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Zur politischen Lage

Aschermittwoch

Bittersüß wedelte der
Fittich der Melancholie.
Wie z. B. hier:

„Wird man in diesem
Minifterrat meinen Aus-
tritt beschließen?" bangte
Herr Keudell, „oh, ich
fühle es, manche wollen
mir nicht wohl." — Da
gedachte er des Wand-
sprucheS, der im ehelichen
Schlafgemach zu Hohen-
lübbichau hing, und er
kaufte einen solchen und
legte ihn, schön in Holz
gebrannt, als Haussegen
vor die umflorten Ka-
binettsgesichter.

„Bewahret einander
vor Herzeleid,

Kurz ist die Zeit, die
ihr beisammen seid!"

Schluchzend und ver-
stehend umarmte man
einander.

Lieb. Sehr lieb.

*

Da saß also ein
Zentrumsmann und
schrieb an der großen
Rechtfertigungsrede seiner
Politik. Und sein kleiner
Sohn kam herein und
sagte:

„Papa", sagte er, „icb
kann diese Algebraauf-
gaben nicht, hilf mir
mal!"

„Schön, Willichen",
sagte Papa, „also jetzt
werden wir mal rechnen,
nicht wahr, Willichen?
Sieh mal, zwei mal
zwei ist fünf!"

„Nanu", sagte Willi-
chen, „zweimal zwei ist
doch nicht fünf?"

hat das Kabinett nunmehr seine Arbeiten ausgenommen.

„Das muß ich bester
wisten", sagte der Zen-
trumsmann.

*

Aus der Deutsch-
völkischen Freiheitsparte,
wurden Schulze, Müller,
Reventlow, Lehmann und
Kube ausgeschlosten.

„Nu iö auch egal",
sagte Herr v. Graefe tief-
atmend, „nu is auch egal!
Ich beantrage, die ge-
samte Deutschvölkische
Freiheirspartei auszu-
schließen!"

Stimmte ab und der
Antrag ging I : 0 durch.

Worauf Herr von
Graefe sich wie ein Mann
erhob und mit verhalte-
nem Schluchzen hinaus-
schritt.

Womit er den Saal
entleerte.

*

Aber zurück aus dem
Reich der Vergangenheit.

In diesen Tagen war
es, wo Herr Bumke
zeugen sollte. Vor Ge-
richt natürlich. Bumke
jedoch ist vorsichtig.

„Sie haben die Wahl",
sagte der Vorsitzende,
„wollen Sie einen reli-
giösen oder einen freien
Eid schwören . . . oder
wie?"

„Hm", sagte Bumke,
„ich möchte dann am
liebsten — wenn Sie's
nicht übelnehmen - einen
Verfaffungserd schworen."

Komischerweise blieb
Bumke unvereidigt.

Z-s.

Karl Schnog: Mackensen

Als vom Geschick zum Ehrendienst Erkorner
hing er sich alle Kriegstrophäen um,
fuhr erster Klasse zu dem edlen Doorner
mit vielen Grüßen vom p. Publikum.

Du sollst nicht über Feldrüarschälle spotten,
und gäben sie auch Anlaß zur Kritik.

Dich zwingt, sie pietätvoll einzumotten, .
ja ein Gesetz zum Schutz der Republik.

Jedoch gesetzt, solch alter Herr belehrt dich
Wer nicht die Zollern liebt und Majestät,
ist zu verachten, weil er minderwertig —

Wie steht es dann mit deiner Pietät?

Wird's da nicht Zeit, daß man dem Rentenschlucker
aus tiefstem Herzensgrund zur Antwort gibt:

(. . . An dieser Stelle streikte unser Drucker,
weil er die Freiheit und sein Leben liebt.)
 
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