Das <=Au£e der Zukunft-.
Es meldet die „Revue des Revues“:
Professor Stiens, ein Erfinder-Genie,
Hat ein elektrisch Verfahren erdacht,
Wodurch er die Blinden sehend macht.
Mit Elementen und feinen Drähtchen
Bestreicht er von aussen die Nervenfädchen,
Er lenkt direkt ins Gehirn den Strahl,
Das Auge ist überflüssig total;
War’ einer selbst ohne Pupillen geboren,
Er hätte so gut wie garnichts verloren,
Er sieht mit Stiens’ Apparate flugs
Als wäre er sehbegabt wie ein Luchs.
Entscheidend wurde dies konstatirt
Nachdem man folgende Probe gefunden:
Es wurde ein Blinder hereingeführt
Und mit dem Apparate verbunden.
Der Physiker fragte: „Erzählen Sie
Von Ihrer Empfindung, Sie sehen gewiss“;
Darauf das Versuchsobjekt: „Und wie!
Ich sehe die kommende Finsterniss,
Ich sehe die Jahrhundertwende
Wie alles Leuchten des Fortschritts zu Ende,
Wie Krieg, Fanatismus und Unkultur
Vertilgen die letzte leuchtende Spur,
Ich sehe von Mucker- und Heuchler-Chören
Das finstre Mittelalter beschwören,
Ich sehe die Dunkelheit, sehe sie nah,
Ich seh’ sie, als wäre sie wirklich da.“
So sprach er, und eigentlich muss man gestehn,
Er sprach als der sichtbaren Wahrheit Verkünder,
Denn dass es so ist, wie er es gesehn,
Das, meinen wir, sieht sogar ein Blinder!
m.
Der Zeuge.
Richter: Also erzählen Sie einmal, Angeklagter, was
Sie an dem kritischen Tage gemacht haben.
Angeklagter: Det war jar keen kritischer Dag
nich, Herr Jerichtshof, un wenn Sie mir det nich jloben,
denn beantrage ick, Rudolf Falb als Zeujen zu laden.
Det» Ve
geschildert von einem
Ein Mensch, der weder Talent noch
Genie,
Nicht einen Funken von Poesie,
Nicht eine Ahnung von Rhythmus
und Reim,
Von Phantasie nicht einen Keim,
Nicht einen Schimmer von Metrik
hat.
Und doch sich ausgiebt in der
Stadt
Als aller Kunst berufnen
Pfleger:
Das ist der Verleger.
Ein Mann, der alle Lyrik
hasst.
Der niemals einen Vers verfasst,*)
Geschweige je einen Vers bezahlt,
Doch immer mit Kunstverständniss
prahlt.
Ein Mann, der Tag und Nacht dran
denkt.
Wie er den Dichter drängt und
kränkt,
Ein steter Aergerniss-Erreger:
Das ist der Verleger.
plegep
ungedruckten Dichter.
Ein Mann, der Geld besitzt: wie
Heu,
Doch vorm Bezahlen grosse Scheu,
Der den Dichter belohnt mit 'nem
- _ Exemplar,
Doch niemals denkt an das Honorar,
Dem die gute Zeit aus dem Schmeer-
bauch schaut,
Der auf Reisen geht und sich Häuser
baut.
Und dennoch ein ewiger Jamm'rer
und Kläger:
Das ist der Verleger.
Ein Mann, den niemals die Muse
geküsst.
Der ein steuerzahlender Bürger ist.
Der Abends am Biertisch politisirt.
Und niemals nächtlich an Dramen
schmiert.
Ein Mann, dessen Stiefel immer
ganz.
Ein Philister strengster Observanz,
Der von Kunst so viel versteht wie
ein Neger:
Das ist der Verleger. k. t.
Atelier-Besuch.
SlfeiE
Herr: Das soll ich sein?
Porträtmaler: Freilich!
Herr: Der griechische Weltweise hat also doch Recht, wenn
er sagt: sich selbst erkennen ist schwer!
*) Verlags-Anmerkung für den Dichter.
Gern druckten wir Ihre herbe Klage,
Doch nun gestatten Sie uns eine Frage:
Wie trügen Sie wohl des Daseins Bürde,
Wenn der Verleger — auch dichten würde r.
No. 51.
LUSTIGE BLÄTTER.
5
Es meldet die „Revue des Revues“:
Professor Stiens, ein Erfinder-Genie,
Hat ein elektrisch Verfahren erdacht,
Wodurch er die Blinden sehend macht.
Mit Elementen und feinen Drähtchen
Bestreicht er von aussen die Nervenfädchen,
Er lenkt direkt ins Gehirn den Strahl,
Das Auge ist überflüssig total;
War’ einer selbst ohne Pupillen geboren,
Er hätte so gut wie garnichts verloren,
Er sieht mit Stiens’ Apparate flugs
Als wäre er sehbegabt wie ein Luchs.
Entscheidend wurde dies konstatirt
Nachdem man folgende Probe gefunden:
Es wurde ein Blinder hereingeführt
Und mit dem Apparate verbunden.
Der Physiker fragte: „Erzählen Sie
Von Ihrer Empfindung, Sie sehen gewiss“;
Darauf das Versuchsobjekt: „Und wie!
Ich sehe die kommende Finsterniss,
Ich sehe die Jahrhundertwende
Wie alles Leuchten des Fortschritts zu Ende,
Wie Krieg, Fanatismus und Unkultur
Vertilgen die letzte leuchtende Spur,
Ich sehe von Mucker- und Heuchler-Chören
Das finstre Mittelalter beschwören,
Ich sehe die Dunkelheit, sehe sie nah,
Ich seh’ sie, als wäre sie wirklich da.“
So sprach er, und eigentlich muss man gestehn,
Er sprach als der sichtbaren Wahrheit Verkünder,
Denn dass es so ist, wie er es gesehn,
Das, meinen wir, sieht sogar ein Blinder!
m.
Der Zeuge.
Richter: Also erzählen Sie einmal, Angeklagter, was
Sie an dem kritischen Tage gemacht haben.
Angeklagter: Det war jar keen kritischer Dag
nich, Herr Jerichtshof, un wenn Sie mir det nich jloben,
denn beantrage ick, Rudolf Falb als Zeujen zu laden.
Det» Ve
geschildert von einem
Ein Mensch, der weder Talent noch
Genie,
Nicht einen Funken von Poesie,
Nicht eine Ahnung von Rhythmus
und Reim,
Von Phantasie nicht einen Keim,
Nicht einen Schimmer von Metrik
hat.
Und doch sich ausgiebt in der
Stadt
Als aller Kunst berufnen
Pfleger:
Das ist der Verleger.
Ein Mann, der alle Lyrik
hasst.
Der niemals einen Vers verfasst,*)
Geschweige je einen Vers bezahlt,
Doch immer mit Kunstverständniss
prahlt.
Ein Mann, der Tag und Nacht dran
denkt.
Wie er den Dichter drängt und
kränkt,
Ein steter Aergerniss-Erreger:
Das ist der Verleger.
plegep
ungedruckten Dichter.
Ein Mann, der Geld besitzt: wie
Heu,
Doch vorm Bezahlen grosse Scheu,
Der den Dichter belohnt mit 'nem
- _ Exemplar,
Doch niemals denkt an das Honorar,
Dem die gute Zeit aus dem Schmeer-
bauch schaut,
Der auf Reisen geht und sich Häuser
baut.
Und dennoch ein ewiger Jamm'rer
und Kläger:
Das ist der Verleger.
Ein Mann, den niemals die Muse
geküsst.
Der ein steuerzahlender Bürger ist.
Der Abends am Biertisch politisirt.
Und niemals nächtlich an Dramen
schmiert.
Ein Mann, dessen Stiefel immer
ganz.
Ein Philister strengster Observanz,
Der von Kunst so viel versteht wie
ein Neger:
Das ist der Verleger. k. t.
Atelier-Besuch.
SlfeiE
Herr: Das soll ich sein?
Porträtmaler: Freilich!
Herr: Der griechische Weltweise hat also doch Recht, wenn
er sagt: sich selbst erkennen ist schwer!
*) Verlags-Anmerkung für den Dichter.
Gern druckten wir Ihre herbe Klage,
Doch nun gestatten Sie uns eine Frage:
Wie trügen Sie wohl des Daseins Bürde,
Wenn der Verleger — auch dichten würde r.
No. 51.
LUSTIGE BLÄTTER.
5