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Oie neuen Versuche Znstruktionsstunde in
des Herkules

Mürrisch und verdrossen hockten
die griechischen Götter im Olymp
zusammen. „Eö ift trostlos", knurrte
Zeus, „wir leben bloß noch als
Zigaretten-, Kraftdroschken- und
Büftenhaltermarken unter den
Menschen. Zu blödsinnig! Wir
muffen uns wieder einen Namen
machen." — Und er rief den Her-
kules heran. Denn wenn hochge-
stellte Persönlichkeiten sich einen
Namen machen wollen, dann pfle-
gen sie sich nach einem gescheiten
und gutmütigen Untergebenen um-
zusehen, der die Sache übernimmt.

Herkules, der schon längst mal auf
Abwechslung aus war — denn
vom Abend bis zum Morgen als
Sternbild am Himmel zu stehen
und zu funkeln ist auf die Dauer
zum Untergehen langweilig!

Herkules kam und hörte zu.

„Du mußt etwas für uns tun",
sagte ZeuS, „geh' nach Deutsch-
land — da schreien sie schon immer
nach einem starken Mann — und
vollbringe ein paar Abenteuer.

Also Deutschland, in Europa! ver-
stehst du?" Bei dem Worte Eu-
ropa lächelte Zeus vergnügt, denn
er dachte an die Befriedigung Eu-
ropas — seine Befriedigung
Europas als Stier neulich.

Herkules, der eine Art griechischer Michel und immer bereit war,
für eine noble und faule Gesellschaft die mühseligsten und schmutzig-
sten Arbeiten zu verrichten, zog also los.

Er landete gleich darauf, bei einem deutschen Prachtwettcr, auf
einer Landstraße, traf dort einen freundlichen Mann, der eben so
pitschemadennaß geregnet war wie er selbst und ging gleich medias
in res.

„Ich bin Herkules", sagte er, „und soll hier einige meiner be-
kannten Taten vollbringen. Hier treiben sich doch allerhand Ungeheuer
herum, wie?"

„Und ob!" sagte der Mann erfreut, denn er kannte die Schwarze
Reichswehr und die Fememörder.

„Aha", sagte Herkules, „habt Ihr denn auch vier solche Roste wie
der König Diomedeö, denen alle Fremden zum Fräße vorgeworfen
werden?"

„V i e r?" entgegnete der freundliche Mann, „vier Roste?
Allein in der Reichshauptftadt sind eS schon mehr und dann kommt
noch die ganze Provinzpreste hinzu. Einige fresten Juden, andere
Engländer, wieder andere Polen, die meisten alles Fremdftämmige
überhaupt."

„Dieser Presse müssen wir also einfach ihre Besitzer zum Fräße
vorwerfen, wie ich eö mit Diomedeö tat."

„Spaß", sagte der Mann, „die wechseln ja fast jeden Tag ihren
Besitzer und außerdem werden die Roste, so groß sie sind, sich nicht
den Magen verderben wollen."

„Habt ihr denn vielleicht eine im Lauf unermüdliche Hirschkuh,
die ich jagen könnte?" erkundigte sich Herkules.

„Ich weiß schon, was du meinst", sagte der Mann, „aber die
kriegst du nicht. Die ist einmal in zwei Tagen von hier bis nach
Schweden gelaufen. Einmal haben wir sie gehabt, aber da wurde
sie freigesprochen."

„Hm, hm", machte Herkules, „habt ihr denn wenigstens so eine
Art stymphalischer Vögel?"

„Bei uns", sagte der Mann, „hat fast jeder seinen Vogel. Es
kann also sehr leicht sein, daß auch ein paar stymphalische darunter
sind. DaS nennen wir doch vaterländische Politik. Du willst also
endlich mal unsere vaterländische Politik auömerzen?"

„Nein, nein, nein, nein! Um Himmele willen nein! Das ist doch
der einzige Spaß, den die armen Götter noch haben!" verwahrte
sich Herkules. „Hm, hm, hm. — Sag mal, treibt sich denn bei
euch auch so ein furchtbares Schwein herum, wie ich es damals
in Arkadien gefangen habe?"

„O, eine ganze Menge!"

„Na endlich etwas! Nenne sie
mir mal, bitte."

„Nee! Weißt du, ich möchte mir
nicht gerne eine Beleidigungklage
an den Hals reden."

„Aber das ist ja trostlos. Habt
ihr denn so etwas wie eine ler-
näische Schlange, eine vielköpfige
Hydra?"

„Weiß schon, weiß schon; wo
jeder Kopf ein Diktator sein will?
Haben wir! Sie nennt sich V.V.V.
oder Vereinigung vaterländischer
Verbände."

„Fein", sagte Herkules, „das
machen wir so: wir tun ihr gar
nichts, sondern lasten jeden ihrer
Köpfe ungestört seinen eigenen Teil
denken, verstehst du? Dann muß
sie sich notwendigerweise selbst in
Stücke reißen."

Sie begaben sich zu der Schlange
und ließen sie in Ruhe und war-
teten darauf, daß sie sich durch ihre
vielfältige Denkkraft in Stücke
reißen würde. Sie warteten lange.
— Aber die Köpfe dachten leider
nicht, denn sie waren daran orga-
nisch verhindert und so fiel auch
diese Pointe ins Wasser.

Herkules schüttelte den Kopf.
„Etwas so ausgesucht Dämliches
wie euer Ungeheuer", sagte er, „ist
mir in meiner ganzen vielbewegten
Laufbahn noch nicht vorgckommcn.
Habt ihr denn wenigstens so etwas
wie die Ställe des AugiaS?" — Der freundliche Mann strahlte.

„Spaß", sagte er, „riech mal! Soviel du haben willst. AugiaS
war ein Parfümfabrikani dagegen. Soweit dein Auge bzw. deine
Nase reicht. . . . Du kannst gleich anfangen."

Froh stellte Herkules seine Keule in die Ecke und machte sich an
die Arbeit. Er veränderte im Laufe seiner Bemühungen das ganze
deutsche Flußgebiet und ließ nacheinander Elbe, Oder und Weser
durch die stinkenden Ställe fließen.

Es half nichts. Herkules stieß einen Fluch aus,spuckte in dieHände
und schickte Spree, Havel, Bode, Main und Donau hinterher (daher
übrigens das Hochwasser!). Herkules, von einer gräßlichen Arbeits-
wut gepackt, grub den Rhein ab und jagte ihn hindurch. Es war
kaum zu merken. Dann setzte er sich erschöpft hin.

„Trostlos!" sagte er, „weißt du, mein Freund", fuhr er dann
fort, „ich will dir etwas sagen: die blaue Flut hat versagt, die
grüne Flut hat versagt, — jetzt versucht es mal mit der roten!
Darin ersäuft dann auch die Hydra und der ganze übrige stinkende
Krempel! Ich selbst hab'S satt. Außerdem halte ich den Geruch
nicht mehr aus. Lebwohl!"

Herkules ergriff darauf seine Keule, schlug sich damit selbst ein
paarmal heftig vor den Kopf und beförderte sich auf diese Weise
wieder in den Himmel, um ZeuS Bericht zu erstatten.

„Na", fragte Zeus, „hast du für unö was erreicht da unten?"
„Nein", sagte Herkules, „nein, großer Donnerer. Es bleibt vor-
läufig noch bei Zigarettenmarken und Büstenhaltern. Da unten,
verstehst du, ist nämlich der berühmte Fall eingetreten, wo Götter
selbst vergebens kämpfen!" G. I — S.

L. L.-Ieitungsschau

Das „Grünberger Wochenblatt" berichtet unter Provinzial-
Nachrichten:

Neusalz, 22. April. (E i n Brückengeldtarif)
für die Benutzung der Oderbrücke ist vom Regierungspräsi-
denten genehmigt worden. Der Tarif sieht für jeden Fuß-
gänger 5 Rpf., für ein größeres Stück Vieh 15 Rpf.
ufw. vor.

Wieviel hat danach ein Redakteur des „Grünberger
Wochenblatts" zu entrichten?

der Reichswehr

Zeichnung non Karl Hi-ltz

„Was versteht man unter Reichswehr?"

„Das ist, Herr Leutnant, eine Vereinigung fahrlässiger
junger Leute, die sich vorher nicht genau informiert haben."
 
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