Was ist Secession ?
Frau Bied erm ann : Weisst Du, Rudolf,
es wird jetzt so viel Wesen gemacht von der
Frage: haben die Secessionisten Recht oder
die Andern. Komm, gehen wir mal hinein
in den Kunstsalon, wir müssen uns doch
auch ein Urtheil bilden, so gut wie Andre.
Herr Biedermann: Ja, Du hast Recht,
und wo man jetzt täglich so viel in der
Zeitung liest von „Stil“, „Farbengebung“,
„Naturstudien“, „ehrlicher und unehrlicher
Kunst“, „Experimenten“ u. s. w., so möcht’
ich mir mal ansehen, ob ich diese Sachen
alle auch herausfinde. Denn es ist wahr,
der Mensch, der heutzutage nicht von Kunst
reden kann, kann überhaupt nicht mit-
reden.
(Sie treten in einen Kunstsalon.)
Frau Biedermann: Du, sieh mal, da
hat Einer eine Stallecke gemalt, Wasser-
eimer, Pferdegeschirr und einen Besen.
Was soll das nun vorstellen?
Herr Biedermann: Siehst Du, dieses
Bild hat „Stil“, das hab’ ich gleich erkannt.
Frau Biedermann: Was denn für
einen Stil?
Herr Biedermann : Einen Besenstil.
Und da ist eins von den Bildern, bei denen
man immer von „Experimenten“ spricht.
Frau Biedermann: Welches?
Herr Biedermann: Da, der alte
Chemie - Professor in seinem Laboratorium.
Frau Biedermann: Wahrhaftig! Und
was bedeutet der Jüngling im Grase?
Herr Biedermann: Der? Der macht
„Naturstudien“. Und weisst Du, was das
Strassenbild mit dem Drogerieladen da be-
deutet? „Farbengebung“.
Frau Biedermann: Na also, das ist
ja gar nicht schwer. Jetzt find’ ich mich
auch allein zurecht. Z. B. der Taschendieb
da, das ist „unehrliche Kunst“, und der alte
Seemann ist „ehrliche Kunst“.
Herr Biedermann : Sehr richtig.
Frau Biedermann: Und was ist nun
„Secession“ ?
Herr Biedermann: Warte mal einen
Augenblick. (ZumSaaldiener.) Sie entschuldigen,
ist das alles hier in dieser Ausstellung Se-
cession.
Saaldiener: Jawohl, mein Herr.
Herr Biedermann (zu seiner Frau): Also
das ist Secession. Nu wissen wir’s.
Frau Biedermann: Und da heisst es
immer, das Publikum versteht nichts von
Kunst! k. t.
j Die schwerhörige Mutter.
„Mein Fräulein, ich liebe Sie!“
„„Bitte schreien Sie mit Mama!“
Berliner Kind.
Die kleine Agnes liest in der Garten-
laube, die sie auf Mama’s Tischchen gefunden
hat. „Pfui, Mama, wie unanständig!“ ruft
sie plötzlich aus. „HöP nur, was hier in dem
Roman steht: ,Der Baron führte die barm-
herzige Schwester in den Wintergarten/
Findest Du das nicht empörend von dem
Baron?“
prühling im Winter.
hinterm T^aselstrauch am Wege
TJebt sich j\bends stets ein Raunen,
Wenn Jvlarie yorübergeht,
Qnd sie hört es ohne Staunen.
Von der Jank dort hinterm Strauche
Weiss sie schon seit vielen Jahren,
freilich, was dort yor sich geht,
fat sie selber nie erfahren.
j\ls sie jung war, ach, da dachte
Sie wohl manchmal auch ans Vossen,
)\ber immer blieb’s beim Wunsch,
Stets von Jeu' sprach das Gewissen,
Stets von Arbeit sprach die /Ylutter,
Qnd der Pfarrer sprach Yon Cugend,
JVber keine Seele sprach
Von der Xiebe und der Jugend.
Qnd so ist sie alt geworden,
fremd in jedem Xiebesbrauche,
Weiss nicht, was da vor sich geht
)\bends hinterm paselstrauche.
poch sie wundert sich nicht weiter
pei den wunderlichen Rängen,
pas gehört schon mal dazu
So zu ihren )\bendgängen.
fort sie’s doch bei Wind und Wetter
Jeden JAbend all die Jährchen;
Selbst im Winter, wenn es friert,
Giebt es dort ein Xiebespärchen-
Würde je einmal das pänkchen
Xeer sein von verliebten Seelen,
Pann — dann würd’ zum ersten jvtal
Per Mar'e die Xiebe fehlen! k. t.
6
LUSTIGE BLÄTTER.
No 5