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Zeichnung von Willi Steinert

Allerlei Zündstoff häuft sich in der Welt. Oie Genfer Wache ist dauernd alarmbereit.

Schutz dem keimenden Leben!

Seit kurzem darf glücklicherweise in München kein Säug-
ling mehr Pflege- und Kofteltern anderer Konfession übergeben
werden. Dadurch sollen die Säuglinge vor seelischen Konflikten
bewahrt bleiben.

Mit Recht findet man diesen Schutz ungenügend.

Man geht kirchlicherseitS mit dem Gedanken um, die Kinder
schon im Mutterleibe laufen zu lasten, um sie möglichst früh-

zeitig an die richtige Konfession zu gewöhnen. Lehrt doch die
Psychoanalyse die Wichtigkeit solcher Erlebnisse im Multer-
leibe! Die Schwierigkeit der Namengebung vor der Geburt
wäre leicht zu beheben durch Beigabe eines männlichen bzw.
weiblichen Eventualnamens. Die Materialisten und Atheisten
wenden sich natürlich wieder scharf gegen diese segensreiche
Neuerung. Ihnen sei entgegengehalten: Hat der Staat das
Recht, das keimende Leben zu schützen, so hat es die Kirche
dreifach! m. o. s.

ErichWeinert: Interieur

Prozeß

Ei» Arzt hat bei einem Anwalt einen
Prozeß laufen. Der Prozeß ist zäh wie
Kaugummi. Schickt nun der liebe
Herrgott eines Tages in seiner ge-
rechten Gesinnung dem Anwalt einen
schönen AbszeS und er marschiert
zum Arzt. „Schlimme Sache",
sagte kopfschüttelnd d r Arzt,
„Mandelvereiterung." „Raus
damit. Machen Sie kur-
zen Prozeß." „Gleich-
falls, Herr Anwalt.

Bitte nach Ihnen."

*

Es tickt eine alte Pendüle
Bei Feuersteins auf dem Kamin.

Zwo venetianische Stühle
Mit Wappen umgeben ihn.

Auf einem, da sitzt der Tate
Und räumt einen Backenzahn
Und studiert die Inserate
Im Zwischenhandelsorgan.

Auf dem andern, da sitzt die Mamme
Auf künstlerischem Olymph
Und schaut im Rundfunkprogramme
Auf Welle fünfhundertfünf.

Herr Feuerstein faltet die Hände:

Nu ham wir das Inventar
Und sechstausend Außenstände
Und vierzehntausend in bar. —

S i e hat so ihre Gefühle;

E r kalkuliert am Ruin. —

Es tickt eine alte Pendüle

Bei Feuersteins auf dem Kamin. . .

Wallach

Mitunter kann man nicht reden, wie man
gern möchte. Und dann kommen immer
die dümmsten Fragen. „Was ist eigent-
lich ein Wallach?", fragte gestern
bei Tisch die vierzehnjährige Gerdi.
„Du mein Gott", lüftete ich meinen
Kragen, „ein Wallach ist eine
Art Pferd, daS nicht nötig
hat, liebenswürdig zu sein."

„Dann ist mein Bruder
mir gegenüber auch ein
Wallach", hat Gerdi
endlich ein neues
Schimpfwort.

*
 
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