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Aus festen Tagen

„Meine Herren", schloß Herr Hergt seine Rede in einer
turbulenten Parteisitzung, „wir muffen in die Regierung,
muffen der Situation gewachsen sein. Wir stehen vor einer
allgemeinen großen Aufgabe — "

unserer Parteiprogrammpunkte, jawoll!" säuselte ein
Mißvergnügter.

Aber mancher politische Schachzug ist doch direkt geistige
Feinkost. Dreh, doch — man freut sich. Dies ist z. B. wie
Talleyrand, jawohl — Talleyrand!

Sagte der Deutschnationale:

„Da Ihre Presse unsere Abmachungen veröffentlicht hat,
verbietet eö unsere Ehre, auf dieser Grundlage weiter mit
Ihnen zusammenzuarbeiten. Es müssen neue Verhandlungen
anberaumt werden."

„Ja, um Himmels willen, auf welche Punkte sollen wir
uns denn jetzt wieder einigen?" (Schwächeanfall).

„Na, auf dieselben wie vorher! Aber d i e müssen jetzt
natürlich streng geheim bleiben!" —

Was Hab' ich gesagt? Einzelne geistvolle Schachzüge —
nicht wahr?

Ist das nicht ganz wie Talleyrand? Fein, ganz fein!

Also gut — sagen wir: beinah' wie Talleyrand?

Stundenlang. Jawohl.

Hatte man sich gegenübergesessen und die Einigungspara-
graphen auseinandergezogen, zusammengeknotet, durchge-
schüttelt, rund, viereckig, oval und platt geklopft und war sodann
— wie der hübsche ironische Fachausdruck heißt — einig.

Da sagte der Zentrumsmann:

„Um noch auf einige kulturpolitische Fragen zu kommen —"

„Nu aber Schluß!" ächzte einer der Herren, dem bereits
erheblich die Puste ausging, „zum Deubel mit der ganzen
Kulturpolitik!"

„Sehr wohl", sagte der unerschütterliche Ministerialrat
Gaus, „ich bin gerad' im
Begriff, das zu formu-
lieren.

erleichtert aufatmend, „diese Regierung wird nicht gestürzt —
sie fällt von alleine."

Gedämpfte Feierlichkeit lagerte über dem Wigwam der
Volkspartei.

Düster bemerkte Herr Scholz:

„Wissen Sie, wie mir ist? Mir ist so: „die ich rief, die
Geister" — "

„Hören Sie doch jetzt wenigstens mit Ihren Über-
treibungen auf!" stöhnte Stresemann.

Finstre Spannung auch über der Familie Scholz.

„Du bist ja so furchtbar zerstreut!" klagte Frau Scholz.

„Spaß!" rief der Gatte gequält aus, „das einzige, was
bei mir nicht zerstreut ist, sind die Bedenken!"

Ich kann mir übrigens nicht helfen — es muß gesagt wer-
den: manche Leute sind roh!

Auf dem Presseball begrüßte der Reichskanzler Mar Pallen-
berg. Kam mit ihm ins Gespräch, lud ihn ein, Platz zu
nehmen und schob ihm einen Sessel hin. Pallenberg zögerte,
als fürchte er, überrumpelt zu werden. Zö . . . ger . . . te . . .

„Ist das", fragte er ängstlich, Verzeihung — ist das
auch bestimmt, ganz bestimmt — kein Ministersessel?"

Sowas ist roh.

Hernach sagte er: „Ja, was denkt ihr, Kinder, i ch habe
doch immerhin einen Namen zu verlieren!"

Gewiß — das erklärt die Sache, aber trotzdem. . .

Es ist zum Tiefsinnigwerden! Z. B. hat's auch meinen
Freund Emil gepackt.

„August", sagte er, „wie kann man wohl die Anzahl der
politischen und sozialen Versprechungen dieser Regie-
rung zusammenrechnen?"

„Durch Bruch rech-
nung", erklärte August.

August hat nämlich
häufig recht.

Bockbier-Saison

Zeichnung von Will! Sieinerl

Ein Unbefugter öffnete
die Tür.

„Raus!" brüllte man,
„hier wird verhandelt!"

,,'tfchuldigung — was
wird denn verhandelt?"

„Ministerpoften."

Der Unbefugte floh.
Mit Recht.

*

Der vielgewandte Marx
eilte mit seiner Minifter-
lifte durch das Palais des
Reichspräsidenten, ver-
hedderte sich in einen
Treppenläufer und stol-
perte.

„Wenigstens ein gu-
tes Omen!" murmelte er,

*

In der Quarta paukt
man die Begriffe „wört-
lich" und „bildlich".

„Wenn ich, paßt mal
auf", sagt der Lehrer,
„wenn ich von einem Ge-
genstand, einer Stadt,
einer Behörde, einer Or-
ganisation usw. sage „s i e
zerfällt in meh-
rere Teile" — ist
das wörtlich oder bildlich
zu verstehen? Moritz?"

Moritzchen wiegt den
Kopf.

„Nu — wir wollen
offen sein, Herr Lehrer:
Sprechen Se von der
Regierung oder nicht?"
Herr Knietschte hat einen gräßlichen Katertraum . . . ®. 3-<.
 
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