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Zeitgenossen

Der Antibourgeois.

Bei einem Presseempfang erschien
auch ein kleiner Reporter, von seinem
Blättchen (I O-Uhr-VormittagSzeitung
für bessere Stände mit sozialem Feuille-
ton) dahin abkommandiert.

Dieser junge Mann hatte, wie eö
im „Romanischen Cafe" üblich ist,
auch einen modernen revolutionären
Einschlag.

Dem festlichen Charakter des Presse-
empfangs entsprechend, erschien er im
Smoking, aber mit weißer Binde.

Ein wohlmeinender Freund nahm
ihn im Vorraum beiseite und sagte:
„Mensch, du kannst doch nicht zum
Smoking einen weißen Schlips
tragen!"

Das Reporterchen mit dem revolu-
tionären Einschlag aber schnaufte:
„Denkst du etwa, ich als Revolutionär
werde mich nach den Bekleidungövor-
schriften der Bourgeoisie richten?"

*

Der Schrei aus der Tiefe.

Als ich noch Kabarettist war . . .

Also da schob eines abends ein
Mensch mit weltschmerzlicher Krawatte
um den künstlerischen Leiter herum und
ersuchte ihn um ein Probeaustreten.
Sein Name wäre Ziebe; er schlüge
ganz neue Wege in der VortragS-
kunft ein.

Die künstlerische Leitung hatte nichts
dagegen und ließ ihn einschlagen.

Wandlungen
eines Filmuntemehmens

Die Ufa einst

und jetzt unter Hugenberg.

Ich war gerade mit meiner Nummer
fertig. Das Publikum lachte, klatschte
und brüllte und lockte noch drei da capi
aus mir heraus.

In der Garderobe stellte sich mir
Herr Ziebe vor.

Herr Ziebe lachte nicht etwa mit,
sondern im Gegenteil, er Hub an,
mich zu belehren: „Sehen Sie, was
Sie da machen, ist ja ganz nett. Aber
es ist doch nichts leichter, als ein Publi-
kum lachen zu machen! Gerade wir als
Revolutionäre sollten die Leute da
unten aufrütteln, erschüttern, zer-
schmettern! Ich trete jetzt auf. Hören
Sie sich meine Sachen an!"

Und Herr Ziebe trat auf.

„Ich bringe: Der Schrei aus der
Tiefe! - Worte von mir." Und Herr
Ziebe brachte und schrie etwa folgendes
aus der Tiefe:

„Da sitzt ihr nun und praßt und
schlemmt!

Wir haben kein Obdach, wir haben
kein Hemd!

Mit gierigen Fingern krallt uns die
Not.

Unsere heilige Kunst, die geht nach
Brot. . . ."

Als Herr Ziebe dann seine Tiefe
ausgeschrien hatte, regte sich in der Tat
keine Hand.

Stolz trat er zu mir und sagte:
„Sehen Sie! Das saß! Die wa-
gen gar nicht zu klatschen! Und das
nenne ich revolutionäre VortragS-
kunft!"

Dies sagend, schritt er trutziglich von
dannen. <5. W.

Illustrierte deutsche Geschichte

(8. Fortsehung-

unb Zeichnungen von Hermann Abeking

Das Preußen, das Friedrich
Wilhelm I. hinterließ, war das
königliche Ideal eines Volkes.

Womit wir zur Geschichte
Friedrichs H., des Großen,
kommen.

Beträchtlich sind seine Verdienste um die
deutsche Kino-Industrie. Der Schauspieler
Otto Gebühr verdankt ihm alles, was er
geworden ist.

Erstaunlich war Friedrichs des
Großen politische Fassungsgabe. Er
begriff die schwierigsten Situationen
sofort. Als die Engländer freie Hand
in ihre Kolonialpolitik zu haben
wünschten, sah er sogleich, daß dies
die günstigste Situation für eine kon-
tinentale Lähmung großen Stils sei.



(Fortsetzung folgt)
 
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