Abnormitäten
In uns allen schlummert der Hang
zum Primitiven. Wenn wir ehrlich
sind, müssen wir gestehen, daß unser
erwachendes Kunstinteresse in der
Jugend weniger den Klassikern, als
den Sehenswürdigkeiten und Abnormi-
täten galt.
Das Panoptikum und das „Wissen-
schaftliche Kabinett" sind säst ganz
auSgestorben. Die seltsamen Gebilde
retteten sich in Varietö, ZirkuS und —
Politik.
Einige der originellstell Mißgeburten
seien dem Beschauer hierdurch empfoh-
len. Gern gezeigt wurde früher das
„Kalb mit zwei Kopsen". Die Lebens-
dauer der heraldisch gestalteten Tiere
war nur kurz und der auSgestopste
Kadaver von geringem Interesse.
Interessenten sei der noch lebende Er-
saß warm anS Herz gelegt. Es ist der
nationale Wähler mit seinem unsterb-
lichen Haß gegen den Erbseind einer-
seits und dem ehrlichen Wunsch, mit
dem Nachbarn friedlichen Handel zu
treiben, aus der anderen Seite. Dies
Stimmvieh ist ein Prachtkalb mit zwei
Kopsen.
Die „Dame ohne Unterleib" ist der
Vergessenheit oder dem Gelächter an-
heimgesallen. Man hielt die Dorfüh-
rung sür Spiegelsechterei. — Die öde
Zeit der Ausklärung ist nun vorüber,
und wir weniger skeptischen Gegen-
zeichnung von Max Graeser
Der Personenzug passiert das Muldengebiet und
muß der Hochwaffergefahr wegen langsameres
Tempo fahren. Überall erheblich Verspätungen.
An einem Orte muß sogar Umsteigeverkehr ein-
tretcn. Die Einwohner, die in der letzte» Zeit
schon das dritte Mal unter Wafferschaden zu
leiden hatten, sind sehr niedergeschlagen. „S'ift
wieder alles da, was zum Hochwasser gehört",
sagt ein als Gepäckträger fungierender Häusler:
„Vieh schwiinmt weg, die Saat ist futsch, und
am Ufer stehen zwo Geheimräte, die ihr Gut-
achten abgeben."
Wartsmenschen haben wieder Freude
am Unerklärlichen und Seltsamen. —
Wer heute noch ein Monstrum sucht,
das bei einigermaßen normaler Bildung
des Oberkörpers verblüffend den An-
schein zu erwecken weiß, als sei es der
unteren Extremitäten beraubt, der be-
trachte eine Dame aus dem Jung-
frauenverein und er gewahrt den besten
®rfa^ f“r Dame ohne Unterleib".
Der „Schlangenmensch" oder „Kaut-
schukmann" ist der artistische Vertreter
eines seit Jahrhunderten ausgebildeten
Körpertrainings. Sein öffentliches Auf-
treten ist auch seltener geworden. —
Dafür zeigt der Diplomat seine un-
erhört entwickelte Fähigkeit, sich zu
winden und zu verrenken, ohne das Ge-
nick dabei zu brechen. Er wendet den
Kopf, verdreht das Gesäß, biegt den
Rücken in bisher unerreichter Sollen-
dung und kann deshalb als idealer
Schlangenmensch angesprochen werden.
Als neueste Sensation gilt der in
Berliner Varietes arbeitende GaS-
schlucker „Omikron". 20 Liter Acetilen-
gaS verleibt der Artist seinem Magen
ein, um vor aller Augen wenige Minu-
ten später Kocher, Kronen und Plätt-
eisen mit dem nötigen Brennstoff
zu speisen. — Es ist gar keine so große
Kunst, seine inneren Organe so zu
trainieren, daß ste die fremdartigsten
Stoffe widerstandslos aufnehmen. —
Wir haben in den letzten Tagen größere
Phänomene beobachten können, haben
„Je sc hä ft i;
Im Anfang war die Konjunktur . . .
Sie strömte rot durch Krämerflur
mit Sichel und mit Hammer.
Old England grinste: „Komm’ Se rein!"
(Jeschäft — Jeschäft!) und ließ sie ein
in Englands Schleusenkammer.
Der Weizen blühte wie noch nie!
Die Warenbörse stieg — und wie!
Profit ritt Galoppaden!
Doch auf die Hausse folgt stets die Baisse . . .
Jeschäft — Jeschäft! Da warf man kess
die „Sichel" aus dem Laden!
Very well —I
' Jeschäff!"
Durch „Ein- und Abbruch“ kommt in Lot
Prozent, Nachfrage, Angebot.
(Jeschäft kennt nicht Blamage!)
Schon mauschelt man: Wir sind bereit!
Doch kostet das ne Kleinigkeit!
(Was zahlen Se Courtage-?)
Noch ein Momang und — was heißt Stolz?! —
umarmt man grinsend Rosengolz
wie einst zu neuen Haussen!
Na, Gott sei Dank, Graf Westarp, wie?
bei uns wär’ so 'ne Parodie
doch völlig ausgeschlossen —???
Very nice —! Josef Maria Frank.
Der Graf
Zeichnung von 6. Giew
„Das Vaterland kann nur gerettet
werden durch die Liebe zu dem an-
gestammten Herrscherhaus und durch
die Treue für die Republik!"
einen aufrechten treumonarchistischen
Mann gesehen, der ohne die mindeste
Anstrengung die widerwärtigsten Re-
publikschutzgesetze vor aller Augen
schluckte! Unser „Omikron" heißt Graf
Westarp!
★
L T-Zeitungsschau
Im „Hamb. Fremdenblatt" fand stch
die folgende Anzeige:
Wo kann besseres, vollkommen
Unschuld., gesundes lgjähriges Mäd-
chen in der Nähe Hamburgs ihre
Niederkunft erwarten? Ausführliche
Angaben mit Preis u. G. 18784
Frdbl.
Das wird den gesamten Katholizis-
mus aufs höchste interessieren!
Zum Fall Wirth
Zeichnung von Herm. Witte
„Hebe dich weg von mir" antwortete einst
jemand dem Versucher, und was antwortete
Herr Marx??!!
In uns allen schlummert der Hang
zum Primitiven. Wenn wir ehrlich
sind, müssen wir gestehen, daß unser
erwachendes Kunstinteresse in der
Jugend weniger den Klassikern, als
den Sehenswürdigkeiten und Abnormi-
täten galt.
Das Panoptikum und das „Wissen-
schaftliche Kabinett" sind säst ganz
auSgestorben. Die seltsamen Gebilde
retteten sich in Varietö, ZirkuS und —
Politik.
Einige der originellstell Mißgeburten
seien dem Beschauer hierdurch empfoh-
len. Gern gezeigt wurde früher das
„Kalb mit zwei Kopsen". Die Lebens-
dauer der heraldisch gestalteten Tiere
war nur kurz und der auSgestopste
Kadaver von geringem Interesse.
Interessenten sei der noch lebende Er-
saß warm anS Herz gelegt. Es ist der
nationale Wähler mit seinem unsterb-
lichen Haß gegen den Erbseind einer-
seits und dem ehrlichen Wunsch, mit
dem Nachbarn friedlichen Handel zu
treiben, aus der anderen Seite. Dies
Stimmvieh ist ein Prachtkalb mit zwei
Kopsen.
Die „Dame ohne Unterleib" ist der
Vergessenheit oder dem Gelächter an-
heimgesallen. Man hielt die Dorfüh-
rung sür Spiegelsechterei. — Die öde
Zeit der Ausklärung ist nun vorüber,
und wir weniger skeptischen Gegen-
zeichnung von Max Graeser
Der Personenzug passiert das Muldengebiet und
muß der Hochwaffergefahr wegen langsameres
Tempo fahren. Überall erheblich Verspätungen.
An einem Orte muß sogar Umsteigeverkehr ein-
tretcn. Die Einwohner, die in der letzte» Zeit
schon das dritte Mal unter Wafferschaden zu
leiden hatten, sind sehr niedergeschlagen. „S'ift
wieder alles da, was zum Hochwasser gehört",
sagt ein als Gepäckträger fungierender Häusler:
„Vieh schwiinmt weg, die Saat ist futsch, und
am Ufer stehen zwo Geheimräte, die ihr Gut-
achten abgeben."
Wartsmenschen haben wieder Freude
am Unerklärlichen und Seltsamen. —
Wer heute noch ein Monstrum sucht,
das bei einigermaßen normaler Bildung
des Oberkörpers verblüffend den An-
schein zu erwecken weiß, als sei es der
unteren Extremitäten beraubt, der be-
trachte eine Dame aus dem Jung-
frauenverein und er gewahrt den besten
®rfa^ f“r Dame ohne Unterleib".
Der „Schlangenmensch" oder „Kaut-
schukmann" ist der artistische Vertreter
eines seit Jahrhunderten ausgebildeten
Körpertrainings. Sein öffentliches Auf-
treten ist auch seltener geworden. —
Dafür zeigt der Diplomat seine un-
erhört entwickelte Fähigkeit, sich zu
winden und zu verrenken, ohne das Ge-
nick dabei zu brechen. Er wendet den
Kopf, verdreht das Gesäß, biegt den
Rücken in bisher unerreichter Sollen-
dung und kann deshalb als idealer
Schlangenmensch angesprochen werden.
Als neueste Sensation gilt der in
Berliner Varietes arbeitende GaS-
schlucker „Omikron". 20 Liter Acetilen-
gaS verleibt der Artist seinem Magen
ein, um vor aller Augen wenige Minu-
ten später Kocher, Kronen und Plätt-
eisen mit dem nötigen Brennstoff
zu speisen. — Es ist gar keine so große
Kunst, seine inneren Organe so zu
trainieren, daß ste die fremdartigsten
Stoffe widerstandslos aufnehmen. —
Wir haben in den letzten Tagen größere
Phänomene beobachten können, haben
„Je sc hä ft i;
Im Anfang war die Konjunktur . . .
Sie strömte rot durch Krämerflur
mit Sichel und mit Hammer.
Old England grinste: „Komm’ Se rein!"
(Jeschäft — Jeschäft!) und ließ sie ein
in Englands Schleusenkammer.
Der Weizen blühte wie noch nie!
Die Warenbörse stieg — und wie!
Profit ritt Galoppaden!
Doch auf die Hausse folgt stets die Baisse . . .
Jeschäft — Jeschäft! Da warf man kess
die „Sichel" aus dem Laden!
Very well —I
' Jeschäff!"
Durch „Ein- und Abbruch“ kommt in Lot
Prozent, Nachfrage, Angebot.
(Jeschäft kennt nicht Blamage!)
Schon mauschelt man: Wir sind bereit!
Doch kostet das ne Kleinigkeit!
(Was zahlen Se Courtage-?)
Noch ein Momang und — was heißt Stolz?! —
umarmt man grinsend Rosengolz
wie einst zu neuen Haussen!
Na, Gott sei Dank, Graf Westarp, wie?
bei uns wär’ so 'ne Parodie
doch völlig ausgeschlossen —???
Very nice —! Josef Maria Frank.
Der Graf
Zeichnung von 6. Giew
„Das Vaterland kann nur gerettet
werden durch die Liebe zu dem an-
gestammten Herrscherhaus und durch
die Treue für die Republik!"
einen aufrechten treumonarchistischen
Mann gesehen, der ohne die mindeste
Anstrengung die widerwärtigsten Re-
publikschutzgesetze vor aller Augen
schluckte! Unser „Omikron" heißt Graf
Westarp!
★
L T-Zeitungsschau
Im „Hamb. Fremdenblatt" fand stch
die folgende Anzeige:
Wo kann besseres, vollkommen
Unschuld., gesundes lgjähriges Mäd-
chen in der Nähe Hamburgs ihre
Niederkunft erwarten? Ausführliche
Angaben mit Preis u. G. 18784
Frdbl.
Das wird den gesamten Katholizis-
mus aufs höchste interessieren!
Zum Fall Wirth
Zeichnung von Herm. Witte
„Hebe dich weg von mir" antwortete einst
jemand dem Versucher, und was antwortete
Herr Marx??!!