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Oie

monarchistische

Drehorgel

Eine Bank vom Garten«
verschönerungsverein in der
Anlage. Stadtpark. Auch
recht. Ich schwelge im Son-
nenglück. Dadurch wird
meine schäbige Kluft schie-
ßen, das heißt, in allen Re-
genbogenfarben schimmern.
Wunderschön. Frühlings-
wunder.

Ein älterer, betügter
Bürger setzt sich neben hin
und verweist sofort mit ehr-
licher Entrüstung auf den
harmonischen Raffelkaften
dort an der Brücke, lieben
dem Froschweiher.

„Dös sann lauter Gaffen-
Hauer, sunft nix!" schimpft
er. — Und nun kramt er in
seinen Erinnerungen herum.
Erzählt also: „SckaunS, eS
war vorm Krieg, da hat dort
an der Brücke einer a Orgel
gespielt, a Orgel ... die
Waisenkinder mit der geist-
lichen Aufsicht, alles ist dort
stehen blieben . . . und alle
mitnander hamS die schönen,
die wundervollen Vater-
landölieder von König und
Kaiser — gesungen . . .
mit der Orgel . . . ahffzzz."
Und der Mann beginnt zu
schluchzen.

Ich schweige. Und der
Rührselige läßt seinen Trä-
nen freien Lauf.

Das verteuerte Porto

Zeichnung von Willi Sie in er!

„Es wird mir schon gelingen, die deutsche Wirtschaft nieder-
zudrücken", sagte die Michspost und erhöhte die Ärief- und
Telephongebühren.

Nachdem setzt der Er-
zähler hinzu und lacht still
vor sich hin: „Aba das

hätten'ö sehen soll'», wie ko-
misch daS ausg'schaut hat,
wie die Leut am andern
Morgen den Alten mit der
Orgel auf dem Buckel aus
dem Froschweiher ersoffen
raus Ham. . . ."

„Der alte Mann war
wohl halb oder ganz blind?"
werfe ich ein.

Eifrig tut der betugtc
Bürger: „Er war bloß

total besoffen und ist im
Froschweiher neigeraten."

Sodann wischt der liebens-
würdige Bürger etwas von
seiner Joppe weg, was von
oben runter kommt und tut
wichtig: „Gegens mit, ich
zeig Ihna die berühmte
Kaiscrorgel. . . ."

Und der gutmütige Herr
führt mich zum Zimmer-
meister, der zugleich Präsi-
dent der vereinigten Militär-
vereine und Veteranen ist.

Dort wird mir die
monarchistische Kaiser- und
Königsorgel gezeigt. Zwi-
schen einer HauSkapellc und
sonstigen heiligen, königlich-
kaiserlichen Raritäten steht
die Orgel.

Der besagte Präsident
hebt den Arm, hält ihn steif
wie ein indischer Fakir, rollt
fürstcntrcu die Augen und
sagt mit blechener Feld-
horniftenstimme: „DaS ist
unser Heiligtum . . ."

Kuckuck.

Der teutschen Seele Himmelfahrt

Eine teutsche Seele schickte sich an, ins Jenseits hinüberzutrudeln.
Schnurstracks gelangte sie an die Himmclöpforte, die ihr von einem
stark jüdisch aussehenden Herrn geöffnet wurde. Was ihr gleich nicht
gefiel.

Überhaupt die Aufmachung. Der rotale Mangel an straffer
Disziplin.

Die teutsche Seele wandte sich an einen Engel:

„Ich sehe hier viele Gestalten, die ich eigentlich in der Hölle vcr-
mutet hätte und nicht im Himmel, z. B. der Literat da und —"
„Wieso? Da hier keiner ferner Kollegen häufiger gedruckt wird
als er, nämlich überhaupt niemand, fühlt er sich vollkommen im
Himmel. Übrigens: Himmel? Hölle? Das ist doch dasselbe! Der
gleiche Anteil aller an der Glückseligkeit — das ist doch der Himmel,
nicht wahr? Das Paradies, wie? Aber für ungcläuterte Seelen wie
Generaldirektoren, Superintendenten, Abteilungsvorsteher usw. ist
es eben die Hölle. — Sieh dir", fuhr der Engel fort, „z. B. das
trostlose Gesicht des alten Kommerzienrats an, der da auf der kleinen
Wolke hockt. Er hat sich schon seit langen: ein kleines Guckloch reser-
viert — wir lasten ihm daö ruhig — von dort aus kann er gerade
in die Burgstraße sehen. Neulich, am 15. Mai, lief er mit Freudcn-
tränen, wie ein Beseffener, durch den Himmel und schrie: „Ich Hab'
gefixt, gefixt Hab' ich! Haha, mein Blick, eine glatte Million Hab'
ich herausgezogen, hallelujah!" Und dann ist ihm eingefallen, daß
hier im Himmel eine Million eine gegenstandslose Angelegenheit ist.
Seitdem sitzt er da auf der Wolke, stiert schon fast idiotisch vor sich
hin und rechnet. Er spekuliert unausgesetzt, gewinnt immer —
und hat nischt davon! Na, wenn das nicht die Hölle ist! Siehst du
den General da? Der ist schon ganz kindisch vor Schmer; geworden.
Keine Marter eurer lumpigen ausgedachten Hölle gleicht der Dual,
die er darüber empfindet, daß es hier — mangels jeglicher Be-
kleidung — keine Hosennähte gibt. Neulich faßte ihn eine harmlose

Rekrutenscele an und wollte mit ibm tanzen — der alte Mann ist
heut' noch nicht darüber hinweg! Sichst du die Hofprcdigerseele da
drüben? Die hat sich eine kleine Wolke als Kanzel zurcchtgemacht und
pflegt da in vollem Ordensschmuck zu predigen — unsere guten und
freundlichen Seelen haben aufrichtiges Mitleid mit ihr, denn sie ist
noch mit am weitesten zurück. — Nein, nein", schloß der Engel,
„alle Seelen kommen in den Himmel, aber manche können die
paradiesischen Zustände nicht vertragen, und für die ist er unver-
dünnte Hölle. Jedoch wird der herrliche Gedanke des gleichen Rechts
am Glück sich auch auf der Erde durchsetzen. Und dann sind wir
hier oben überflüssig, und unsere Miffion ist beendet."

„Um Gotleöw ... ich wollte natürlich sagen: wie schön, wie
schön!" äußerte die teutsche Seele, „wann wird das ungefähr sein?"

„Daö ist Sache der Menschen."

„Hm, hm. Na, vielen Dank auch!" — Der Engel verschwand.
Der teutschen Seele standen die Schweißtropfen auf der Stirn.
Welch' furchtbare Trostlosigkeit, dieser Himmel! „Für unsereinen",
sagte sie, „sind also die einzigen paradiesischen Zustände
zurzeit auf der Erde! Oh, wenn ich doch auf irgendeine Weise
auö diesem vcrfl . . . ., wollte sagen, gesegneten Himmel heraus und
wieder hinunterkönnte, jetzt, wo wir in der Regierung sitzen!" Und
sie suchte verstohlen nach einer kleinen Luke oder Tür. Endlich fand
sie eine, blickte sich noch einmal um und sprang mit einem gewaltigen
Satze heraus und landete mit lautem Knall wieder in ihrer irdischen
Bettstelle, wo sie erwachte.

„Das war ja furchtbar!" stöhnte sie, „nie wieder Himmel! —
Was Hab' ich für'n Dusel gehabt, daß ich die kleine Hintertür ge-
funden habe - Hintertür, Hintertür . . . upropo«: Hintertür —
es ist 12 Uhr und ich muß ja in den Reichstag zur Abstimmung."

Und mit einem Iubelruf sprang sie au6 dem Bett und in btc
Unterhosen. Gustav gunghans
 
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