Karl Schnog: Schutzfrist
Manch braver Mann von Buch und Blatt,
viel schreibende Gesellschaftsstützen
bemühen sich, an Dichters Statt
sein Werk für fünfzig Jahr zu schützen.
Das heißt: Man schützt von Köln bis Prag
Poeten-Nachlaß für die Erben.
Berechtigt ist nur ein Verlag
aus Dichtershäuten Fell zu gerben.
Ha, wie der edle Eifer glüht
und der Empörung Flamme lodert.
Wie man sich um die Dichtkunst müht.
(Besonders, wenn der Dichter modert.)
Ich bitte, lieber Schutzverband,
durch Reden, Pläne, Namenslisten,
auch öfters einem anderen Stand,
die Schutzzeit länger zu befristen.
Innen-Architektur
Taubenschlag aus Pirna hat geerbt. Eine dicke Masse Geld.
Davon läßt er sich zunächst einmal eine Villa bauen. Mit
allem Komfort. Fix und fertig.
„Wie wünschen Herr Taubenschlag das Arbeitszimmer?"
erkundigt stch der Baumeister. — „Das überlaste ich Ihnen."
„Und die Wände? Viel
Fenster oder Bücherregale
oder eine schöne Tapete?"
„Fenster habe ich gehabt",
meint Taubenschlag, „eine
Tapete auch, versuchen
wir es einmal mit einem
Bücherregal. Aber die
Bücher müssen Sie auch
kaufen, Baumeister. Sie
wissen: Mit allem Kom-
fort, fix und fertig." Nach
einem halben Jahr steht
daS Haus. Taubenschlag
zieht ein. Sein Arbeits-
zimmer gefällt ihm be-
sonders. Zwei Wände voll
mit richtigen Büchern.
Oben und unten. Schöne
dicke Bücher. Mit schwar-
zem Lederrücken. Und viel
Gold darauf. Alle Welt
bewundert die Bibliothek.
Taubenschlag gilt als
Bibliophile. In seinem
Hause sammelt stch die
literarische Welt Pirnas.
Jeden Abend sitzt man bei
ihm und spricht über
Bücher. Nur er kann nicht
mitreden. Wenn er den
Mund aufmacht, feixt
alles. „Nu nee", sitzt er
eines Tages bedäppert in
der Bibliothek, „hätte ich
man bloß lieber eine
schöne Tapete genommen.
Die steht man und dahin-
ter ist nichts. Bei den
Büchern aber ist hinter
dem schönen Lederrücken
noch allerhand dummes
Zeug!" Z.H.R.
Vor dem Reichs-Hotel
Zeichnung von <S. Eiew
Herr Marx: „Frechheit von dem Wirth, zu fragen, ob wir
verheiratet sind!"
Manch braver Mann von Blatt und Buch
würd' bei der Frage arg betreten:
„Was halten Sie von dem Versuch
mit einer Schutzfrist für — Proleten?“
Das züchtige Ungarn
DaS Geburtsland des mit Recht so beliebten Baron Mikosch
Hat sich auf seine sittliche Mission besonnen. (Es gibt scheinbar
auch noch andere Länder, an deren Wesen die Welt genesen
soll.) Die Reinigung der Geister ist Hier von Grund auf vor-
genommen worden. Zuerst in Budapest, daS vor den Zeiten
seelischer Erneuerung
Klein-Paris genannt
wurde, womit wohl
hauptsächlich die Gegend
um Montmartre gemeint
war. Es soll künftig nicht
mehr daS weiße, sondern
daS tugendhafte Ungarn
heißen. In Budapest dür-
fen zunächst einmalFrauen
auf der Straße nicht mehr
von Männern angespro-
chen werden. Die schmucken
Uniformen der Honved-
Husaren und des Bun-
des der Erwachenden
Magyaren sprechen für
gewisse Dämchen eine be-
redte Sprache. Wozu also
noch Worte? Auch das
leiseste Himmeldonnerwet-
ter darf dem Gehege
ungarischer Zähne nicht
mehr ungesühnt entfliehen.
Es gibt von jetzt ab in
Ungarn nur noch einen
Fluch. Den der Lächerlich-
keit. Nackte Skulpturen
müssen aus der Dffentlich-
keit entfernt, Abbildungen
klastischer Statuen müssen
eingestampft werden. Aus
Gründen der StaatSrai-
fon. Und daS mit Recht.
Denn es gibt keinen him-
melschreienderen Gegensatz
als z. B.: Eine schlafende
Nymphe und ein Er-
wachender Magyar. Das
Einzigste, waS stch unver-
hüllt und nackt in Ungarn
zeigen darf, ist die monar-
chistische Gesinnung.
Karl Schnog.
Manch braver Mann von Buch und Blatt,
viel schreibende Gesellschaftsstützen
bemühen sich, an Dichters Statt
sein Werk für fünfzig Jahr zu schützen.
Das heißt: Man schützt von Köln bis Prag
Poeten-Nachlaß für die Erben.
Berechtigt ist nur ein Verlag
aus Dichtershäuten Fell zu gerben.
Ha, wie der edle Eifer glüht
und der Empörung Flamme lodert.
Wie man sich um die Dichtkunst müht.
(Besonders, wenn der Dichter modert.)
Ich bitte, lieber Schutzverband,
durch Reden, Pläne, Namenslisten,
auch öfters einem anderen Stand,
die Schutzzeit länger zu befristen.
Innen-Architektur
Taubenschlag aus Pirna hat geerbt. Eine dicke Masse Geld.
Davon läßt er sich zunächst einmal eine Villa bauen. Mit
allem Komfort. Fix und fertig.
„Wie wünschen Herr Taubenschlag das Arbeitszimmer?"
erkundigt stch der Baumeister. — „Das überlaste ich Ihnen."
„Und die Wände? Viel
Fenster oder Bücherregale
oder eine schöne Tapete?"
„Fenster habe ich gehabt",
meint Taubenschlag, „eine
Tapete auch, versuchen
wir es einmal mit einem
Bücherregal. Aber die
Bücher müssen Sie auch
kaufen, Baumeister. Sie
wissen: Mit allem Kom-
fort, fix und fertig." Nach
einem halben Jahr steht
daS Haus. Taubenschlag
zieht ein. Sein Arbeits-
zimmer gefällt ihm be-
sonders. Zwei Wände voll
mit richtigen Büchern.
Oben und unten. Schöne
dicke Bücher. Mit schwar-
zem Lederrücken. Und viel
Gold darauf. Alle Welt
bewundert die Bibliothek.
Taubenschlag gilt als
Bibliophile. In seinem
Hause sammelt stch die
literarische Welt Pirnas.
Jeden Abend sitzt man bei
ihm und spricht über
Bücher. Nur er kann nicht
mitreden. Wenn er den
Mund aufmacht, feixt
alles. „Nu nee", sitzt er
eines Tages bedäppert in
der Bibliothek, „hätte ich
man bloß lieber eine
schöne Tapete genommen.
Die steht man und dahin-
ter ist nichts. Bei den
Büchern aber ist hinter
dem schönen Lederrücken
noch allerhand dummes
Zeug!" Z.H.R.
Vor dem Reichs-Hotel
Zeichnung von <S. Eiew
Herr Marx: „Frechheit von dem Wirth, zu fragen, ob wir
verheiratet sind!"
Manch braver Mann von Blatt und Buch
würd' bei der Frage arg betreten:
„Was halten Sie von dem Versuch
mit einer Schutzfrist für — Proleten?“
Das züchtige Ungarn
DaS Geburtsland des mit Recht so beliebten Baron Mikosch
Hat sich auf seine sittliche Mission besonnen. (Es gibt scheinbar
auch noch andere Länder, an deren Wesen die Welt genesen
soll.) Die Reinigung der Geister ist Hier von Grund auf vor-
genommen worden. Zuerst in Budapest, daS vor den Zeiten
seelischer Erneuerung
Klein-Paris genannt
wurde, womit wohl
hauptsächlich die Gegend
um Montmartre gemeint
war. Es soll künftig nicht
mehr daS weiße, sondern
daS tugendhafte Ungarn
heißen. In Budapest dür-
fen zunächst einmalFrauen
auf der Straße nicht mehr
von Männern angespro-
chen werden. Die schmucken
Uniformen der Honved-
Husaren und des Bun-
des der Erwachenden
Magyaren sprechen für
gewisse Dämchen eine be-
redte Sprache. Wozu also
noch Worte? Auch das
leiseste Himmeldonnerwet-
ter darf dem Gehege
ungarischer Zähne nicht
mehr ungesühnt entfliehen.
Es gibt von jetzt ab in
Ungarn nur noch einen
Fluch. Den der Lächerlich-
keit. Nackte Skulpturen
müssen aus der Dffentlich-
keit entfernt, Abbildungen
klastischer Statuen müssen
eingestampft werden. Aus
Gründen der StaatSrai-
fon. Und daS mit Recht.
Denn es gibt keinen him-
melschreienderen Gegensatz
als z. B.: Eine schlafende
Nymphe und ein Er-
wachender Magyar. Das
Einzigste, waS stch unver-
hüllt und nackt in Ungarn
zeigen darf, ist die monar-
chistische Gesinnung.
Karl Schnog.