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Gin nettes Spiel.



Ueberall in den Familienblättern grassirt jetzt dieses Zu-
sammensetzspiel, wo menschliche Gliedmassen wahllos durch-
einander aufgezeichnet sind, die man ausschneiden und
zusammensetzen muss. Es ergiebt sich dann eine Schaar antiker
Gottheiten oder bekannter Märchengestalten oder verschiedener
Volkstypen.
Als dieses Spiel zum ersten Mal in unserer Zeitschrift auf-
tauchte, waren meine
Frau und Kinder
gleich Feuer und
Flamme. Und, warum
soll ich es leugnen,
ich auch. Es war sehr
interessant. Gegeben
waren Köpfe, Stiefel,
Schwerter, Falten-
würfe, Aermel und
Taillen, verlangt
waren Gestalten aus
Shakespeare’schen
Dramen.
Nichts leichter als
das, so schien es. Da
war ein Arm, dessen
Hand einen Schädel
trug. DaswarHamlets
Arm, natürlich. Da
war ein Mädchenkopf
mit einem Kranz, das
war Ophelias Kopf.
Da war ein Schmeer-
bauch, das war Fal-
staffs Bauch.
Dann begannen
die Schwierigkeiten.
Es gab da eine An-
zahl herren- und
damenloser Köpfe,
die man nicht defi-
niren konnte. Andrer-
seits eine Menge
Rümpfe, auf die kein
Kopf passte. Und wer
kennt alle Shake-
speare’schen Figu-
ren? Wirbeschlossen,
uns zunächst an die
bekannten zu halten.
Aber da waren wieder
Schwierigkeiten.
Hamlet hatte keinen
Kopf, für Falstaff
fanden sich ein Dut-
zend Beine an, unter
denen die richtigen
nicht herauszufinden
waren, und Ophelia
blieb die Dame ohne
Unterleib.
Es entstand ein
fieberhaftes Suchen.
Endlich brachte
meine FraueinStück-
chen zu Tage, das
siefürOpheiiasBrust- £>ie fünfte Garnitur.
korb hielt, während
ich der Meinung war,
es sei Shylocks Geld-
tasche.
Wir stritten erst eifrig, dann heftig. Sie rief: „Beweise mal,
dass es so ist, wie Du sagst!“ Dazu brauchte ich natürlich den
übrigen Shylock. Rasch wählte ich einen Kopf, ein paar Beine
und Arme und in die Mitte setzte ich die Geldtasche.
Unglücklicherweise hatten die Beine Stulpenstiefel an und der

,Det soll nu ne Garde-Robe für eenen Gardisten sin!“

Kopf war mit einer Bischofsmütze bedeckt. Ein andrer war nicht
mehr da.
Meine Frau lachte höhnisch. Ich ärgerte mich. Unsere
Jungen zankten sich über eine übriggebliebene Lanze nebst Hand,
die der Eine dem König Lear, der Andere dem Julius Cäsar zu-
sprechen wollte.
Ich warf den Krempel hin, nahm meine Abendzeitung und
setzte mich in eine
Ecke. Meine Frau
ergriff ihre Hand-
arbeit und setzte sich
schweigend in die
zweite Ecke. In die
dritte verbannte ich
Carl, den Aeltesten,
weil er sich mit
seinem Bruder ge-
prügelt hatte, und in
die vierte Ecke Max,
den Jüngeren, aus
demselben Grunde.
Als wir so weit
wTaren, kam mein
Freund Schmidt. Er-
staunt sah er auf das
nette Familienbild.
„Was macht Ihr?“
rief er.
„Oh,“ sagte ich
trocken, „wir spielen
Zusammensetz-
spiel.“
„Wirklich?“ rief
er lachend, „das
scheint aber mehr ein
Auseinandersetz-
spiel zu sein.“
Er hatte Recht.
Ich habe das später
noch manchmal in
anderen Familien be-
obachtet. Wirklich,
ein nettes Spiel!

Pietätvoll.
Dame: Haben
Sie ausschliesslich in
Berlin studirt?
Stud ent: O nein;
ich war auch in Leip-
zig, in Göttingen, in
Heidelberg, in Bonn
und in Strassburg auf
der Universität.
Dame: Und wo
hat eslhnenambesten
gefallen?
Student: In
Bonn; obschon ich
eigentlich den nach-
haltigsten Eindruck
meines ganzenUniver-
sitätslebens in Breslau
empfangen habe.
Dame: Ach, er-
zählen Sie!
Student: Ja, das
war in meinem ersten
Semester, als ich meine erste Vorlesung hörte; der betreffende Professor,
einer der berühmtesten Deutschlands, machte durch seinen Vortrag einen
unaussprechlichen Eindruck auf mich. Am nächsten Tage starb dieser
Professor eines plötzlichenTodes, und dieses Ereigniss erschütterte mich
dermassen, dass ich seitdem ni e wi ede r eine Vorlesung besucht habe-

No. 21.

LUSTIGE BLÄTTER

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