Die alte Garde
Seht: da nah’n die Demokraten
mit dem Anstand, den sie hatten,
schwarz-rot-gold das Fahnenband!
„Tod Tyrannen und Despoten,
Jesuiten und Zeloten!
Freies Volk regier das Land!“
Auf den hohen Barrikaden
ham sie das Gewehr geladen:
„Freiheit — oder unser Blut!“
— — Vor der Märzgefall’nen Särgen
konnte sich kein König bergen:
„Hut ab!“ Runter flog der Hut!
Für die Wissenschaft, die Künste,
keine bessren Kämpfer findst de —:
alte Ideale gilt’s!
Daß sie darin nie erlahmen,
bürgen dir auch heut die Namen:
Geßler, Dr. Heuß und Külz! Karl Kinndt
Breitner in Wien
Herr Rudolf Stratz hat gegen ihn geschrieben,
der Chor der Pfaffen heulte wild und laut.
Das Wüten half nichts, denn er ist geblieben
und baut!
Der Hausbesitz hat ihn mit Dreck beschmissen.
Die alte Weise klang ihm ganz vertraut.
Er schläft des Nachts mit ruhigem Gewissen
und baut!
Das „feine“ Wien hat viel von ihm gelogen.
Kein Pfeil der Lüge ritzte ihm die Haut.
Er sieht es lächelnd, wie die Brüste wogen,
und baut!
Der eine Breitner, der die Snobs bekümmert,
zagt nicht ergeben, bis der Märzwind taut.
Er hat das alte Mauerwerk zertrümmert
Und baut! Karl Sdinog
Liebe,
Elli stand rechts.
Putti stand links.
Der Junge Mann
gähnte in der Mitte.
„Wen liebst du
mehr von uns?"
wollten die beiden
Mädchen wissen.
Da sagte der junge
Mann ruhig: „Kin-
der, würfelt's aus!"
Schikane.
Der Hans ist beim
Examen zum zweiten
Male durchgefallen.
Der Vater ist
erbost.
„Schon wieder
durchgefallen?"
Nur durch Schi-
kane. Denk dir, sie
haben mir diesmal
wieder genau dieselbe
Frage gestellt, wie
im vorigen Jahr."
„Kinder, wenn wir mit der internationalen Abrüstung erst so weit
waren wie mit der internationalen Abbrüstung!"
Der Mathematiker.
Ino Krumpelt ist
Mathematiker.
Durch und durch.
Nichts anderes in-
teressiert ihn.
„Sie sollten auch
einmal ein gutes
Buch lesen", rät ihm
Mistelzweig.
„Hat das einen
Zweck?"
„Versuchen Sie
es immerhin", meint
Miftelzweig und
bringt ihm Goethes
Werther.
Ino Krumpelt liest
vorn drei Seilen, er
liest hinten drei Sei-
ten, klappt das Buch
zu und sagt:
„Ganz nett, aber
was wird damit be-
wiesen?" Z.H.R.
tftngerf abrten / Ein dramatisches Spielchen von Theoderich Neumond
Szene: Unser liebeö Reichsgericht. Vor der Verhandlung.
Herr Ni ebner ist in Verlegenheit und deklamiert vor sich hin:
Wär's wirklich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte,
Freisprechen nicht, wie mir's beliebt? Ich müßte
Die Kerls verknacken, was ich nie gedacht?
Das ist die Sache, die mir Kummer macht!
Des Herzens Haß galt bisher nur den Roten.
Indessen diese hier sind — Patrioten.
Daß Zivilisten zum Gericht gehören,
Wird mich in meinen Direktiven stören.
Die Leute sind wohlmöglich auf dem Damme.
Ich muß verknacken, was ich nie gedacht.
Ja, aus Gemeinheit wurde dies gemacht,
Und die Verlegenheit ist meine Amme!
Der Wiking ist noch nicht in Verlegenheit und proklamiert vor
sich hin:
Das letzte Mal hat man uns freigesprochen,
Aus unferm furchtbar faulen Ei
Sind wir gesund herausgekrochen.
Wir pfiffen auf Grzesinskis Polizei.
Klappt es noch einmal wie am Schnürchen:
So kriegen wir ein kleines Diktatürchen!
Der Prozeß beginnt, das Wort nimmt
Herr Ehrhardt: Was wollt ihr von uns? Es ist ganz
unerfindlich!
Wir sind doch so harmlos, so friedlich, so kindlich.
Wir sind Kavaliere vom Scheitel zur Sohle.
Nie wider die Ordnung! ist unsere Parole.
Woher die Verzürnung, woher die Erbosung?
Nie wider sdiep) Republik! ist die Losung.
Und wenn unsere Sitten wie in Wilhelms Heer find,
So rührt das daher, daß wir fürs Militär sind.
Wir sind wie die Engel so rein, lautet mein Eid.
Ein Echo: Mein Eid!
DaS Gericht zieht sich zur Beratung zurück und verkündet alsdann:
Herr Kapitän Ehrhardt zusamt seinen Knoten
Bleibt hiermit verboten.
Jetzt ist der Wiking in Verlegenheit. *)
*) Das eingeklammerte Wort ist nur im Notfall mitzulesen.
Seht: da nah’n die Demokraten
mit dem Anstand, den sie hatten,
schwarz-rot-gold das Fahnenband!
„Tod Tyrannen und Despoten,
Jesuiten und Zeloten!
Freies Volk regier das Land!“
Auf den hohen Barrikaden
ham sie das Gewehr geladen:
„Freiheit — oder unser Blut!“
— — Vor der Märzgefall’nen Särgen
konnte sich kein König bergen:
„Hut ab!“ Runter flog der Hut!
Für die Wissenschaft, die Künste,
keine bessren Kämpfer findst de —:
alte Ideale gilt’s!
Daß sie darin nie erlahmen,
bürgen dir auch heut die Namen:
Geßler, Dr. Heuß und Külz! Karl Kinndt
Breitner in Wien
Herr Rudolf Stratz hat gegen ihn geschrieben,
der Chor der Pfaffen heulte wild und laut.
Das Wüten half nichts, denn er ist geblieben
und baut!
Der Hausbesitz hat ihn mit Dreck beschmissen.
Die alte Weise klang ihm ganz vertraut.
Er schläft des Nachts mit ruhigem Gewissen
und baut!
Das „feine“ Wien hat viel von ihm gelogen.
Kein Pfeil der Lüge ritzte ihm die Haut.
Er sieht es lächelnd, wie die Brüste wogen,
und baut!
Der eine Breitner, der die Snobs bekümmert,
zagt nicht ergeben, bis der Märzwind taut.
Er hat das alte Mauerwerk zertrümmert
Und baut! Karl Sdinog
Liebe,
Elli stand rechts.
Putti stand links.
Der Junge Mann
gähnte in der Mitte.
„Wen liebst du
mehr von uns?"
wollten die beiden
Mädchen wissen.
Da sagte der junge
Mann ruhig: „Kin-
der, würfelt's aus!"
Schikane.
Der Hans ist beim
Examen zum zweiten
Male durchgefallen.
Der Vater ist
erbost.
„Schon wieder
durchgefallen?"
Nur durch Schi-
kane. Denk dir, sie
haben mir diesmal
wieder genau dieselbe
Frage gestellt, wie
im vorigen Jahr."
„Kinder, wenn wir mit der internationalen Abrüstung erst so weit
waren wie mit der internationalen Abbrüstung!"
Der Mathematiker.
Ino Krumpelt ist
Mathematiker.
Durch und durch.
Nichts anderes in-
teressiert ihn.
„Sie sollten auch
einmal ein gutes
Buch lesen", rät ihm
Mistelzweig.
„Hat das einen
Zweck?"
„Versuchen Sie
es immerhin", meint
Miftelzweig und
bringt ihm Goethes
Werther.
Ino Krumpelt liest
vorn drei Seilen, er
liest hinten drei Sei-
ten, klappt das Buch
zu und sagt:
„Ganz nett, aber
was wird damit be-
wiesen?" Z.H.R.
tftngerf abrten / Ein dramatisches Spielchen von Theoderich Neumond
Szene: Unser liebeö Reichsgericht. Vor der Verhandlung.
Herr Ni ebner ist in Verlegenheit und deklamiert vor sich hin:
Wär's wirklich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte,
Freisprechen nicht, wie mir's beliebt? Ich müßte
Die Kerls verknacken, was ich nie gedacht?
Das ist die Sache, die mir Kummer macht!
Des Herzens Haß galt bisher nur den Roten.
Indessen diese hier sind — Patrioten.
Daß Zivilisten zum Gericht gehören,
Wird mich in meinen Direktiven stören.
Die Leute sind wohlmöglich auf dem Damme.
Ich muß verknacken, was ich nie gedacht.
Ja, aus Gemeinheit wurde dies gemacht,
Und die Verlegenheit ist meine Amme!
Der Wiking ist noch nicht in Verlegenheit und proklamiert vor
sich hin:
Das letzte Mal hat man uns freigesprochen,
Aus unferm furchtbar faulen Ei
Sind wir gesund herausgekrochen.
Wir pfiffen auf Grzesinskis Polizei.
Klappt es noch einmal wie am Schnürchen:
So kriegen wir ein kleines Diktatürchen!
Der Prozeß beginnt, das Wort nimmt
Herr Ehrhardt: Was wollt ihr von uns? Es ist ganz
unerfindlich!
Wir sind doch so harmlos, so friedlich, so kindlich.
Wir sind Kavaliere vom Scheitel zur Sohle.
Nie wider die Ordnung! ist unsere Parole.
Woher die Verzürnung, woher die Erbosung?
Nie wider sdiep) Republik! ist die Losung.
Und wenn unsere Sitten wie in Wilhelms Heer find,
So rührt das daher, daß wir fürs Militär sind.
Wir sind wie die Engel so rein, lautet mein Eid.
Ein Echo: Mein Eid!
DaS Gericht zieht sich zur Beratung zurück und verkündet alsdann:
Herr Kapitän Ehrhardt zusamt seinen Knoten
Bleibt hiermit verboten.
Jetzt ist der Wiking in Verlegenheit. *)
*) Das eingeklammerte Wort ist nur im Notfall mitzulesen.