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Frauenschönheit kann einen Mann um
den Verstand bringen. Das ist eine alte
Geschichte, doch bleibt sie ewig neu, wie
nachfolgende Erzählung beweist, für deren
Glaubwürdigkeit ich mich verbürge.
Ihr Held ist mein bester Freund. Ich
lasse ihn selbst erzählen.
„Du weisst,“ sagte er zu mir, „dass
meine Frau noch immer so eitel ist wie
eine der Jüngsten, obwohl sie keine der
Jüngsten mehr ist. Wer nicht alt werden
will, muss jung sterben, aber sie will keins
von Beiden. Kurz und gut, sie will schön
sein und jedes Mittel dazu ist ihr recht.
Sie hat auch jedes schon versucht. Offen-
bar hat keins geholfen. Das machte sie
ganz schwermüthig, was sich bei ihr darin
äusserte, dass ich kein Mittagbrod und
keinen Hausschlüssel kriegte, dass das
Dienstmädchen rothgeweinte Augen hatte
und dass unser Mops mit eingekniffenem
Schwanz umherhinkte.
Dieser Leidenszustand meiner armen
Frau erbarmte mich über die Maassen, zu-
mal ich kein Mittel sah, ihn zu lindern. Ihr
Zustand wurde mit jedem Tage schlimmer,
und ich befürchtete das Aeusserste — für
mich. So kam Weihnachten heran. „Ein
schönes Fest wird das werden!“ seufzte
ich im Stillen.
Siehe, da schienen sich meiner die
Götter erbarmen zu wollen. Ich fand eines
Tages in einer Zeitung folgende Annonce,
mit Riesenlettern abgesetzt:

„Frauenschönheit!! !“
„Diesen ungeheuer wichtigen Faktor der sozialen
Wohljahrt und des privaten Glücks erhalt und er-
setzt einzig und allein, absolut zuverlässig und nie
versagenddas mit sieben goldneu Medaillen preis-
gekrönte, von drei Kaiserinnen und acht Königinnen
benutzte, von dreizehn Herzoginnen bereits bestellte,
soeben erfundene sensationelle
SST Wundermittel,
Hier war das Zeitungsblatt abgerissen.
Schade! Aber noch war nichts verloren.
Ich hatte das Stück Papier mit vielen
andern auf einen Faden gereiht und an
einem Nagel hängend gefunden. Ich pro-
birte also zunächst alle anderen Papiere.
Es passte kein einziges. Das war Schicksals-
tücke. Aber nur Muth. Wenn alles gut
ging, konnte ich meiner Frau das Wunder-
mittel auf den Weihnachtstisch legen.
Ich nahm das Papier an mich, ging ins
Cafe Bauer und befahl dem Kellner, mir
sämmtliche Zeitungen zu bringen.
Er meinte, dazu brauche er einen halben
Tag und eine ganze Nacht. Ich erwiderte,
er möge überzeugt sein, dass diese Mass-
regel nothwendig sei.
Gegen drei Uhr Morgens waren wir
fertig, er mit dem Schleppen, ich mit dem
Lesen und Vergleichen. Die Zeitung, die
ich suchte, war nicht darunter, und doch
hatte ich sogar den „Dessauer Staats-
anzeiger“ und die „Wohnungszeitung für
Nowaja Semlja“ durchsucht.
Ich nahm mir am Morgen eine Droschke
und fuhr von„Treu undNuglisch“zu„Lohse“,
von„Lohse“zu„Schwartze“, von„Schwartze“
zu „Schwarzlose“, von „Schwarzlose“ weiter
zur ganzen Konkurrenz. — Keiner kannte
das Mittel. Jeder kannte ein anderes, aber

„Frauenschönheit.*
alle diese kannte meine Frau, und so kehrte
ich wieder mit leeren Händen heim, müde,
hungrig und halb verzweifelt.
Zum Glück gab es ein Mittagessen, weil
sich ein Freund mit seiner Frau eingefunden
hatte. Das gab mir meinen Lebensmuth
wieder einigermassen zurück, und nach
Tisch, als die Damen sich vor unsern
Cigarren zurückgezogen hatten, zog ich
meinen Freund ins Vertrauen, und zeigte
ihm das Papier.
„Mein Gott,“ sagte ich, „es kann doch
nicht vom Himmel gefallen sein, es ist
doch offenbar eine auf Erden erscheinende
Zeitung, wenn sie auch merkwürdigerweise
Niemand kennt.“ .
Mein Freund nahm das Blatt und besah
es. Dabei fiel mir etwas ein: „Weisst Du,“
sagte ich, „sie haben bei Bauer keine
Zeitung von Honolulu. Sollte es das sein?“
„Unsinn,“ sagte er, „es ist der kon-
servative Landbote für Klein-Pichelwitz
und Umgegend'.“
Ich stierte ihn zuerst an, dann fiel ich
ihm um den Hals, dann dankte ich ihm mit
den wärmsten Worten. Aber noch war ich
nicht am Ziel. Denn jetzt galt es, die
Nummer zu erfahren, in welcher die
Annonce stand.
„Das wird nicht schwer sein,“ meinte
mein Freund. „Der ,Konservative Landbote
für Klein-Pichelwitz und Umgegend' ist
nur zweimal erschienen, dann ging er ein,
theils aus Mangel an Subsistenzmitteln,
theils aus Ueberfluss an Konkurrenzblättern.
Ich besitze beide Nummern. Sie haben
Sammelwerth, denn es sind wohl die beiden
einzigen Exemplare, die noch existiren.“
„Lass uns die kostbare Zeit nicht ver-
lieren,“ unterbrach ich ihn, „ich gehe sofort
mit Dir.“
Wir nahmen eine Droschke, Hessen sie
vor der Thür seines Hauses warten und
begaben uns in seine Wohnung.
Er öffnete die Sammelmappe, durch-
blätterte, durchsuchte, durchwühlte sie — es
war nur noch ein Exemplar des „Konser-
vativen Landboten“ darin. Während er ein
strenges Verhör mit den Dienstboten an-
stellte, verglich ich Druck und Papier,
wahrhaftig, alles stimmte. Ich schickte
rasch ein Stossgebet zum Himmel, dass
dies just die rechte Nummer sein möge.
Aber ich fand keinen Anklang damit, es
war die falsche.
Wohin war die richtige gekommen?
Die gnädige Frau hatte eine Taille darin
eingewickelt, die sie zur Schneiderin ge-
schickt hatte. Die Schneiderin wohnte
zwar am andern Ende von Berlin, aber die
Droschke stand zum Glück vor der Thür.
Wir fuhreir zur Schneiderin. Unterwegs
betete ich wieder. Und welche Fälle
schloss ich vorsichtigerweise in mein
Gebet ein? Dass die Schneiderin die
Zeitung nicht als Hülle für ein nach Amerika
geschicktes Packet benützt, dass ihre kleine
Nichte das Papier nicht verschluckt haben
möge. Endlich waren wir da. Aber es
dauerte lange, ehe die Schneiderin begriff,
was wir wollten. Ich hielt sie für blöd-
sinnig, sie mich offenbar auch. Das ganze
Atelier kicherte. Aber endlich — Gott

sei Lob und Dank! — fand sich die Zeitung
unter Flicken von Gaze und Futterstoff.
Wie ein Habicht stürzte ich mich auf
meine Beute. Gut, dass mein Freund
in der Nähe stand, sonst hätte ich die
Schneiderin doch noch erwürgt, denn die
Zeitung war wohl da, aber das Stück,
worauf sich meine Annonce befand, war
abgerissen, und die Schneiderin konnte
sich absolut nicht besinnen, was daraus
geworden war.
Ich redete ihr zu, ich drohte, fluchte,
weinte. Und schliesslich kam es heraus,
dass das Lehrmädel einen Knopf von einer
Sorte, die es in ganz Berlin nicht gab, darin
eingewickelt hatte, und damit auf die Suche
gegangen war. Seit drei Stunden war sie
fort. Ich wollte sie suchen gehen. Man
hielt mich mit Gewalt zurück, weil es
zwecklos sei.
Um die neunte Abendstunde kam das
Lehrmädchen zurück. Sie hatte die Knöpfe!
Gott sei gelobt, sie hatte die Knöpfe! Man
war gerettet! Sie hatte die Knöpfe!
Um mich kümmerte sich keine Katze.
Ich wurde gestossen, gepufft, auf die
Hühneraugen getreten. Aber was lag mir
daran, wenn ich nur das Papier kriegte.
„Das Papier! Das Papier! Wo haben
Sie das Papier?“
— „„Was für ein Papier?““
„Das vom ,Konservativen Landboten
für Klein-Pichelwitz und Umgegend'!“
Das Lehrmädel öffnete den Mund, so
weit es konnte, und es konnte sehr weit.
Nie habe ich eines Menschen innersten
Gedanken so deutlich auf seinem Antlitz
stehen sehen.
Sie hielt mich für verrückt. Und für
verrückt hielten mich die Inhaber sämmt-
licher Berliner Posamentiergeschäfte, soweit
sie mich nicht für einen Schwindler hielten,
der einen noch unbekannten Trick aus-
führen wolle. Für verrückt hielt mich der
Droschkenkutscher, der meine Stossgebete
gehört hatte, für verrückt hielt mich meine
Frau, als ich von der wilden Jagd nach-
hause kam, nur noch der Schatten meiner
selbst. Das Papier war hin! Hin war die
Schönheit meiner Frau! Hin war ich selber.
Ich musste mich in eine Heilanstalt begeben.
Ich habe viel gelitten und es soll zeitweise
sehr schlimm um mich gestanden haben.
Tagelang soll ich nichts anderes gesagt
haben, als mit weinender Stimme die Worte:
>,Oh, meine Herren, hätten Sie doch auf
den „Konservativen Landboten für Klein-
Pichelwitz und Umgegend' abonnirt!“ k. t.

Die erste Pflicht
im neuen Jahrhundert!
Die „Kustlgen Blätter“
schliessen mit dieser jSummer das
VI. Quartal 1899 und damit den
XIV. JGbrgang. Ctlir bitten um
W rechtzeitige Srneuerung
des Hbonncments zum preise von
]VI. 2 pro Quart, bei der bisherigen
Bezugsstelle (Buchhandlung, post-
anstalt oder Zeitungsspediteur).
Probenummern gratis und franko.

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LUSTIGE BLÄTTER

No. 52.
 
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