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Die Nase des Nikodemus.

(Eine Fabel.)

ins Gesicht; denn er Und als Nikodemus viele Jahre todt war,

hatte eine dicke, rothe da kam aus der Hauptstadt ein gelehrter

Nase. Mann in die Gegend, der wollte ein Buch

Niemand wollte über den grossen Wohlthäter schreiben. Er

ihn ernst nehmen. fragte umher bei den Leuten, aber Keiner

Sogar die hübsche wusste mehr was Rechtes von dem todten

Grethe, die einst als Nikodemus.

Kind mit ihm gespielt Nur ein altes Mütterchen, so sagten

hatte, wollte nichts die Leute, das am Stadtende wohne in

von seiner Liebe einer der Anstalten, die Nikodemus einst

wissen, weil er eine gegründet, wisse noch allerlei von ihm.

dicke, rothe Nase Zu ihr ging also der Gelehrte und fragte

hatte. Sie heirathete sie aus.

einen Lohgerber, der Aber sie schüttelte stumpfsinnig den

nach Fellen roch und grauen Kopf. Nikodemus —? sie wusste

wirklich trank, aber nichts von ihm. Nichts von seinem klugen

eine unempfindliche Kopf, nichts von seiner glücklichen Hand,

Nase hatte, die schmal nichts von seinem guten Herzen,
und blass blieb. Der Doch halt, ja; etwas wusste sie von

Lohgerber prügelte ihm, auf etwas konnte sie sich deutlich be-

die Frau und trank sinnen, und ihr gelbes, runzliches Antlitz

sich um Ehre undVer- verzog sich zum Lachen:
mögen. Schliesslich „Eine dicke, rothe Nase hat er gehabt,

Als der kleine Nikodemus Zeppernick starb er am Delirium. Nikodemus kaufte Herr. Ja, ich weiss es genau, eine dicke,

geboren wurde, wohnten zufällig vier Feen heimlich sein verwahrlostes Geschäft auf, rothe Nase!" M. Sp.

im Gasthof, den sein Vater offen hielt. Nun setzte es in Stand und machte
ist es Sitte unter den Feen, jedem Neu- es der einstigen Jugendgespielin
geborenen, in dessen Nähe sie der Zufall wieder zum Geschenk. Aber sie
bringt, ein Geschenk zu machen von bleiben- wiederzusehen wagte er nicht,
dem Werth. Denn sie trauerte tiefschwarz

_ So schenkten denn die vier Feen. Die um den Lohgerber, und er hatte
erste schenkte dem kleinen Nikodemus, der eine dicke, rothe Nase,
sehr zufrieden in seiner Wiege schlief, einen Schliesslich ward Nikodemus

klugen Kopf. Die zweite schenkte ihm ein ein ganz Einsamer. Er vergrub
gutes Herz. Die dritte schenkte ihm eine sich in ein Landhäuschen in
glückliche Hand. Die vierte aber war eine riesigem, schattigem Park. Aber
böse Fee, die kicherte boshaft, als sie an die aus diesem abgeschiedenen Landhäuschen

Wiege trat, und schenkte dem kleinen Niko- flatterten täglich hundert Gutthaten in die Prosit Mahlzeit.

demus eine dicke, rothe Nase. __.__________Man unterhält sich über das Thema der

Der kleine Niko- \ { ^Vfl) \ f^/P/zVi)) ~\"\ starken Fresser-
demus wuchs heran. Er §[ ^^^^^)) \M//(v,J \\ \ A-: Mein Freund Wampmann gilt darin
war ein liebes, munteres \l %^>A "jiffldK. als ein Unikum; wissen Sie, was dessen
und aufgewecktes Kind. / ^C/lp^==*'^ (vCfn) #Fjry ' Lieblingsgericht zum Frühstück ist? acht-
Aber — er hatte eine I 7€v§/ N*. \i<r zehn pflaumenweiche Eier.
Nase, die viel zu dick für , npT/T'l't))) 'S (C^ / Y^K B" °aS 'St n°Ch Sarnichts gegen einen
sein Kindergesicht und j' / \V^/ I \ (Oj IMM Bekannten von mir, der Rentier Kaumeyer:
immer roth war. ( ! if \ ? jj 'Ww\ Wen" deF 'm ExPresszug fänrt> steigen die
Da tuschelten die / a 0 X lf^f\^J A. Aktien der Deutschen Speisewagen-Gesell-
Nachbarn unter einander, / ' r\ \ t/^^\!^^^>s scnaft an einem Tage um achtzehn Prozent,
der Vater müsse ein r^Sf / V \ \ " W/
arger, heimlicher Säufer sein; und als der / /IT ° \ ). \_jW Ausreden lassen.

biedere Gastwirth hoch und theuer beschwor, ~Ljj ^\ \—] f Die Tertianer des Humboldt-Gymnasiums

er trinke nie mehr als zwei Schoppen am \ I 1\ 1|I bekommen im Deutschen die Aufgabe, aus

Tage — was für einen Gastwirth gewiss I'l| \ ' l dem Litteraturschatz nach eigenem Belieben

nicht viel ist — da wussten die Nachbarn V—-V] 1 / \ \\ r ein Gedicht auszuwählen und dieses aus-

noch ein Schlimmeres: Nikodemus musste I \ I \ | 4V \ wendig zu lernen. Durch diese freie Wahl

eben einen anderen Vater haben, als den, l L\ / f J ,1 I / so" eine Pr0De auf den Geschmack der

der im Kirchenbuch stand. Als das dem / ' , / 1 | y | Schüler gemacht werden,

alten Gastwirth zu Ohren kam, schlug er I / ! / /I 1 ' DerzuerstaufgerufeneTertianerSchröder,

zwei Bauern im Wirthshaus sieben Zähne I / ^ / / i |V der mit der Zunge nicht recht vorwärts kann,

ein, wurde in der Stadt zu Gefängniss j / /-=^^^^-^>-^-1 Jl--^ beginnt stockend: Nächtlich am ... Busen ...

wegen Gewaltthätigkeit verurtheilt und er- .c^di ) XJf Oberlehrer: Aber Schröder! Ich hätte

hängte sich in seiner Zelle an seinem Hosen- ^=/j doch nicht gedacht, dass irgend einer von

träger . . . W euch eine so verwerfliche Wahl treffen

Als der kleine Nikodemus gross geworden Welt zu den Armen und Bedrückten. Allen, könnte. In welchem Schmöker hast du denn

war, machte er mit seinem klugen Kopfe eine die sich in einem ehrlichen Briefe an ihn das aufgegabelt? Am Busen! und noch dazu

Erfindung; mit seiner glücklichen Hand baute wandten, half Nikodemus; bald mit dem nächtlich! Es thut mir leid, Schröder, aber

er sie aus und als er ein reicher Mann klugen Kopf, bald mit der glücklichen ich muss dich bestrafen,
geworden war, wollte er sie mit seinem Hand, bald mit dem guten Herzen. Aber Tertianer Schröder (fortfahrend):... to

guten Herzen seiner Mitmenschheit dienstbar gesehen hat ihn Keiner mehr; denn er ... lispeln . . ., bei Cosenza . . . dumpfe

machen. Aber wohin er auch kam, seine wusste, dass er eine dicke, rothe Nase Lieder ....
Erfindung zu erklären, die Leute lachten ihm hatte .... Oberlehrer: Ach so!

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LUSTIGE BLÄTTER

No. 26.
 
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