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Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 15.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.23657#0648

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Sttmmungswecbfel.

„JNanu, ßerr Kollege, Sie wollten doch nach Karlsbad geben, und nun treffen wir Sie plötzlich mitten im Scbwarzwald?"
„„^fa, das ging nicht anders, ich habe nämlich kurz vor der Hbreise Crauer bekommen l" "

Die Censur. Die drei Lesungen im Burgtheater.

Die Censurbehörde fasst bekanntlich in letzter Zeit ihr A„ ejnen deutschen Autor. An einen französischen Autor.

Amt sehr ernst auf. Sie begnügt sich nicht damit, neue crsle Lesums-

Stücke, die nach ihrer ganzen Richtung hin unpassend er- Das Stück, das Sie mir eingesandt, Monsieur! Durch meine Kunstagenten

scheinen, zu verbieten, sie wendet ihr fürsorgliches Find' ich famos, höchst int'ressant Erfuhr ich von der eminenten

Interesse auch älteren, bereits mehrfach unbeanstandet Und äusserst dankbar in den Rollen, Piece, die Sie im Pulte haben

aufgeführten Stücken zu, wie das nachfolgende Schreiben „ . „ ,. , . ,. , , . ,

des Obercensors an den Leiter des Deutschen Theaters So dass wir es 8le,ch geben woIIen- Und hoffentlich noch nicht vergaben.

Dr. Otto Brahm beweist: Ich gratulir' mir im Voraus Ich weiss zwar nicht, was sie enthält,

Sehr geehrter Herr! Sie haben seit einigen Tagen Zu manchem ausverkauften Haus, Indess, um alles in der Welt

ein „Faust" genanntes Bühnenstück des ehemaligen Das wir damit bestirnrnt erzielen, Möcht' ich ein Stück, das Sie verfassen,

Weimar'schen Ministers v. Goethe Excell. in Ihr Ke- ,v. . , , , . , . , „.. ... , ,

pertoire aufgenommen. Obschon nun zwar nach dem Wenn wir s Pr0 Woche dreimal spielen. Für Wien mir nicht entgehen lassen.

Telegramm des Staatssekretärs Grafen v.Bülow an den Ja, in der That, Sie sind mein Mann! Aus diesem Grund, Sie ahnen schon,

Leiter des deutschen Schauspielhauses Baron v. Berger Ihr schönes Stück, ich nehm' es an, Folgt hier ergeb'ne Petition,

in Hamburg der selige Minister v. Goethe Excell. von uns Wje immer mit excellenter Mir dieses Stück zu reserviren;

als Dichter anerkannt werden muss, sind wir doch geneigt, , tli ., ., ,„.. , , . . . -.,

gerade in der „Faust" genannten Komödie eine Gefahr Hochachtung Ihr ergeb'ner Schlenther. Wie hoch sind wohl die Vorgebuhren?
für die Sittlichkeit und das religiöse Gefühl zu erblicken. Zweite Lesung-

Dadurch, dass das „Vorspiel" im Himmel spielt, werden ,, „ ,v,. ° _ , ,, ,

allerhöchst himmlische Einrichtungen der menschlichen Bedingung: Erstaufführung - Wien, Fünftausend Gulden soll es kosten

Kritik schamlos unterbreitet, was unzulässig ist. Erzengel Um Himmelswillen nicht Berlin! Pränumerando? tücht'ger Posten;

dürfen ebensowenig wie Vertreter der Kirche und des Besonders muss vor Brahm ich warnen; Empfangen Sie das Geld anbei,

Staates auf der Bühne eine Rolle spielen. Auch liegt es q lassen g;e sich nicht umgarnen! Doch denken Sie - ich bin SO frei

im Interesse der Moral, dass die irage, welches Geschlecht _ ., _ . . _ t , . -

den Erzengeln zuzuerkennen wäre, nicht aufgeworfen wird. Brahm lst mein Freund, mein Intimus,' Zu mahnen - auch an das Vollenden,

Wir geben Ihnen also anheim, dasVorspielbei weiteren Dar- Da ist es mir ein Hochgenuss, Damit Sie bald das Stück mir senden,

Stellungen wo anders spielen zu lassen; gleichviel ob auf Dass ich aus Anlass dieses Stücks Auf welches meine Neubegier

der Lüneburger Haide oder in der Vorhalle des Potsdamer Dem Freund Eins auswisch' hinterrücks. Gespannt ist bis zum Platzen schier;

Bahnhofs, nur nicht im Himmel, kann ja dort ein . ». _ _ * , , ^ , . , , „

Engländer mit einem deutschen Srortsman die betreffende Es bleibt dabei: die Premiere Im Geist besetz ich schon die Rollen,

Wette eingehen, die bei v. Goethe Excell. in durchaus Find't in der „B urg" statt. Hab'die Ehre! Die ohne Zweifel wundervollen,
unziemlicher Weise dem Herrn der Heerschaaren und Dritte Lesung:

dem Teufel zugeschrieben wird. Was dann die Handlung ßei drkter Lesung fällt mir ein: Beim Lesen lhrer ,etzten Zeilen

des dem Vorspiel folgenden Stückes betrifft, so muss ich' „V «. 7 . , . . . * . , ,

bemerken, dass idi sie zwar tief mis»b,iüge, doch - da Sie> sollten Sle nicht derselbe sein, Muss ich vor allem mich beeilen

mein Vorgänger sie passiren liess — nicht verbieten will. Der einstmals schrieb den „Kakadu"? Mit dem Kontrakt; die Strafnormirung

Nur muss ich darauf bestehen, dass Heinrich Faust das jetzt muthen Sie mir gar noch zu, Im Falle einer Nichtaufführung

Grethehen im letzten Akte heirathet. Der Tod der Dame, Von Ihnen noch was aufzuführen? Schrieb ich hinein: Florin 6 Mille,

sofern er nothwendig sein sollte, kann ja von Maseru ... , . , . , % f,. j . • . . ....

oder Wasserpocken in sittlich unanfechtbarer Weise herbei- Mlr scheint beinah , Sie dehnren! Nun sei es aber auch Ihr Wille,

geführt werden. Von einem Kind der verehelichten Faust Hier haben Sie das Zeug zurück; Das Stück zu überreichen endlich,

darf aber jedenfalls erst dann die Rede sein, wenn das Sie können mit besagtem Stück Was ja am Ende selbstverständlich.

Publikum von der kirchlichen Einsegnung der Ehe hin- ßei den erhöhten Kohlenpreisen Sie brauchen es nicht zu frankiren,

reichend benacln lchtigi: ist, was nothigeniails zwischen den ? ,„.. . ,, ■ . .„

Akten durch den Regisseur geschehen kann, da die kirch- Im Winter Ihren ofen speisen. Wir zahlen hier die Strafgebuhren,

liehe Handlung selbst natürlich nicht Gegenstand der Vor- Von Ihnen als durchaus getrennter Des Doppelportos mit Vergnügen,

Stellung sein darf. Betracht'ich mich in Zukunft. Wenn wir es überhaupt nur kriegen!

tez.: D u in r a th. Obercensor. actllenther. K & A. M.

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lustige blätter.

No 40
 
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