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Lampe, Peter
Ad ecclesiae unitatem: eine exegetisch-theologische und sozialpsychologische Paulusstudie — 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48669#0259

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zu einem Freund seines Herrn, in diesem Fall zu Paulus. Paulus
soll bei Philemon, der dem Apostel freundschaftlich verbunden
ist (17), ein gutes Wort für den Übeltäter einlegen _und die
Zorneswogen glätten. Dieser bei Sklaven übliche und in den ir
Rechtstexten belegte Weg ist geschickt: Vor das Objekt der
Aggression, hier den Übeltäter Onesimus, soll sich jemand
stellen, zu dem das Subjekt der Aggression emotionale Bande
hegt: ein Freund des Herrn. Der ursprünglichen Aggression wird
durch diese Konstellation von vornherein eine Beschränkung
auferlegt. Alle Sklaven, die diesen Weg der Konfliktlösung
beschreiten, sind keine flüchtigen Sklaven, wie die bisherige
Phlm-Exegese annahm, sondern sie begeben sich zu dem genannten
Vermittler mit dem Ziel, zu Hause friedlichere Verhältnisse
wiederherzustellen, also nach Hause zurückzukehren.
1. Einer der Rechtstexte stammt aus der Feder des Juristen
Proculus (geb. zwischen 20 v.Chr. und 10 n.Chr., gest.
zwischen 50 und 70 n.Chr.): Derjenige Sklave "ist gewisslich
kein fugitivus, der, weil er merkt, dass der Herr ihn schlagen
will, sich unversehens zu einem Freund begibt, den er zur
Fürsprache bewegt" (Dig.21,1,17,4). Die von Proculus
geschilderte Situation passt zu der von Phlm vorausgesetzten.
Dass Onesimus sich etwas im Hause des Philemon zuschulden hat
kommen lassen, geht aus Phlm 18f. 11 hervor.
Das Besprechen in einem Rechtstext zeigt, dass der Fall
häufiger vorkam: Ein Sklave verging sich in irgendeiner Weise,
furchtet den Zornesausbruch des Herrn und eilt zu einem
Vermittler, der ein gutes Wort für ihn einlegen soll.
Onesimus’ Gang zu Paulus ist nichts "Erstaunliches", wie die
Ausleger sich wundern,3 sondern wird ebenso von anderen
Sklaven in derselben Situation praktiziert. Auch die unten
zu nennenden Rechtstexte belegen dies; ebenso Plinius ep.
9,21.24: Ein libertus des Sabinianus hat durch ein Delikt
("error", "deliquisse") seinen Patron erzürnt und ist zu einem
Freund desselben, zu Plinius, gelaufen, um diesen reumütig zu
bitten, bei Sabinianus ein gutes Wort einzulegen. Mit Erfolg,
wie sich herausstellt.
Es konnte eingewendet werden, Proculus’ Urteil, "fugitivum
non esse", sei eine Aussenseiterstimme in der
Rechtslandschaft. Durchaus nicht. Der Jurist Proculus leitet
seit 33 n.Chr. die Rechtsschule, die vor ihm Labeo und der
ältere Nerva führten. Proculus gibt der Schule den Namen
 
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