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Der l. April sprickt:

Die Menschheit wird seit Olims Zeit
Von mir genarrt, gefoppt.

Doch dieses Jahr — es tut mir leid —

Ist mir das Maul gestoppt.

Ich schick um zwei Lot Mückenfett
Den Tölpel zum Drogisten,

Treib ihn um fünfe aus dem Bett
Mit schnöd erdachten Listen.

Doch heut — armseliger Gesell —

Schäm ich mich meiner Künste.

Macht man doch amtlich, offiziell
Ganz andre blaue Dünste!

Es wird das Volk, wohin ich blickt’,
Tagtäglich in ’n April geschickt.

Man kündigt an, verspricht, verheißt
Die neue Zeit, den neuen Geist.

Und dann — zum Schlüsse — tönt es schrill:
April — April!

Zu Genf hat man sich hingesetzt.

Die Schwachen zu beschützen.

Wird Nikaragua besetzt.

Läßt man es ruhig sitzen.

Man schlingt um uns ein Friedensband
Aus Leitsätzen und Linien,

Im Balkan schürt derweil den Brand
Der Herr von Mussolinien.

Abrüstung hier, Abrüstung dort.

Und die Geschütze rosten?

Ach nein, ein Militärtransport
Schwimmt auf Schanghai gen Osten . . .

Die Menschheit wird, wohin ich blickt’,
Tagtäglich in ’n April geschickt.

Man kündigt an, verspricht, verheißt
Die neue Zeit, den neuen Geist.

Und dann — zum Schlüsse — tönt es schrill:
April — April!

Aus Deutschland tönt ein sanft Gelock:

Versöhnung aller Klassen.

Im Sattel sitzt der Bürgerblock,

Und der Prolet im Nassen.

Verheißt mit biederm Aug’aufscblag
Man uns das allerbeste,

Liest: „Rückkehr zum Zehnstundentag“

Als Text man nach dem Feste.

Der Krüppel hofft, die Witwe denkt
Erhöhung ihrer Rente.

An Lüttwitz wird das Geld verschenkt,

Doch Euch? — Das war ’ne Ente!

Es wird das Volk, wohin ich blickt’,
Tagtäglich in ’n April geschickt.

Man kündigt an, verspricht, verheißt,

Die neue Zeit, den neuen Geist.

Und dann — zum Schlüsse — tönt es schrill:
April — April!

Wo Keudell Republik beschützt,

Was soll da ich, April?

Wenn Hergt Verfassungsreden schwitzt.

Da schweig ich lieber still.

Das Manifest des Zentrums, nein,

Das hab i c h nicht verfaßt.

Und Marx — dann Westarp hinterdrein,

Da wär’ selbst ich erblaßt.

Ich ziehe aus mein Narrenkleid,

Muß schweigend resignieren.

Mit dieser deutschen Wirklichkeit
Kann ich nicht konkurrieren!

Mit Manifest, Programm, Edikt
Wird Deutschland in ’n April geschickt.

Im Testamente noch verheißt
Die alte Zeit den neuen Geist.

Und immer höhnt das Kodizill:

April - April! Mich, von Lindenhecken.

Der Herr Reichsmimster des Innern hat an die ihm unterstellten Behörden folgenden Erlaß gerichtet:

Ich mache die mir Nachgeordneten Dienststellen darauf aufmerksam, daß mit der letzten Umbildung des Reichskabinetts die
in den Abortanlagen der Dienstgebäude vielfach anzutreffenden Inschriften, Herabsetzung und Verächtlichmachung der Reichs-
regierung betreffend, gegenstandslos geworden und zu Mißverständnissen Anlaß zu geben geeignet sind.

Ich ersuche daher die Chefs der Behörden für eine Beseitigung solcher unter nicht mehr bestehenden Voraussetzungen an-
gebrachten Inschriften und Zeichnungen mit tunlichster Beschleunigung Sorge zu tragen. Sollte meinem Ersuchen nicht ohne
völligen Neuanstrich der Abortwände entsprochen werden können, so bin ich auf Antrag bereit, die hierfür unumgänglich not-
wendigen Mittel aus den mir zur Verfügung stehenden kulturellen Fonds beihilfsweise oder auch ganz zu decken.

Bemerkungen pp. gegen die Weimarer Verfassung und solche, welche sich unmißverständlich gegen frühere Regierungs-
konstellationen richten, bleiben von dieser Anordnung unberührt.

^ . gez. v. Keudell.

Berlin, den l. April 1927.

Für die Richtigkeit der Abschrift: Stachus, Geh. Frelheits-Lite-Rat.
 
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