Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein gan

zes Jaht* in zehn JVIinaten
oder: Schnell rechts drehen!


Kieselack (frisch aus der Provinz angelangt):
Da war’ ich wieder! jetzt man aber schnell
Zum Neu’sten hin, schnell wie ’ne Antilope!
An jeder Ecke steht jetzt so’n Gestell,
Das nennt sich „allerneu’ste Mutoskope“;
Bios einen Nickel kostet dieser Spass,
Na, dafür kann man sich es schon besehen,
Den werf’ ich rein; aha, da steht noch was;
Gebrauchsanweisung': schnell nach rechts zu drehen!
(Er sieht sich der Reihe nach zehn Mutoskope an )
Schon eine Reichsmark futsch! und ausserdem
Ermüdet dieses Drehen ganz gewaltig.
Die Fee Mutoskopia (hinter einem Apparat
,-iuftauchend):
Dir ausnahmsweise mach’ ich es bequem.
Dir zeig’ ich gratis Bilder, vielgestaltig
Das ganze Jahr und mehr soll als Revue
Im Apparat an Dir vorübergleiten,
Blick’ nur hinein, das macht Dir keine Müh’,
Ich, Mutoskopia, will Dir die Bilder deuten.
Kieselack: Das Geschäft ist richtig! Also hier
Numero eins, was stellt das eigentlich vor?
Mutoskopia: Dies sind die neuesten Pläne zur
Verschönerung der Reichshauptstadt; das Ganze soll
eine würdige Ergänzung zur Hochbahn werden,
Kieselack: Offen gesagt, würde ich das eher

Revue in vielen Bildern
von A. Moszkowski mit Zeichnungen von E. Edel
war es bisher oft unmöglich, von einer Seite der
Strasse auf die andere zu gelangen. Jetzt überbrücken
wir das Ganze und kommen
ohne Aufenthalt über die
ärgste Wagenverstopfung.
Kieselack: Also die
verbesserte Brückenstrasse!
Wenn Du aber denkst, dass
das schön aussieht, bist Du
auf dem Holzwege.
Mutoskopia:Von Holz-
weg ist hier gar keine Rede,
alles Eisenkonstruktion; und
schön braucht’s auch gar
nicht auszusehen, denn Berlin
ist bekanntlich dermassen die
schönste Stadt der Welt, dass
man es künstlich verhäss-
lichen muss, sonst wird die
Stadt zu eitel
Kieselack: Herrjeh! da
kommt aber ein merk-
würdiges Fuhrwerk an-
karriolt, das wird da gar
nicht durch können!
Mutoskopia: Es hat
Schwereres passirt, als die
Leipziger Strasse, nämlich die
Polizeicensur: dieses Fuhr-
werk stellt die grossen
Theatererfolge der letzten
Zeit vo<f. Auf dem Bock sitze
der Fuhrmann Henschel, drin
Johannes, Cyrano, Zaza,
Philippi’s Erbe und der Star,
und wie Du siehst, das weisse
Rössl zieht noch immer,
Kiese lack: Das ist mir
ein Räthsel, sozusagen ein
RÖssl-Sprung! — Da hinten
will ja aber noch einer mit
auf hucken, — wenn er nur
nicht ganz abfällt!
Mutoskopia^ Das ist
Max Halbe, der mit einer Tragödie den grössten
Heiterkeitserfolg der Saison erzielt hat. Das Publikum
jubelte Dach jedem
Akte stürmisch den
Vorhang herunter.
Kiese lack: Rrrr
— ein ander Bild! Ah
so, — etwas türkisches!
Mutoskop i a:
Nein, etwas urdeut

gemäss auf’s Parlament erstreckt. Hier siehst Du
also Stumm-Pascha, den Scheich Ballestrem-Mufti,



Bebel Ben Bebel, Singer Effendi und auch Richter
betheiligt sich an diesem „Diwan“, nur dass er sich
hier stilgemäss „Eugen Kadi“ nennt.
Kieselack: Das wundert mich nicht: in einem
deutschen Parlament erlebt eben Jeder einmal seinen
Tag von Damaskus; und schliesslich ist es immer
noch besser, die Leute sitzen mit untergeschlagenen

O«MtifrtM.

*fr'e hltr

Lei K, CUl/StVv

für so ’ne Art Venedig gehalten haben; so weit dag
Auge blickt, nichts wie Rialto-Brücken!
Mutoskopia: Es ist aber die Leipziger
Strasse. Bei den fortwährenden Verkehrsstockungen


eine Com-
missionssitzung im
Reichstag; aber Du
47/1/ weisst doch, dass
Orientalisch jetzt Trumpf ist und dass die Kultur
des Morgenlandes, die alle Welt beleckt, sich dem-

Beinen da, als mit untergeschlagenen Geldern, wie
in der französischen Kammer,
Mutoskopia: Da wir einmal beim Import
islamitischer Sitten sind, zeige ich Dir auch die
„tanzenden Derwische“ der neuen Aera; diese
Fanatiker drehen sich so lange auf eine Stelle, bis
sie besinnungslos Umfallen.

No. 1

LUSTIGE BLÄTTER.

No. 1.
 
Annotationen