Vosenberg
Zeichnung von Zakobus Belse
„(§r hat die Wahrheit gesagt, er hat gemäß seiner Überzeugung gehandelt, er
hat Irrsinn nicht mitmachen wollen — mit einem Wort, er ist ein Verräter!"
Buchkauf.
„Ich möchte gern
ein Buch kaufen."
„Bitte sehr. Einen
Roman?"
„Ach, das ist egal.
Irgend ein schönes
Buch zum in den
Salon legen."
3- H.R
Mich. v. Lindenhecken: Es lebe der König
Unter dem Rufe: „Es lebe Christus, der König!“
Wurde ein Eisenbahnzug mit Petroleum begossen
Und angezündet. Man schmorte ein wenig
Die Menschen. Wer flüchtete, ward erschossen.
Das also geschah in Mexiko
Unter der Anführung von drei Priestern.
Ja, drüben sind die Menschen noch roh! —
Wir wenden uns schaudernd von diesen Biestern
Und wissen: unter den deutschen Eichen
Ereignet, gottlob, sich nichts dergleichen.
Sternheim
Medizinball reift eine Mittelmeerreise.
Hinter Capri sitzt er auf Deck und bemerkt plötzlich einen
Mann, der in seinem Liegeftuhl schläft. Auf seinem Schoße
liegt eine Novelle Sternheims.
„Ein Literaturkenner, ein Feinschmecker", freut sich Me-
dizinball des vornehmen Reisegefährten und beabsichtigt, seine
Bekanntschaft zu machen. Er wartet also, bis sein Gegenüber
erwacht.
„Gestatten, Medizinball", verbeugt er sich, „Sie beschäfti-
gen sich mit Sternheim?"
„Wie man eS nimmt."
„Lieben Sie seine Dialektik?"
„Ich lese sehr wenig."
„Sie sind zu bescheiden. Wenn man Sternheim als Reise-
lektüre -"
„Wieso Sternhcim?"
Medizinball stottert bedäppert:
„Aber dort liegt doch seine wundervolle Gastronomienovelle
Napoleon."
„Ach nee", lacht da der Literaturfeinschmecker laut auf, „ich
habe nur vor der Abfahrt in einer Wiener Bücherschwemme
sehr schnell ein paar billige Bücher gekauft. Denn unterwegs
hat man oft kein Papier, wenn man es braucht, und muß dann
den Börsenteil einer Zeitung zerreißen."
Der Deutsche läßt wohl seinen König hochleben,
Den himmlischen, auch den nach Doorn entwetzten.
Doch hat sich dabei nie etwas Arges begeben
Außer ein paar Toten und Schwerverletzten.
Wenn wirklich ein nationaler Mann
Im Zorn einen Rötlichen hingefunkt.
So sieht man das als Gericht Gottes an.
Punkt.
Aber solch eine Blasphemie
Wie in Mexiko — nein! — die begehren wir nie!
Die tote Dame
Stammscheibe kommt in ein Hotel.
Nachts zwei Uhr.
Alles ist bummvoll.
„Geben Sie Ihrem Herzchen ein Stößchen", torwiert
Stammscheibe den Portier.
„Ich hätte ja noch ein Bett. Im achtunddreißigften Stock,
auf Zimmer 3445. Aber es ist ein zweibettigeS Zimmer und
es liegt schon eine Dame darin."
„Nu wenn schon."
„Wenn Sie mir versprechen — "
„Ich verspreche."
Der Portier führt Stammscheibe auf Zimmer 3445 im
achtunddreißigften Stock.
„Bitte recht leise. Kein Licht machen. Morgen früh zeitig
das Zimmer verlassen."
Stammscheibe öffnet die Tür und verschwindet im Zimmer.
Der Portier lauscht einige Minuten, dann geht er hinunter.
Eine Stunde vergeht. Zwei Stunden vergehen.
Plötzlich erscheint Stammscheibe. Im Nachthemd.
Schreckensbleich. Mit steilem Haar.
„Um Gottes willen, das Mädchen ist ja tot."
„Das weiß ich", sagt ruhig der Portier, „aber woher wissen
Sie es?" J.H.R.
Zeichnung von Zakobus Belse
„(§r hat die Wahrheit gesagt, er hat gemäß seiner Überzeugung gehandelt, er
hat Irrsinn nicht mitmachen wollen — mit einem Wort, er ist ein Verräter!"
Buchkauf.
„Ich möchte gern
ein Buch kaufen."
„Bitte sehr. Einen
Roman?"
„Ach, das ist egal.
Irgend ein schönes
Buch zum in den
Salon legen."
3- H.R
Mich. v. Lindenhecken: Es lebe der König
Unter dem Rufe: „Es lebe Christus, der König!“
Wurde ein Eisenbahnzug mit Petroleum begossen
Und angezündet. Man schmorte ein wenig
Die Menschen. Wer flüchtete, ward erschossen.
Das also geschah in Mexiko
Unter der Anführung von drei Priestern.
Ja, drüben sind die Menschen noch roh! —
Wir wenden uns schaudernd von diesen Biestern
Und wissen: unter den deutschen Eichen
Ereignet, gottlob, sich nichts dergleichen.
Sternheim
Medizinball reift eine Mittelmeerreise.
Hinter Capri sitzt er auf Deck und bemerkt plötzlich einen
Mann, der in seinem Liegeftuhl schläft. Auf seinem Schoße
liegt eine Novelle Sternheims.
„Ein Literaturkenner, ein Feinschmecker", freut sich Me-
dizinball des vornehmen Reisegefährten und beabsichtigt, seine
Bekanntschaft zu machen. Er wartet also, bis sein Gegenüber
erwacht.
„Gestatten, Medizinball", verbeugt er sich, „Sie beschäfti-
gen sich mit Sternheim?"
„Wie man eS nimmt."
„Lieben Sie seine Dialektik?"
„Ich lese sehr wenig."
„Sie sind zu bescheiden. Wenn man Sternheim als Reise-
lektüre -"
„Wieso Sternhcim?"
Medizinball stottert bedäppert:
„Aber dort liegt doch seine wundervolle Gastronomienovelle
Napoleon."
„Ach nee", lacht da der Literaturfeinschmecker laut auf, „ich
habe nur vor der Abfahrt in einer Wiener Bücherschwemme
sehr schnell ein paar billige Bücher gekauft. Denn unterwegs
hat man oft kein Papier, wenn man es braucht, und muß dann
den Börsenteil einer Zeitung zerreißen."
Der Deutsche läßt wohl seinen König hochleben,
Den himmlischen, auch den nach Doorn entwetzten.
Doch hat sich dabei nie etwas Arges begeben
Außer ein paar Toten und Schwerverletzten.
Wenn wirklich ein nationaler Mann
Im Zorn einen Rötlichen hingefunkt.
So sieht man das als Gericht Gottes an.
Punkt.
Aber solch eine Blasphemie
Wie in Mexiko — nein! — die begehren wir nie!
Die tote Dame
Stammscheibe kommt in ein Hotel.
Nachts zwei Uhr.
Alles ist bummvoll.
„Geben Sie Ihrem Herzchen ein Stößchen", torwiert
Stammscheibe den Portier.
„Ich hätte ja noch ein Bett. Im achtunddreißigften Stock,
auf Zimmer 3445. Aber es ist ein zweibettigeS Zimmer und
es liegt schon eine Dame darin."
„Nu wenn schon."
„Wenn Sie mir versprechen — "
„Ich verspreche."
Der Portier führt Stammscheibe auf Zimmer 3445 im
achtunddreißigften Stock.
„Bitte recht leise. Kein Licht machen. Morgen früh zeitig
das Zimmer verlassen."
Stammscheibe öffnet die Tür und verschwindet im Zimmer.
Der Portier lauscht einige Minuten, dann geht er hinunter.
Eine Stunde vergeht. Zwei Stunden vergehen.
Plötzlich erscheint Stammscheibe. Im Nachthemd.
Schreckensbleich. Mit steilem Haar.
„Um Gottes willen, das Mädchen ist ja tot."
„Das weiß ich", sagt ruhig der Portier, „aber woher wissen
Sie es?" J.H.R.