„Ja, woaßt, Marie, da müaßat halt danna wieder«
Maiandacht sein . . . !" Und leise, wie eS nach einem
milden Regen aus der Dachrinne tropft, stiegen sie wieder hinter-
einander aus dem Fensterrahmen. Und nach seinem Grundsatz:
Getrennt marschieren und ver-
eint schlafen — gingen sie in
entgegengesetzter Richtung aus-
einander.
Der Hilföschutzmann Kajetan
Pfleiderer setzte seine Patrouille
fort und kam, vom Gymnasium
abbiegend, nahe dem Birken-
fteiner Gebüsch. Da hörte er aus
dem Strauchwerk menschliche
Laute knospen . . .
Da hatten sich gerade am
Wege, der dem öffentlichen Ver-
kehr diente, die Pedellseheleute
Semmelweiß nach vollbrachter
Maiandacht im Duft der
Maiennacht als Liebespaar
niedergelassen. Denn — was
sie hatten, verließen sie, suchten
die Natur auf und ließen die
Fenster ihres Schlafzimmers
offen stehen. Hilfsschutzmann Pfleiderer nahm an ihrem
frühlingsgefärbten Gebühren von Amts wegen und persönlich
öffentliches Ärgernis.
Und der Gvmnasialpedell Semmelweiß wurde zusammen
mit seiner ehelichen Hälfte in
aller Form zur Anzeige gebracht.
Seitdem feierte er seine
Maiennächte wieder zwischen
seinen vier - mit geblümten
Tapeten beklebten Wänden, wo
es mehr als vorher nach gedörr-
ten Apfelschnihen und Hühner-
augentinktur roch, — weil er
von jetzt ab auch die Fenster
schloß . ..
Dem Pfleiderer aber blieb
nur mehr die grenzenlose Maien-
nacht mit dem sternigen Himmel
über ihm ...
Unten waren die frischge-
ftrichenen Bänke inzwischen ge-
trocknet und das volksliedgrüne
Gras gewachsen . . . Und die
Liebe hörete nimmer auf . . !
Anekdoten
Der Intendant Ernst Possart, der Mann mit dem wallen-
den Bart und dem erhabenen Pathos, war ein großer Freund
seines weiblichen Chorpersonals.
In Kenntnis dieser Tatsache hatte ein Witzbold eines Tages
einen Zettel auf den großen Spiegel geklebt, der sich an der dem
Privatbüro Possart gegenüberliegenden Wand befand.
Ernst Possart tritt heraus, sieht den Zettel, stutzt, tritt
näher und lieft:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
Wen küßt heut Nacht der Intendant?"
Wütend ergreift Poffart einen Stuhl und schleudert ihn
gegen den Spiegel, der zertrümmert. Dann begiebt sich der
Intendant zur Bühne, um den Proben beizuwohnen.
Nach fast zwei Stunden kehrt er in sein Büro zurück und
schon wieder klebt ein neuer Zettel an dem zerbrochenen
Spiegel:
„Wenn auch der Spiegel Scherbe ist,
Der Intendant hat doch geküßt."
*
Adolf Steiner, der Leiter der Neuen Wiener Bühne, leitete
die Probe.
Schauspieler Haase glänzte durch Abwesenheit.
Steiner wartet eine Viertelstunde, eine halbe Stunde.
Haase fehlt noch immer.
Plötzlich wird die Tür aufgeriffen und atemlos stürzt Haase
auf die Bühne.
„Verzeihung, Herr Direktor, Verzeihung - "
„Haase, Haase, was ist? Wo sind Sie solange gewesen?"
Verzweifelt sucht Haase eine Ausrede. Nichts fällt ihm ein.
„Haase, wo sind Sie solange gewesen?"
„Verzeihen Sie, Herr Direktor, verzeihen Sie - aber -
aber unsere Wasserleitung ging nicht. Ja, unsere Wasserleitung
war kaputt."
„Wasserleitung? Wasserleitung? Was heißt Wasserleitung?
Das nächste Mal, Haase, nehmen Sie eine Droschke."
*
Der Dramaturg arbeitet im Büro.
Aus dem Privatzimmer des Direktors A. Steiner bricht
Lärm. Die Stimme des Gewaltigen wettert.
Plötzlich wird die Tür aufgeriffen.
„Was macben Sie da?" schreit Steiner den Dramatur-
gen an.
„Ich arbeite, Herr Direktor. Sehe aber keinen Grund, in
einem derartigen Ton mit mir zu sprechen."
„Ach was! Reden Sie nicht! Jetzt ist hier Krach!"
Schlägt die Tür zu und verschwindet.
Bodo Bronöky, der ehemalige Leiter der Kammerspiele
Kassel, liebt zu gastieren.
Kommt bei dieser Gelegenheit nach dem Städtchen Helm-
stedt. Begrüßt den Herrn Direktor und die Frau Direktor.
Raucht eine dicke Zigarre. Nach einer Weile erkundigt sich
Bodo Bronöky, wann die Probe angesetzt ist.
„Probe?" antwortet erstaunt der brave Helmstedter,
„Probe? So künstlerisch wollen Sie arbeiten?"
Intendant Graf Hülsen. Die Sängerin. Der Tenor
Sommer.
Berlin in Vorkriegszeiten.
Die Sängerin ist liiert mit Tenor Sommer. Graf Hülsen,
ebenfalls stark interessiert an der Entwicklung der Sängerin,
bittet die Dame eines Tages nach der Probe in sein Büro.
„Verzeihung, aber man sieht Sie jetzt viel mit Kollege
Sommer."
„Gewiß, Herr Graf, haben Sie etwas dagegen?"
„Nein — das heißt — darf ich Ihnen einen guten Rat
geben?"
„Bitte."
„Hüten Sie sich vor Sommersprossen."
„Besser Sommersprossen, Herr Graf, als - - Hülsen-
früchte!"
*
Ernst Lubitsch dreht. Einen Großfilm. Mit herzzerreißen-
dem Schluß. Wiedersehen mit dem bereits totgeglaubten
Gatten.
Die Gattin, gespielt von Mia Via, hat heute ihren schlechten
Tag. Zum achten Mal wiederholt Lubitsch die Schlußszene.
Vergebens.
„Mehr Stimmung, Mia Via!" ruft verzweifelt Lubitsch,
„kein Auge darf trocken bleiben, die Linse sogar muß heulen."
Maiandacht sein . . . !" Und leise, wie eS nach einem
milden Regen aus der Dachrinne tropft, stiegen sie wieder hinter-
einander aus dem Fensterrahmen. Und nach seinem Grundsatz:
Getrennt marschieren und ver-
eint schlafen — gingen sie in
entgegengesetzter Richtung aus-
einander.
Der Hilföschutzmann Kajetan
Pfleiderer setzte seine Patrouille
fort und kam, vom Gymnasium
abbiegend, nahe dem Birken-
fteiner Gebüsch. Da hörte er aus
dem Strauchwerk menschliche
Laute knospen . . .
Da hatten sich gerade am
Wege, der dem öffentlichen Ver-
kehr diente, die Pedellseheleute
Semmelweiß nach vollbrachter
Maiandacht im Duft der
Maiennacht als Liebespaar
niedergelassen. Denn — was
sie hatten, verließen sie, suchten
die Natur auf und ließen die
Fenster ihres Schlafzimmers
offen stehen. Hilfsschutzmann Pfleiderer nahm an ihrem
frühlingsgefärbten Gebühren von Amts wegen und persönlich
öffentliches Ärgernis.
Und der Gvmnasialpedell Semmelweiß wurde zusammen
mit seiner ehelichen Hälfte in
aller Form zur Anzeige gebracht.
Seitdem feierte er seine
Maiennächte wieder zwischen
seinen vier - mit geblümten
Tapeten beklebten Wänden, wo
es mehr als vorher nach gedörr-
ten Apfelschnihen und Hühner-
augentinktur roch, — weil er
von jetzt ab auch die Fenster
schloß . ..
Dem Pfleiderer aber blieb
nur mehr die grenzenlose Maien-
nacht mit dem sternigen Himmel
über ihm ...
Unten waren die frischge-
ftrichenen Bänke inzwischen ge-
trocknet und das volksliedgrüne
Gras gewachsen . . . Und die
Liebe hörete nimmer auf . . !
Anekdoten
Der Intendant Ernst Possart, der Mann mit dem wallen-
den Bart und dem erhabenen Pathos, war ein großer Freund
seines weiblichen Chorpersonals.
In Kenntnis dieser Tatsache hatte ein Witzbold eines Tages
einen Zettel auf den großen Spiegel geklebt, der sich an der dem
Privatbüro Possart gegenüberliegenden Wand befand.
Ernst Possart tritt heraus, sieht den Zettel, stutzt, tritt
näher und lieft:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
Wen küßt heut Nacht der Intendant?"
Wütend ergreift Poffart einen Stuhl und schleudert ihn
gegen den Spiegel, der zertrümmert. Dann begiebt sich der
Intendant zur Bühne, um den Proben beizuwohnen.
Nach fast zwei Stunden kehrt er in sein Büro zurück und
schon wieder klebt ein neuer Zettel an dem zerbrochenen
Spiegel:
„Wenn auch der Spiegel Scherbe ist,
Der Intendant hat doch geküßt."
*
Adolf Steiner, der Leiter der Neuen Wiener Bühne, leitete
die Probe.
Schauspieler Haase glänzte durch Abwesenheit.
Steiner wartet eine Viertelstunde, eine halbe Stunde.
Haase fehlt noch immer.
Plötzlich wird die Tür aufgeriffen und atemlos stürzt Haase
auf die Bühne.
„Verzeihung, Herr Direktor, Verzeihung - "
„Haase, Haase, was ist? Wo sind Sie solange gewesen?"
Verzweifelt sucht Haase eine Ausrede. Nichts fällt ihm ein.
„Haase, wo sind Sie solange gewesen?"
„Verzeihen Sie, Herr Direktor, verzeihen Sie - aber -
aber unsere Wasserleitung ging nicht. Ja, unsere Wasserleitung
war kaputt."
„Wasserleitung? Wasserleitung? Was heißt Wasserleitung?
Das nächste Mal, Haase, nehmen Sie eine Droschke."
*
Der Dramaturg arbeitet im Büro.
Aus dem Privatzimmer des Direktors A. Steiner bricht
Lärm. Die Stimme des Gewaltigen wettert.
Plötzlich wird die Tür aufgeriffen.
„Was macben Sie da?" schreit Steiner den Dramatur-
gen an.
„Ich arbeite, Herr Direktor. Sehe aber keinen Grund, in
einem derartigen Ton mit mir zu sprechen."
„Ach was! Reden Sie nicht! Jetzt ist hier Krach!"
Schlägt die Tür zu und verschwindet.
Bodo Bronöky, der ehemalige Leiter der Kammerspiele
Kassel, liebt zu gastieren.
Kommt bei dieser Gelegenheit nach dem Städtchen Helm-
stedt. Begrüßt den Herrn Direktor und die Frau Direktor.
Raucht eine dicke Zigarre. Nach einer Weile erkundigt sich
Bodo Bronöky, wann die Probe angesetzt ist.
„Probe?" antwortet erstaunt der brave Helmstedter,
„Probe? So künstlerisch wollen Sie arbeiten?"
Intendant Graf Hülsen. Die Sängerin. Der Tenor
Sommer.
Berlin in Vorkriegszeiten.
Die Sängerin ist liiert mit Tenor Sommer. Graf Hülsen,
ebenfalls stark interessiert an der Entwicklung der Sängerin,
bittet die Dame eines Tages nach der Probe in sein Büro.
„Verzeihung, aber man sieht Sie jetzt viel mit Kollege
Sommer."
„Gewiß, Herr Graf, haben Sie etwas dagegen?"
„Nein — das heißt — darf ich Ihnen einen guten Rat
geben?"
„Bitte."
„Hüten Sie sich vor Sommersprossen."
„Besser Sommersprossen, Herr Graf, als - - Hülsen-
früchte!"
*
Ernst Lubitsch dreht. Einen Großfilm. Mit herzzerreißen-
dem Schluß. Wiedersehen mit dem bereits totgeglaubten
Gatten.
Die Gattin, gespielt von Mia Via, hat heute ihren schlechten
Tag. Zum achten Mal wiederholt Lubitsch die Schlußszene.
Vergebens.
„Mehr Stimmung, Mia Via!" ruft verzweifelt Lubitsch,
„kein Auge darf trocken bleiben, die Linse sogar muß heulen."