Legendulei vom lieben Gott
Der liebe Gott befand sich wieder einmal auf einer
Inspektionsreise, was alle heilige Zeit einmal vor-
kommt. An einem Sonntag des Jahres 1926 nach
irdischer Zeitrechnung landete ER auf der Erde,
knüpfte sich einen langen weißen wuscheligen Voll-
bart ums Kinn und markierte den gütigen alten Mann
aus der Fibel. Und der HERR ging über Land, um
Stichproben zu machen, und so kam er auch in das
Deutsche Reich, wie sich diese Republik öffentlich
nennt.
Und der HERR trat in eine Kirche ein, denn das
war wohl das Nächstliegende, und stellte sich vor den
Pfarrer und sprach: „Ich bin der liebe Gott!“ Da
bekreuzigte sich der Schwarze nach allen Regeln der
Kunst und schnurrte seine Litanei ab und flüsterte
in heiligem Eifer: „O Herr, gepriesen sei Dein Name
für und für, aber ich weiß nicht, ob sichs für die
Kirche rentiert, wenn Du Dich, o Herr, vor allem
Volke zeigst, wir sind gerade so schön drin, ganz
geräuschlos und ohne viel Wesens zu machen, alles zu
erreichen, was wir nur wollen: keusche Literatur und
Konkordat usw. Amen!“
Da ging der HERR hinweg und begab sich zu
einem großen Bankier und sprach: „Ich bin der liebe
Gott!“
„Lieber Gott“, sagte der Bankier und drückte
seinen Klemmer fest und machte eine servile Ver-
beugung, „lieber Gott, laß doch bitte die Kurse steigen
oder ich bin ein ruinierter Mann.“
Da ging der HERR hinweg und kam am Hause
eines Theaterdirektors vorbei und hörte diesen kla-
gen und jammern: „Ach du lieber Gott, ach du lieber
Gott, was fang ich nur an,
was fang ich an!“
Da ging der HERR ohne
einzutreten weiter und be-
gab sich in die elende Woh-
nung eines Proletariers,
wenn man diese Baracke
Wohnung nennen kann, da
saßen Mann und Weib und
kleine Kinder hungernd
und frierend in einer er-
bärmlichen Stube, und der
Wandlung
Beichte
Zur Beichte erscheint ein
junger Mann von angenehmstem
Äußern.
„Ehrwürdiger Vater, ich
habe gegen das sechste Gebot ge-
sündigt."
Sinnend fragte der Priester:
„W i e oft, mein Sohn,
Haft du gegen das sechste Gebot
gesündigt?"
Errötend neigte der Beich-
tende sein blondlockiges Haupt:
„Ehrwürdiger Vater, ich kam
hierher, um mich zu demütigen,
nicht um zu prahlen!"
£. L-Zeitungsschau
Die Dresdner Volkszeitung
meldet am 18. Mai 1927:
Theaterabend. Die Sozia-
listische Arbeiterju-
liebe Gott sagte voll unendlicher Güte: „Ich bin der
liebe Gott!“
Und der Arbeiter sagte: „Zu mir kommst Du? Ich
dachte, Du seist nur für die besseren Leute da!“
Da begab sich der HERR hinweg und besuchte eine
Volksversammlung, trat zu dem Redner und sprach:
„Ich bin der liebe Gott!“
„Sie irren!“ sagte Häußer, denn er war es. „Der liebe
Gott bin ich!“
Da ging der HERR hinweg zu einem Atheisten und
sprach: „Ich bin der liebe Gott!“
„Der liebe Gott? Gott ist eine Sache des Glaubens“,
sagte der Atheist. „Aber wer glaubt schon ernst-
lich daran!“
Da ging der HERR hinweg zu einem Philosophen,
der trachtete, die Welt zu verbessern, und sprach: „Ich
bin der liebe Gott!“
„So, Sie sind das!“ sagte der Philosoph und wies
zum Fenster hinaus: „Da brauchen Sie sich wirklich
nichts drauf einzubilden.“
Da ging der HERR hinweg und begab sich in ein
Amüsierlokal, da waren viele Mädchen, die kamen
ihm so bekannt vor, und ER wandte sich an einen
jungen Mann und fragte: „Wer sind diese?“
Und der junge Mann lachte: „Die, das sind lauter
gefallene Engel!“
„Dadrum!“ murmelte der HERR in seinen Bart
und verließ das Lokal.
Da ging der Höchste zum Allerhöchsten nach
Doorn und schickte seine Karte hinein: „Ich bin der
liebe Gott!“
Und es kam ein livrierter Diener heraus und über-
reichte dem lieben Gott ein
säuberlich gedrucktes For-
mular: „Solange meine Un-
tertanen meine gerechten
Forderungen nicht voll und
ganz befriedigt haben, kann
ich leider keine Almosen
mehr spenden! I. R.“
Da machte der liebe Gott,
daß er wieder in den Him-
mel kam.
Arnold Rcinstein
Zeichnung von Herbert Anger
„Ich möchte mein Geld abheben", erklärt die fünfzig-
jährige unverehelichte Eroica mit Gewittermiene.
„Sind Sie volljährig?", erkundigt sich liebenswürdig
Wunderlich.
„Ich laffe mein Geld stehen", flötet Eroica.
g e n d hat am 26. Mai (Him-
melfahrt) im Albert-Theater,
vormittags 10 Uhr,
eine Vollvorftellung: Flachs-
mann als Erzieher. Preis für
alle Plätze 60 Pfennig.
Glückliche Jugend, deren
Abend schon um 10 Uhr vor-
mittags beginnt!
*
Im „Fehmarnschen Tage-
blatt" vom 3. Mai inseriert ein
Landwirt:
Verkaufe festsitzende
Glucken und Ferkel
Schenk, Bisdorf.
Wenn die Ferkel zu brüten
anfangen, mögen nette Schwei-
nereien dabei herauskommen!
Der liebe Gott befand sich wieder einmal auf einer
Inspektionsreise, was alle heilige Zeit einmal vor-
kommt. An einem Sonntag des Jahres 1926 nach
irdischer Zeitrechnung landete ER auf der Erde,
knüpfte sich einen langen weißen wuscheligen Voll-
bart ums Kinn und markierte den gütigen alten Mann
aus der Fibel. Und der HERR ging über Land, um
Stichproben zu machen, und so kam er auch in das
Deutsche Reich, wie sich diese Republik öffentlich
nennt.
Und der HERR trat in eine Kirche ein, denn das
war wohl das Nächstliegende, und stellte sich vor den
Pfarrer und sprach: „Ich bin der liebe Gott!“ Da
bekreuzigte sich der Schwarze nach allen Regeln der
Kunst und schnurrte seine Litanei ab und flüsterte
in heiligem Eifer: „O Herr, gepriesen sei Dein Name
für und für, aber ich weiß nicht, ob sichs für die
Kirche rentiert, wenn Du Dich, o Herr, vor allem
Volke zeigst, wir sind gerade so schön drin, ganz
geräuschlos und ohne viel Wesens zu machen, alles zu
erreichen, was wir nur wollen: keusche Literatur und
Konkordat usw. Amen!“
Da ging der HERR hinweg und begab sich zu
einem großen Bankier und sprach: „Ich bin der liebe
Gott!“
„Lieber Gott“, sagte der Bankier und drückte
seinen Klemmer fest und machte eine servile Ver-
beugung, „lieber Gott, laß doch bitte die Kurse steigen
oder ich bin ein ruinierter Mann.“
Da ging der HERR hinweg und kam am Hause
eines Theaterdirektors vorbei und hörte diesen kla-
gen und jammern: „Ach du lieber Gott, ach du lieber
Gott, was fang ich nur an,
was fang ich an!“
Da ging der HERR ohne
einzutreten weiter und be-
gab sich in die elende Woh-
nung eines Proletariers,
wenn man diese Baracke
Wohnung nennen kann, da
saßen Mann und Weib und
kleine Kinder hungernd
und frierend in einer er-
bärmlichen Stube, und der
Wandlung
Beichte
Zur Beichte erscheint ein
junger Mann von angenehmstem
Äußern.
„Ehrwürdiger Vater, ich
habe gegen das sechste Gebot ge-
sündigt."
Sinnend fragte der Priester:
„W i e oft, mein Sohn,
Haft du gegen das sechste Gebot
gesündigt?"
Errötend neigte der Beich-
tende sein blondlockiges Haupt:
„Ehrwürdiger Vater, ich kam
hierher, um mich zu demütigen,
nicht um zu prahlen!"
£. L-Zeitungsschau
Die Dresdner Volkszeitung
meldet am 18. Mai 1927:
Theaterabend. Die Sozia-
listische Arbeiterju-
liebe Gott sagte voll unendlicher Güte: „Ich bin der
liebe Gott!“
Und der Arbeiter sagte: „Zu mir kommst Du? Ich
dachte, Du seist nur für die besseren Leute da!“
Da begab sich der HERR hinweg und besuchte eine
Volksversammlung, trat zu dem Redner und sprach:
„Ich bin der liebe Gott!“
„Sie irren!“ sagte Häußer, denn er war es. „Der liebe
Gott bin ich!“
Da ging der HERR hinweg zu einem Atheisten und
sprach: „Ich bin der liebe Gott!“
„Der liebe Gott? Gott ist eine Sache des Glaubens“,
sagte der Atheist. „Aber wer glaubt schon ernst-
lich daran!“
Da ging der HERR hinweg zu einem Philosophen,
der trachtete, die Welt zu verbessern, und sprach: „Ich
bin der liebe Gott!“
„So, Sie sind das!“ sagte der Philosoph und wies
zum Fenster hinaus: „Da brauchen Sie sich wirklich
nichts drauf einzubilden.“
Da ging der HERR hinweg und begab sich in ein
Amüsierlokal, da waren viele Mädchen, die kamen
ihm so bekannt vor, und ER wandte sich an einen
jungen Mann und fragte: „Wer sind diese?“
Und der junge Mann lachte: „Die, das sind lauter
gefallene Engel!“
„Dadrum!“ murmelte der HERR in seinen Bart
und verließ das Lokal.
Da ging der Höchste zum Allerhöchsten nach
Doorn und schickte seine Karte hinein: „Ich bin der
liebe Gott!“
Und es kam ein livrierter Diener heraus und über-
reichte dem lieben Gott ein
säuberlich gedrucktes For-
mular: „Solange meine Un-
tertanen meine gerechten
Forderungen nicht voll und
ganz befriedigt haben, kann
ich leider keine Almosen
mehr spenden! I. R.“
Da machte der liebe Gott,
daß er wieder in den Him-
mel kam.
Arnold Rcinstein
Zeichnung von Herbert Anger
„Ich möchte mein Geld abheben", erklärt die fünfzig-
jährige unverehelichte Eroica mit Gewittermiene.
„Sind Sie volljährig?", erkundigt sich liebenswürdig
Wunderlich.
„Ich laffe mein Geld stehen", flötet Eroica.
g e n d hat am 26. Mai (Him-
melfahrt) im Albert-Theater,
vormittags 10 Uhr,
eine Vollvorftellung: Flachs-
mann als Erzieher. Preis für
alle Plätze 60 Pfennig.
Glückliche Jugend, deren
Abend schon um 10 Uhr vor-
mittags beginnt!
*
Im „Fehmarnschen Tage-
blatt" vom 3. Mai inseriert ein
Landwirt:
Verkaufe festsitzende
Glucken und Ferkel
Schenk, Bisdorf.
Wenn die Ferkel zu brüten
anfangen, mögen nette Schwei-
nereien dabei herauskommen!