Der Sargnagel
Der KanalisationSsäiacht
auf der Straße fteht offen.
Nebendran liegt der Eisen-
deckel. Ein Arbeiter im blauen
Übergewand schaut hinab in
das viereckige Loch. Eben
kommt ein zweiter Arbeiter
auf einer schmalen Eisen-
leiter heraufgeftiegen ans
Licht der buttergelben Mor-
gensonne und sagt verschnau-
fend: „Mir genga etzetla
frühstücken." — Der andere
hat nichts dagegen und sie
schieben ab. Ein paar Dutzend
Herzschläge später geht eine
Dame, vielmehr sie tänzelt
vorbei, und nebenher trippelt
ein Hunderl. Das nette
Viecherl hat sofort irgend-
was an dem viereckigen Loch
zu tun, und weil gerad ein
pfeifender Bäckersunge vor-
beiflitzt im Lausbubentrab,
gibt er dem Hunderl einen
Fußftreifer. Heulend purzelt
das Hunderl in das Loch,
heulend fteht die Dame ne-
bendran und ruft: „Hilfe!
Hilfe!"
In zwei Minuten stehen
dicht und drängelnd fünfzig
Menschen rundum, weil da
irgend was, vielleicht gar ein
Kind, in das schwarze Loch
nunterpurzelt ist. Ein baum-
langer Kerl schiebt alle weg
zündet sich einen Sargnagel
an, tut einen langen Zug an
der Zigarette und läßt sich
von der Dame anjammern.
„DöS könnt' Ihna paffen,
wenn i wegen ihren Hunds-
freckerla da in das Loch
Oie Reichswehr-Millionen
Zeichnungen von Herbert Anger
oder
Alles durch das Volk —
für das Volk!
nunterkrabbeln möcht . . .",
sagt der Baumlange, steckt
seinen Borftenschädel übers
Loch und lacht mächtig darauf
los. Augenblicklich kriegt er
den Glotz und, hoppla, ist er
auf der Leiter abwärts im
Loch. Unterdeffen kommen
die Arbeiter vom Frühstück,
und ein Schutzmann ordnet
die Zuschauer zu einem abge-
zirkelten Halbkreis. Und die
Dame lobt den lieben Men-
schen da drunten über den
Schellenkönig, weil er ihren
süßen Ammi aus dem Loch
holt. Mitten hinein in den
preisenden Lobgesang der
Dame schreit der eine Arbei-
ter ins Loch: „Sie, machens
öihetla, daß raufkumma,
sunft kummt der Deck'l afS
Luch draf!" - Sofort
kommt der Mann aus der
Tiefe. Die Dame drückt ihm
ein Geldstück in die Hand
und tut notwendig: „Lieber
Mann, gebens mir mein
Ammi her ..." — Der liebe
Mensch steckt das Geldstück
in den Sack, hebt die Ziga-
rette hoch und lacht gemütlich:
„Ja . . . hohoho . . . Sie
mana gwiß gor, i bin wegen
ihrem Ammi nokrabbelt? . ..
Gott bewohr ... schaues, wie
ich Ihna auSg'lacht hob, is
mir mei Sargnagel aus der
Waffel ins Luch nunterpur-
zelt, schaues, dön feina Sarg-
nagel, denschmauchich öitzetla
... ober Ihna Ihr Hundela
hockt mir bayerisch gout dau
drunten ... krabbeln'ö halt
selbä nuntä, gouta Fra ..."
£. p.
Auf neu gewendete Kinderweise
Die sozialistische Kinderbeilage „Der Kinderfreund" hat sich auf Antrag Geßlers wegen — in einem Artikel „Liebe deinen
Nächsten" geschehener — Beleidigung der Wehrmacht vor dem Kadi zu verantworten.
Es geht durch unsere Lande
ein Engel still umher
im Staatsanwaltsgewande
und schnüffelt kreuz und quer.
Aus Paragraphenvaterland
vom lieben Geßler uns gesandt,
geht er als Sandmann um.
Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann
im „Kinderfreund“ herum.
Widibum!
Willst unter die Soldaten,
mußt haben ein Gewehr,
Kanonen und Granaten —
und willst du das nicht mehr,
willst du’s nicht mehr geschenkt,
weil dich das Mord-Spiel kränkt,
dann geht er wie der Plumpsack um
und tanzt als Bi-Ba-Butzemann
auf dem „Kinderfreund“ herum.
Widibum!
Ein Männlein steht — du weißt schon —
und schüttelt mit dem Kopp.
Es huppt ein Floh und beißt schon —
und wer ihn knackt, ist grob.
Das brave Kind gibt ihm sein Blut,
drum bleibt es auch so lieb und gut
und brauchbar blöd und dumm,
wenn tanzt der Bi-Ba-Butzemann
auf dem „Kinderfreund“ herum.
Widibum! Josef Maria Frank.
er Regisseur des Theaters zu 38. wurde von seinem Direktor
nach Berlin geschickt, um sich einige Stücke, darunter
Bronnens „Vatermord", anzusehen. Da er noch einige Tage
bummeln will, telegraphiert er nach der Aufführung dieses
Stückes begeistert an seinen Direktor: vatermord glänzend
gelungen ankomme samötag müller.
Als er Samstag bei seiner Ankunft aus dem Zug stieg,
wurde er verhaftet. Th.
*
of einer Reichswehrkaferne. Die Kompagnie ist zum Aus-
rücken angetreten. Gestern war LiebeSmahl. Der Haupt-
mann, noch total besoffen, tritt ans Pferd heran, das der
Bursche hält, hupp! und der Hauptmann sitzt verkehrt
auf dem Roß.
Ein Leutnant (tritt heran): „Bitte Herrn Hauptmann geho -
samft darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß Herr Haupt-
mann verkehrt auf dem Pferd sitzen."
Der mustert den Leutnant erstaunt. Schweigen.
Dann der Hauptmann mit Überlegenheit:
„Erstens, Herr Leutnant, ist es eine Unverschämtheit, wenn
Sie glauben, eine höhere Intelligenz als Ihr Vorgesetzter zu
besitzen. Zweitens: Sie wissen ja gar nicht, wo ich hinreiten
will. Drittens (und das sehr überlegen): „Ich kann ja den
Gaul jederzeit umkehren. Kompagnie, stillgeftanden!"
Der KanalisationSsäiacht
auf der Straße fteht offen.
Nebendran liegt der Eisen-
deckel. Ein Arbeiter im blauen
Übergewand schaut hinab in
das viereckige Loch. Eben
kommt ein zweiter Arbeiter
auf einer schmalen Eisen-
leiter heraufgeftiegen ans
Licht der buttergelben Mor-
gensonne und sagt verschnau-
fend: „Mir genga etzetla
frühstücken." — Der andere
hat nichts dagegen und sie
schieben ab. Ein paar Dutzend
Herzschläge später geht eine
Dame, vielmehr sie tänzelt
vorbei, und nebenher trippelt
ein Hunderl. Das nette
Viecherl hat sofort irgend-
was an dem viereckigen Loch
zu tun, und weil gerad ein
pfeifender Bäckersunge vor-
beiflitzt im Lausbubentrab,
gibt er dem Hunderl einen
Fußftreifer. Heulend purzelt
das Hunderl in das Loch,
heulend fteht die Dame ne-
bendran und ruft: „Hilfe!
Hilfe!"
In zwei Minuten stehen
dicht und drängelnd fünfzig
Menschen rundum, weil da
irgend was, vielleicht gar ein
Kind, in das schwarze Loch
nunterpurzelt ist. Ein baum-
langer Kerl schiebt alle weg
zündet sich einen Sargnagel
an, tut einen langen Zug an
der Zigarette und läßt sich
von der Dame anjammern.
„DöS könnt' Ihna paffen,
wenn i wegen ihren Hunds-
freckerla da in das Loch
Oie Reichswehr-Millionen
Zeichnungen von Herbert Anger
oder
Alles durch das Volk —
für das Volk!
nunterkrabbeln möcht . . .",
sagt der Baumlange, steckt
seinen Borftenschädel übers
Loch und lacht mächtig darauf
los. Augenblicklich kriegt er
den Glotz und, hoppla, ist er
auf der Leiter abwärts im
Loch. Unterdeffen kommen
die Arbeiter vom Frühstück,
und ein Schutzmann ordnet
die Zuschauer zu einem abge-
zirkelten Halbkreis. Und die
Dame lobt den lieben Men-
schen da drunten über den
Schellenkönig, weil er ihren
süßen Ammi aus dem Loch
holt. Mitten hinein in den
preisenden Lobgesang der
Dame schreit der eine Arbei-
ter ins Loch: „Sie, machens
öihetla, daß raufkumma,
sunft kummt der Deck'l afS
Luch draf!" - Sofort
kommt der Mann aus der
Tiefe. Die Dame drückt ihm
ein Geldstück in die Hand
und tut notwendig: „Lieber
Mann, gebens mir mein
Ammi her ..." — Der liebe
Mensch steckt das Geldstück
in den Sack, hebt die Ziga-
rette hoch und lacht gemütlich:
„Ja . . . hohoho . . . Sie
mana gwiß gor, i bin wegen
ihrem Ammi nokrabbelt? . ..
Gott bewohr ... schaues, wie
ich Ihna auSg'lacht hob, is
mir mei Sargnagel aus der
Waffel ins Luch nunterpur-
zelt, schaues, dön feina Sarg-
nagel, denschmauchich öitzetla
... ober Ihna Ihr Hundela
hockt mir bayerisch gout dau
drunten ... krabbeln'ö halt
selbä nuntä, gouta Fra ..."
£. p.
Auf neu gewendete Kinderweise
Die sozialistische Kinderbeilage „Der Kinderfreund" hat sich auf Antrag Geßlers wegen — in einem Artikel „Liebe deinen
Nächsten" geschehener — Beleidigung der Wehrmacht vor dem Kadi zu verantworten.
Es geht durch unsere Lande
ein Engel still umher
im Staatsanwaltsgewande
und schnüffelt kreuz und quer.
Aus Paragraphenvaterland
vom lieben Geßler uns gesandt,
geht er als Sandmann um.
Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann
im „Kinderfreund“ herum.
Widibum!
Willst unter die Soldaten,
mußt haben ein Gewehr,
Kanonen und Granaten —
und willst du das nicht mehr,
willst du’s nicht mehr geschenkt,
weil dich das Mord-Spiel kränkt,
dann geht er wie der Plumpsack um
und tanzt als Bi-Ba-Butzemann
auf dem „Kinderfreund“ herum.
Widibum!
Ein Männlein steht — du weißt schon —
und schüttelt mit dem Kopp.
Es huppt ein Floh und beißt schon —
und wer ihn knackt, ist grob.
Das brave Kind gibt ihm sein Blut,
drum bleibt es auch so lieb und gut
und brauchbar blöd und dumm,
wenn tanzt der Bi-Ba-Butzemann
auf dem „Kinderfreund“ herum.
Widibum! Josef Maria Frank.
er Regisseur des Theaters zu 38. wurde von seinem Direktor
nach Berlin geschickt, um sich einige Stücke, darunter
Bronnens „Vatermord", anzusehen. Da er noch einige Tage
bummeln will, telegraphiert er nach der Aufführung dieses
Stückes begeistert an seinen Direktor: vatermord glänzend
gelungen ankomme samötag müller.
Als er Samstag bei seiner Ankunft aus dem Zug stieg,
wurde er verhaftet. Th.
*
of einer Reichswehrkaferne. Die Kompagnie ist zum Aus-
rücken angetreten. Gestern war LiebeSmahl. Der Haupt-
mann, noch total besoffen, tritt ans Pferd heran, das der
Bursche hält, hupp! und der Hauptmann sitzt verkehrt
auf dem Roß.
Ein Leutnant (tritt heran): „Bitte Herrn Hauptmann geho -
samft darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß Herr Haupt-
mann verkehrt auf dem Pferd sitzen."
Der mustert den Leutnant erstaunt. Schweigen.
Dann der Hauptmann mit Überlegenheit:
„Erstens, Herr Leutnant, ist es eine Unverschämtheit, wenn
Sie glauben, eine höhere Intelligenz als Ihr Vorgesetzter zu
besitzen. Zweitens: Sie wissen ja gar nicht, wo ich hinreiten
will. Drittens (und das sehr überlegen): „Ich kann ja den
Gaul jederzeit umkehren. Kompagnie, stillgeftanden!"