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IPrtns Carneval In

der Ikücbenreöfon

s ist Sonntag-Nachmittag. Bei Zunkes ist Kaffeegesell-
schaft. Zunke ist Schuh—macher und Portier dazu in einem grossen
Miethshause vor dem Halleschen Thore. Die Dienstboten des
Hauses, welche gerade ihren Ausgeh-Sonntag haben, sind bei ihm
zu einem gemüthlichen Klatsch zusammengekommen. Mitten in

den Berathungen über-die weiteren Genüsse des Abends schlägt
die Minna von Doktors, eine Treppe, vor, in corpore auf den
Maskenball zu gehen. Die Idee wird mit Beifall aufgenommen.
„Ick jehe als ,Königin in der
Nacht1,“ erklärte Hulda von Schulzens
parterre.
„Jlooben Sie denn, det Königinnen
in der Nacht anders aussehen als gewöhn-
liche Sterbliche?“ fragte Gustav, der Haus-
diener des Kaufmanns an der Ecke.
„Fui, Justav,“ ruft Hulda entrüstet,
„Sie haben aber ooch immer jleich Neben-
jedanken. Ick meine ja so Eene mit Mond
un Sterne uff’n Kopp.“
„Achso, die .Königin der Nacht1
meinen Sie! Na, denn man zu. Wat mir
betrifft, ick jehe als Dong Carloh.'1
„Kommt der nich immer mit’n Ferd
uff die Bühne?“
„Nee, Zunke, wat Sie mecnen, det
is ja der Aktienbudiker. Aber als was jehen Sie denn?“
Zunke kratzte sich den Kopf. „Wat meinste, Marie?“ wandte
er sich an seine Frau.
Die Zunken schwankte nicht lange. „Du jehst als Phantasie-
maske und ick als Spanierin mit’n Dollich.“
„Mit’n Dollich? Wo willste denn den herkriejen? Wo sollen
wir denn überhaupt unsre Kostüme herkriejen? Die Maskenjarderobe
is so theuer.“


„Wir brauchen ooch jar keene Maskenjardenobe nich, wir
machen uns allens alleene. AlsDollich nehm’ ickFritzen seinen Säbel.“
Fritz war der Bursche des Hauptmanns aus dem zweiten
Stock. Er als tapferer Soldat sollte auf dem Maskenball als Ritter
erscheinen und er war ganz einverstanden damit, obschon sein
polnisch-deutsches Hirn offenbar nicht genau wusste, was ein
Ritter war.


Am schnellsten war Frau Zunke fertig. Ein schwarzer
Unterrock mit rother Borte, ein Spitzenschleier um den Kopf und
Fritzens Säbel im Gürtel — so sahen nach ihrer Meinung alle
echten Spanierinnen aus.
Beinahe ebenso schnell half sich Gustav mit seinem Dong
Carloh. Da er kein spanisches Wams hatte, sagte er: „Der Dong
Carloh hat 5 Akte. Ick wähle det Costüm aus dem 5. Akt, die
Cistercienser-Kutte.“
„Mensch,“ rief Zunke, „woher wollen Sie denn aber die
nehmen?“
„Janz einfach, Zunke, ick nehme den Bademantel von meiner
Madam. Dass er rothe Streifen hat, schadt nischt, denn jehöre ick
eben eenem andern Mönchsorden an.
Schwieriger
gestaltete sich die
Sache mit Fritzens
Ritter. Aber auch
hier fand sich Rath.
Ein paar lange
Strümpfe von Frau
Zunke, Gummizug-
stiefel, einen Schlapp-
hut mit Straussen
federn, einen kurzen
faltigen Rock und
eine pappene Rüs-
tung; „Götz von Ber-
lichingen, wie er leibt
und lebt,“ rief der

gebildete Gustav entzückt aus. Bald darauf trat auch Hulda als
Königin in der Nacht ein.. Sie hatte ihr* schwarzes Kaschmirkleid
mit der ausgeschnittenen Taille an. Leider wusste sie nicht, woher
sie den Mond und die Sterne nehmen sollte und fragte, ob es nicht
ohne dieselben ginge.
„Keineswegs!“ rief Gustav, „den Mond will ich Ihnen schon
verschaffen,holde Hulda.“ Mit diesen Worten nahm er das Pendel vom
Regulator und steckte es ihr in die Hand, am Stiel zu tragen.
Zunke als Phantasiemaske war auch schon fertig. Er trug ein
Jägernormalhemd, ein paar spitzenbesetzte kurze Hosen an seinen
leider krummen Beinen, ein Cape seiner Frau als spanischen
Mantel und Fritzens Helm.
Und sie besahen ihr Werk und fanden, dass es gut war.
Aber siehe, da kam die Anstifterin des Ganzen, die Minna von
Doktors, stellte sich vor sie hin und sprach: „Nun rathen Sie mal,
meine Herrschaften, was ich bin? Ich bin Prinz Carneval!“ Minna
trug einfach ihres Herrn guten Anzug, in den sie hineinpasste,
soweit es ihre Korpulenz zuliess.
„Na, ’Minneken “ schrie Gustav, „denn wer' ick Ihnen auch
sagen, wer wir sind: der Dong Carloh bin ick, Hulda is Luna, Frau
Zunke is Garmen Silva aus Sevilla, Fritz is Götz von Berlichingen
und Zunke — Zunke, Minna, nehmen Se ’n Hut ab — Zunke is
die Phantasie. Un nu allong! Es lebe Prinz Carneval! k. t.

LUSTIGE BLÄTTER.

No, 9.
 
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