsche Tonkünstlerorchester, wie ein stolzer
Ainanzamtsadler schwingt fich auf das
Bardenlied,dieFahnen flattern hoch imWind,
Deutschglockenklang erschallt, Weihe webt,
im kaisertintenschwarzem Talar dräut der
biderbe Seelen Hirt herauf, der doornenge-
krönte Pastor. Kräftig läutet sein Gesang
durch den durchdeut!chten Raum von dem
geliebten Kriegsherrn, der fern den Seinen
weilt, insonderheit fern dem treuen Volke,
das der Peimkehr des Vielgeprüften, novem-
berverbrecherisch Verjagten in Sehnsucht
harrt. Die Träne quillt, der Stummel
qualmt, es weint das Preußenherz, und nur
der Ober klappert pietätlos mit Biermarken
an der Theke. Ein still Gebet steigt zum
Plafond, für Ihn, Sein Paus und Seine
Abfindungsmillionen......
Mein Freund vom Stahlhelm hat ein
weiches Perz, er kann sowas nicht lange
hören; ihn packt der Schlucken dabei, und
er kriegt erst wieder Paltung, wenn der alte,
im Pulverdampf der Ortskommandantur er-
(3u Rußland wurden Schriften Trohkis konfisziert)
(Zeichnung von I. Belsen.)
„In deinem Buche sind Spuren von Vernunft entdeckt worden! And deshalb sollst du sein vermaledeit, Leo Trohki,
und der Staub deiner Asche soll sein allen Gerechten ein Aergernis und ein Greuel, ein Stück treifenes Fleisch, eine
sozialdemokratische Angelegenheit! Die kommunistische Welt aber erleuchte das Licht dieses Scheiterhaufens für und für!"
Mein Freund vom Stahlhelm
Bon Mölschen
Man sieht es ihm eigentlich gar nicht so
an, meinem Freund. Jeder hält ihn für
einen normalgebauten besseren Perrn, der
seine Primareife ohne mehr als zweimal
Sitzenbleiben erlernt hat, mit Erfolg geimpft,
konfirmiert und verehelicht wlirde. Auch daß
er im Kriege Glück hatte, glaubt man ihm
ohne weiteres, wenn man den Westenhinter-
grund betrachtet, dessen makellose Rundung
nichts von den Folgen der kunsthonigsüßen
großen Zeit verrät. Wirklich, inan kann es
ihm nicht ansehen; nur wenn er die Fleischer-
händchen in die rentenpfennigscheppernden
Taschen steckt und dabei das neue Jackett
zurückschlägt— dann merkt man plötzlich was.
Nämlich, daß ihm über dem Bierzipfel ein
Blech hervorschillert, das wie ein umge-
kippter Nachttopf ausschaut, es ist aber
keiner, sondern eine Miniatursturmhaube,
und dadrauf steht in exakt ausgerichteren
Leitern: Stahlhelm, Bund der Front-
soldaten. Steht da, fest und treu wie die
Wacht am Hauptquartier, die damals doch
der wackere Erich gehalten hat, ehe er die
Dampserkarte kaufte, Gloria, Viktoria.
Vierzehn Tage lang ist er so wie alle
Welt, mein Freund vom Stahlhelm. Er
reist in Barchentunterhosen, das ist ein fried-
fertiges Geschäft, und der Sinn wird mild
und ungefährlich dabei. Am denFünfzehnten
herum aher ändert sich das Wetter. Der
Seeienpegel steigt, dumpf rauscht's im Anter-
bewußten, ragend stellt der Deutsche Peld
empor — da gibt es keine Gnade mehr, es
rast der völkische Belang uitd will sein Opfer
haben. Gleich nachdem der Neunstundentag
ausgeschlagen hat, der letzte Posenposten ab-
gesetzt ist, da wallt mein Freund vom Stahl-
helm westwärts in die traute Peimat. Aus
dem Mahagonischrank springt die erprobte
Windjacke, das Arlauberkoppel — die graue
Kappe, schwarzweißrot verbrämt, strömt übers
Köpfchen, die Faust ergreift den Wander-
stab, und vorwärts gehts zum Gölter-
tempel aller Deutschbewußten ins Bierlokal,
haltet aus im Sturmgebraus! Dort
600
wuselt die Schar der Todbereiten und das
Teutsche Tonkünstlerorchester, wie ein stolzer
Ainanzamtsadler schwingt fich auf das
Bardenlied,dieFahnen flattern hoch imWind,
Deutschglockenklang erschallt, Weihe webt,
im kaisertintenschwarzem Talar dräut der
biderbe Seelen Hirt herauf, der doornenge-
krönte Pastor. Kräftig läutet sein Gesang
durch den durchdeut!chten Raum von dem
geliebten Kriegsherrn, der fern den Seinen
weilt, insonderheit fern dem treuen Volke,
das der Peimkehr des Vielgeprüften, novem-
berverbrecherisch Verjagten in Sehnsucht
harrt. Die Träne quillt, der Stummel
qualmt, es weint das Preußenherz, und nur
der Ober klappert pietätlos mit Biermarken
an der Theke. Ein still Gebet steigt zum
Plafond, für Ihn, Sein Paus und Seine
Abfindungsmillionen......
Mein Freund vom Stahlhelm hat ein
weiches Perz, er kann sowas nicht lange
hören; ihn packt der Schlucken dabei, und
er kriegt erst wieder Paltung, wenn der alte,
im Pulverdampf der Ortskommandantur er-