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Schüttelreime

Siehst du den Mann dort mit
dem Kümmel laufen?

Ich werde mir den Lümmel
kaufen!

Und wenn du gehst zum
Pferdeftehlen,

Nimm solche nicht, woran die
Steerte fehlen!

Der Boxer von der Meister-
klaffe

Zermantschte ihn zu Kleister-
maffe. sch.

Pogrom

Ein persischer Schah sagte
vor Jahren einen Pogrom an.

Darüber erhob sich unter der
Iudenschaft der Stadt großes
Wehklagen.

„Erbarme dich unser", flehte
der Oberrabbiner den Fürsten
an. Aber er blieb unerbittlich.

„Ich Haffe die Juden. Sie
schlachten unsere Kinder. Sie
vergewaltigen die wenigen blon-
den Frauen, die wir noch im
Lande haben. Sie begehen tag-
lich neue Verbrechen, wie du
im perservölkischen Beobachter
lesen kannst."

„Das ist Lüge, Herr. Das
sind Märchen, die unsere Feinde
vor tausend Jahren erfanden
und in tausend Jahren noch er-
finden werden."

„Lüge oder nicht Lüge, ich Haffe die Juden. Um aber zu
wissen, was Ihr vermögt, will ich auf den Pogrom verzichten,
falls du dem Esel, der dort auf dem Hof steht, das Sprechen
beibringft."

Währung

Zeichnung von Zatobus Aelsen

Ein Kunde tritt ein.

Aufgemacht wie ein Amerikaner. Radebrechend
wie ein Amerikaner. Arrogant wie ein Amerikaner.
„Wuas sollen kosten der Plaid im Fenster?"
„Fünfzehn Mark", zeigt der Chef das gewünschte
Stück.

„Das wuären in meinem money?"

„Vierzig polnische Sloty."

Der Oberrabbiner trat lang-
sam zum Fenster. Betrachtete
lange das Tier.

„Der Esel wird sprechen wie
ein Mensch", sagte er dann.

„Wieviel Zeit brauchst du
dazu?"

„Zwölf Jahre", meinte der
Oberrabbiner mit Bedacht.

„Zwölf Jahre sind eine lange
Zeit. Aber ich bin begierig zu
wiffen, ob du es kannst. Also
höre: Wenn in zwölf Jahren
genau auf diesen Tag und diese
Stunde der Esel sprechen kann
wie ein Mensch, seid Ihr frei.
Wenn nicht, vernichte ich Euch
alle mit Kind und KindeS-
kindern."

Als die Juden dies erfuhren,
war ihr Jammer groß.

„Wie willst du eS möglich
machen, Rebbe, daß dieses
dumme Tier spricht wie ein
Mensch?"

„Zwölf Jahre sind eine lange
Zeit", wiegte da der Ober-
rabbiner bedächtig den Kopf,
„zwölf Jahre, da kann sich viel
ereignen. Vielleicht stirbt in
der Zeit der Esel, vielleicht
stirbt auch der Schah, vielleicht
sterbe auch ich." 3.

Urteil

Heinz Michel hat in seinem
achten Jahre ein Brüderchen
bekommen. Er wird an die
Wiege des Neugeborenen ge-
führt.

„Gott, so ein kleiner Borbs", meint er verächtlich. Da
fällt ihm aber ein, er könne damit vielleicht seine Eltern ge-
kränkt haben, und er fügt schnell hinzu: „Das heißt, für sein
Alter ist er geradezu stattlich."

Zeicttnunx von Karl Holtz

Midi. v. LmdcnKeck

en

Kaum hat er das Podium
erklettert,

Wirft er behende ein Glas
Wasser um,

Stellt sich in Positur und
wettert

Mit gesträubter Mähne ins
Publikum.

5. Der Agitator

Ve r s a m m l u n g s t y p e n

Er kennt kein Komma und
keine Punkte,

Er braucht viel Fremdwörter
— meist verkehrt —,

Bis die in seine Spucke ge-
tunkte

Volksseele kochend auf-
begehrt.

Seine Brillenreflexe schleudern Blitze,

Im Eifer ist die Krawatte verrutscht.

Durch Kraftausdrücke zur Siedehitze
Wird die Stimmung der Massen aufgeputscht.

Ein Schlag aufs Pult setzt dröhnend das Siegel.
Umbrandet steigt er hinab von Applaus,

Eilt auf die Toilette und guckt in den Spiegel:
„So sieht ein großer Mann also aus. . . I“
 
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