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American drink Stahlhelm

Zeichnungen von Zakobus Belsen

und Trara gestartet.

Auch ein Trupp uniformierter Embryos aus Köln findet
sich ein, Kokarden an den feldgrauen Schirmmützen, Achsel-
klappen auf den Windjacken, Manchesterhosen und den Mund voll
Patriotismus. In einer der Wirtschaften lasten sich die Grün-
Hörner nieder, spielen die gewiegten Großstädter und schmeißen
mit schneidigen Gebärden und Schnoddrigkeiten nur so um sich.

Besonders unangenehm fällt der Häuptling der Truppe
auf, der mittels einer Reihe klimpernder Medaillen die Stelle
andeutet, worunter das patentiert teutsche Herze vorschrifts-
mäßig trommelt. Er sitzt mit seinem Adjutanten speisend an
einem Sondertisch und durchknarrt mit greller Fistelstimme
kommandierend das friedliche Gastzimmer, wenn er nicht gerade
schmatzt oder rülpst.

Nach beendeter Mahlzeit ruft er das Servierfräulein heran
und knarrt: „Hörnfe ma, Sie, hamfe nu for uns zwo beide
noch wat Exquisites, wat janz Ausjefallneö zum Destert?"

„O ja", sagt das Fräulein schlichten Gemütes, „darf es viel-
leicht 'n Kognak fein?"

„Nee, Frollein, wat janz AuSjefallneS Hab' ich jesagt -
Kutschawaffa valötn wa alle Taje — wat janz UnjewöhnlicheS
muß et sind? — — Ich meine, 'n forschen Ginfizz oder 'n
strammen Cobbler — or have you another ameriean drinkö?"

Vor dem unverständlichen Geseires zuckt das Servierfräulein
hilflos die Schultern und sucht mit den Blicken Zuflucht beim
Wirt, der sich aus dem Hinterhalt der Theke hervorzwängt und
an den Häuptlingstisch herantritt. „Wat soll et nu sin, minge
Häre?"

„Have you ameriean drinkö, old boy?" knattert der Häupt-
ling hin, sichtlich stolz auf seine Sprachkenntniffe.

„Pes, we have!" pariert zur Verwunderung des Gastes der
Wirt und entschwindet rasch in die Küche.

Nach einer Minute kehrt er wieder zurück und mit den
Worten: „Here, my darling, ameriean drink for you!" fetzt
er zum Gaudium der umsitzenden Einheimischen dem nun völlig
zusammensackenden Häuptling eine — mit allen Errungen-
schaften moderner Kleinkinderpflege ausgestattete milch-
gefüllte Saugflasche vor.

Aberglauben

Die weitverbreitete Religion der Müßiggänger ist der
Aberglaube. Wer von den wirklich Schaffenden hätte auch
Zeit, sich die ausgeklügelten Spitzfindigkeiten zu merken, die
gelangweilte Hirne sich ausgedacht und vererbt haben?

Der Wilde im australischen Busch und das verwöhnte
Luxusweibchen des Börsenjobbers reichen sich die Hand, wo das
Gebiet des Aberglaubens beginnt.

Für Proleten sind die Sprüchlein unwirksam, wie ein
paar Zitate und ihre Nutzanwendung zeigen mögen:

„Wenn dir ein Leichenwagen begegnet, mußt du, um
künftig immer Gelb zu haben, auf deine Brieftasche
klopfen."

Welcher Arbeiter hat eine?

„Wenn dir des morgens als erste Person ein altes Weib
begegnet, mußt du umkehren!"

Habt ihr nicht jeden Morgen die gleiche Begegnung
mit immer dem gleichen alten Weibe, der — Not?

„Während eines Gewitters darfst du nicht effen!"

Manche brauchen zu dieser Übung gottgewollter Ent-
haltsamkeit gar nicht auf ein Gewitter zu warten.
Z. B.: Die Arbeitslosen.

„Spinne am Morgen — Kummer und Sorgen,
Spinne am Mittag — Glück am dritten Tag,

Spinne am Abend — erquickend und labend."

In Mietskasernen weben die Spinnen von morgens
bis Mitternacht.

„Perlen bedeuten Tränen."

Wobei an die Perlen der Frau Generaldirektor und
die Tränen der Heimarbeiterinnen gedacht ist.

„Stroh macht froh."

Sind damit auch die Matratzen im Obdachlosenasyl
gemeint? Kar! Schnog.
 
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