Meine Scheidemünze.
Offener Brief Lattenfritze’s an den Fiskus.
Ick hab’ immer jedacht,
der Dodt is umsonst, aber
nee, is nich, Jeld kost’t er,
denn woso? Fragen Se
unsern Schatzsekretär
Thieimann, wat unser
Reichs-Miquel is, der ver-
langt, det Jeder bei
seinem Tode ver-
pflichtet sein soll,
den Betrag in Scheidemünze wieder
herauszuzahlen, der ihm nach dem
Jesetz in die Wiege jelegt worden
is. Na det wäre ja ’n jefeffertes Münz_
jesetz, det reene Feffermünz-Jesetz! Ick
stelle mir det Sterben schon so nich sehr
anjenehm vor, wenn ick aber ins Jras
beissen muss, un soll dabei extra vierzehn
Mark vierzig retourjeben, det halte ick ein-
fach nich aus. So ville wollen Sie mir ja,
jeehrter Fiskus, in de Wiege jelegt haben.
Wat mir betrifft, so muss det ’n Irrthum
sein. Ick nehm’ et uf mein’n Diensteid als
-Kopf der Bevölkerung, det ick in meiner
Wiege nischt jefunden habe; nich ’n Nickel!
Wat soll ick nu aber machen, wenn ick mal
abschramme? Soll ick mir pfänden lassen?
Da müsst’ ick mir j a in’ Sarg hinein schämen.
Also theilen Se mir jefälligst mit, wo ick
mir die vierzehn Mark vierzig, die uf mir
entfallen, nachträglich abholen kann. Denn
Se mögen von mir halten wat Se wollen,
— een Kopp der Bevölkerung bin ick, det
lasse ick mir nich abstreiten, da stehe ick
meinen Kopp so jut wie jeder Andre.
P. S. Wenn et Ihnen bequemer is,
denn schicken Se mir lieber ’n joldenes
Zwanzigmarkstück franko ins Haus, ick
kann wechseln!
Das Koalitionsrecht der Soldaten.
(Eine sozialdemokratische Manöver-Phantasie.)
Major (kommandirt): Zum Rechts-Ab-
marsch in Kolonne! — — Heiligeskreuz-
donnerwetter, warum wird das Kommando
nicht ausgeführt?! Die Herren Hauptleute!
Was geht hier vor?
Der älteste Hauptmann: Ich kann
es beim besten Willen nicht sagen, werde
mich aber sofort erkundigen. Feldwebel!
Was ist denn eigentlich los?
Feldwebel: Weiss nicht, Herr Haupt-
mann, aber der Flügelmann Kneschke scheint
es zu wissen.
Hauptmann: Fügelmann Kneschke,
treten sie vor! warum wird das Kommando
nicht ausgeführt?
FlügelmannKneschke: Herr Haupt-
mann, wir haben uns koalirt und einen
Verband zur Wahrung der Interessen des
Soldatenstandes begründet. Zielbewusst,
wie wir sind, erstreben wir vor allen Dingen
den vierstündigen Normal-Exerziertag, und
da die fünfte Stunde eben beginnt, so hören
wir jetzt grundsätzlich auf. Bei uns heisst
es: alle für einen und einer für alle!
Hauptmann: Das ist aber total gegen
das Reglement!
Flügelmann Kneschke: Das Re-
glement stammt aus dem alten Klassenstaat,
den wir nicht anerkennen. Im vorigen Jahr-
hundert konnten die Anträge von H e i n e u n d
Genossen zur Erweiterung des
Koalitionsrechts auf den Soldaten-
stand im Reichstage noch durchfallen.
Das hat sich im zwanzigsten Jahrhundert
geändert; wir wollen . . .
Major (wiederholt in höchster Aufregung das
Kommando): Zum Rechts-Abmarsch in . . .
Flügelmann Kneschke: Ich muss
den Herrn Bataillonskommandeur dringend
bitten, mich nicht zu unterbrechen; wir sind
hier mitten in den Verhandlungen zwischen
gleichberechtigten Parteien. Ich nannte
bereits eine unserer Forderungen, muss indess
bemerken, dass gestern in einer sehr zahl-
reich besuchten Versammlung unseres Ba-
taillons noch andere Resolutionen zur
Annahme gelangt sind. Wir verlangen obli-
gatorische Mittagspause von 10 Uhr Vor-
mittag bis Zapfenstreich, Ausdehnung der
Sonntagsruhe auf den Montag, Erhebung des
Dienst-Tages zum Frei-Tag, Sitzgelegenheit
während des Kommandos „Stillgestanden“
und das Recht, jeden Wachtposten in einen
Streikposten zu verwandeln.
Haupt mann: Nun ist’s genug! Feld-
webel, notiren Sie den Mann zur Bestrafung!
Flügelmann Kneschke: Klassen-
justiz! Doch auch dafür wissen wir ein wirk-
sames Gegenmittel: werden die Notizbücher
der Feldwebel nicht abgeschafft, so führen
wir unserseits schwarze Listen ein mit den
Namen derjenigen Vorgesetzten, unter denen
überhaupt nicht mehr exerziert wird. Sie, Herr
Hauptmann, sind schon vorgemerkt.
(Der Hauptmann zieht wuthbebend blank und
dringt mit der Waffe auf den Redner ein. Dieser
schreit „Au, Scharfmacher!“ und — erwacht dabei
aus tiefem Schlaf. Er findet sich auf der Pritsche im
Mittelarrest, wohin er vor zwei Tagen wegen eines
geringfügigen Dienstvergehens gekommen war.)
Kneschke: Na, det is man jut, det ick
dies allens bloss jeträumt habe. Wenn man
schon wejen schlechten Knöppeputzen uf
drei Dage ins Loch fliegt, wat hätten se mir
da wol vor meine zielbewussten Forderungen
ufjebrummt! Da reichen ja dausend Jahre
noch nich! m.
Türkische Kritik.
Matkowsky denkt zu wirken
In einem neuen Kreis,
So fährt er zu den Türken
Und mimt mit ems’gem Fleiss,
Spielt altbewährte Dramen,
„Acosta“ und den „Kean“;
Und alle Haremsdamen
Die weinen laut um ihn.
Es flüstern die Scheher zaden
Mit thränenfeuchtem Blick:
Er hat so runde Waden
„Und ist — so göttlich dick! . .“
O glücklich Land der Heiden,
Wie keusch Dein Urtheil ist,
Das noch in Taillenweiten
Die Kunst des Künstlers misst.
Den kecken kritischen Petern
Im dummen Occident
Lehrst Du nach Centimetern
Respekt vor dem Talent.
Will Dich ein „Held“ gewinnen.
Der „Vortrag“ macht sein Glück —
Es sprechen die Sultaninnen:
„Er ist — so göttlich dick! . .“ M. Sp
Das /dlermodernste.
Gast (in einem Alpenhotel): Herr Oberkellner, wer ist denn der Herr dort mit dem idealen Aussehen, dem alle Gäste so
andachtsvoll zuhören?
Oberkellner: Das ist unser „ An s i ch ts karten verse-1 m p rovi sato r!“
No. 51
LUSTIGE BLÄTTER.
3
Offener Brief Lattenfritze’s an den Fiskus.
Ick hab’ immer jedacht,
der Dodt is umsonst, aber
nee, is nich, Jeld kost’t er,
denn woso? Fragen Se
unsern Schatzsekretär
Thieimann, wat unser
Reichs-Miquel is, der ver-
langt, det Jeder bei
seinem Tode ver-
pflichtet sein soll,
den Betrag in Scheidemünze wieder
herauszuzahlen, der ihm nach dem
Jesetz in die Wiege jelegt worden
is. Na det wäre ja ’n jefeffertes Münz_
jesetz, det reene Feffermünz-Jesetz! Ick
stelle mir det Sterben schon so nich sehr
anjenehm vor, wenn ick aber ins Jras
beissen muss, un soll dabei extra vierzehn
Mark vierzig retourjeben, det halte ick ein-
fach nich aus. So ville wollen Sie mir ja,
jeehrter Fiskus, in de Wiege jelegt haben.
Wat mir betrifft, so muss det ’n Irrthum
sein. Ick nehm’ et uf mein’n Diensteid als
-Kopf der Bevölkerung, det ick in meiner
Wiege nischt jefunden habe; nich ’n Nickel!
Wat soll ick nu aber machen, wenn ick mal
abschramme? Soll ick mir pfänden lassen?
Da müsst’ ick mir j a in’ Sarg hinein schämen.
Also theilen Se mir jefälligst mit, wo ick
mir die vierzehn Mark vierzig, die uf mir
entfallen, nachträglich abholen kann. Denn
Se mögen von mir halten wat Se wollen,
— een Kopp der Bevölkerung bin ick, det
lasse ick mir nich abstreiten, da stehe ick
meinen Kopp so jut wie jeder Andre.
P. S. Wenn et Ihnen bequemer is,
denn schicken Se mir lieber ’n joldenes
Zwanzigmarkstück franko ins Haus, ick
kann wechseln!
Das Koalitionsrecht der Soldaten.
(Eine sozialdemokratische Manöver-Phantasie.)
Major (kommandirt): Zum Rechts-Ab-
marsch in Kolonne! — — Heiligeskreuz-
donnerwetter, warum wird das Kommando
nicht ausgeführt?! Die Herren Hauptleute!
Was geht hier vor?
Der älteste Hauptmann: Ich kann
es beim besten Willen nicht sagen, werde
mich aber sofort erkundigen. Feldwebel!
Was ist denn eigentlich los?
Feldwebel: Weiss nicht, Herr Haupt-
mann, aber der Flügelmann Kneschke scheint
es zu wissen.
Hauptmann: Fügelmann Kneschke,
treten sie vor! warum wird das Kommando
nicht ausgeführt?
FlügelmannKneschke: Herr Haupt-
mann, wir haben uns koalirt und einen
Verband zur Wahrung der Interessen des
Soldatenstandes begründet. Zielbewusst,
wie wir sind, erstreben wir vor allen Dingen
den vierstündigen Normal-Exerziertag, und
da die fünfte Stunde eben beginnt, so hören
wir jetzt grundsätzlich auf. Bei uns heisst
es: alle für einen und einer für alle!
Hauptmann: Das ist aber total gegen
das Reglement!
Flügelmann Kneschke: Das Re-
glement stammt aus dem alten Klassenstaat,
den wir nicht anerkennen. Im vorigen Jahr-
hundert konnten die Anträge von H e i n e u n d
Genossen zur Erweiterung des
Koalitionsrechts auf den Soldaten-
stand im Reichstage noch durchfallen.
Das hat sich im zwanzigsten Jahrhundert
geändert; wir wollen . . .
Major (wiederholt in höchster Aufregung das
Kommando): Zum Rechts-Abmarsch in . . .
Flügelmann Kneschke: Ich muss
den Herrn Bataillonskommandeur dringend
bitten, mich nicht zu unterbrechen; wir sind
hier mitten in den Verhandlungen zwischen
gleichberechtigten Parteien. Ich nannte
bereits eine unserer Forderungen, muss indess
bemerken, dass gestern in einer sehr zahl-
reich besuchten Versammlung unseres Ba-
taillons noch andere Resolutionen zur
Annahme gelangt sind. Wir verlangen obli-
gatorische Mittagspause von 10 Uhr Vor-
mittag bis Zapfenstreich, Ausdehnung der
Sonntagsruhe auf den Montag, Erhebung des
Dienst-Tages zum Frei-Tag, Sitzgelegenheit
während des Kommandos „Stillgestanden“
und das Recht, jeden Wachtposten in einen
Streikposten zu verwandeln.
Haupt mann: Nun ist’s genug! Feld-
webel, notiren Sie den Mann zur Bestrafung!
Flügelmann Kneschke: Klassen-
justiz! Doch auch dafür wissen wir ein wirk-
sames Gegenmittel: werden die Notizbücher
der Feldwebel nicht abgeschafft, so führen
wir unserseits schwarze Listen ein mit den
Namen derjenigen Vorgesetzten, unter denen
überhaupt nicht mehr exerziert wird. Sie, Herr
Hauptmann, sind schon vorgemerkt.
(Der Hauptmann zieht wuthbebend blank und
dringt mit der Waffe auf den Redner ein. Dieser
schreit „Au, Scharfmacher!“ und — erwacht dabei
aus tiefem Schlaf. Er findet sich auf der Pritsche im
Mittelarrest, wohin er vor zwei Tagen wegen eines
geringfügigen Dienstvergehens gekommen war.)
Kneschke: Na, det is man jut, det ick
dies allens bloss jeträumt habe. Wenn man
schon wejen schlechten Knöppeputzen uf
drei Dage ins Loch fliegt, wat hätten se mir
da wol vor meine zielbewussten Forderungen
ufjebrummt! Da reichen ja dausend Jahre
noch nich! m.
Türkische Kritik.
Matkowsky denkt zu wirken
In einem neuen Kreis,
So fährt er zu den Türken
Und mimt mit ems’gem Fleiss,
Spielt altbewährte Dramen,
„Acosta“ und den „Kean“;
Und alle Haremsdamen
Die weinen laut um ihn.
Es flüstern die Scheher zaden
Mit thränenfeuchtem Blick:
Er hat so runde Waden
„Und ist — so göttlich dick! . .“
O glücklich Land der Heiden,
Wie keusch Dein Urtheil ist,
Das noch in Taillenweiten
Die Kunst des Künstlers misst.
Den kecken kritischen Petern
Im dummen Occident
Lehrst Du nach Centimetern
Respekt vor dem Talent.
Will Dich ein „Held“ gewinnen.
Der „Vortrag“ macht sein Glück —
Es sprechen die Sultaninnen:
„Er ist — so göttlich dick! . .“ M. Sp
Das /dlermodernste.
Gast (in einem Alpenhotel): Herr Oberkellner, wer ist denn der Herr dort mit dem idealen Aussehen, dem alle Gäste so
andachtsvoll zuhören?
Oberkellner: Das ist unser „ An s i ch ts karten verse-1 m p rovi sato r!“
No. 51
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