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Rochefort's Trauergesang.
Zeitungsnachricht: Der Ka.ppe
^Tmtis", dasRosHdesGonetalBou-
tanger ist in der Gironde gestorben.
Sein letzter Besitzer übersandte
Henri Bochefort den Schweif des
edienTliiereszntn Andenken.
Von all dem Ruhm und Sang und Glanz,
Von att dem heissen Liehen
tst mir ein Schwanz, ein Pferdeschwanz
Nur in der Hand geblieben.
Den Weg, der Heiden hochgeehrt
Cum bestiis, communis.
Den geht mit jedem Ackerpferd
Der stotze Rappe .,Tunis".
Er, dessen Ruhm Paris durchtoht
Und Flammen schlug zum Monde
Er frass zuletzt sein Gnadenbrot
Aus Krippen der Gironde.
Wird Boulanger sein treues Vieh,
Wie einst in grossen Zeiten,
,,En revenant de la Revue"
Im Himmel wieder reiten?
Ich weiss es nicht — der Thränen Glanz
Will mir das Auge trüben . . .
Mir ist ein Schwanz, ein Pferdeschwanz
Nur in der Hand geblieben.


Ich streich' ihn, und die Seele träumt . . .
Das war — bei meiner Treue! —
Der Schwanz, an dem wir aufgezäumt
Das Kaiserreich, das Neue.

In der englischen Pension.
„Das ist wohl the newest woman hat?"
..„Ja, das ist das Neueste wo man hat!""

Künstler-Loos.
Ein Komponist, er heisse kurz Herr A.,
Bewohnt im Vorderhaus die Bel-Etage;
Er hat's als Künstler äusserst weit gebracht,
Hält Dienerschaft und eigne Equipage.
Ein zweiter, B, fünf Treppen, Hinterhaus,
Hat nichts zu beissen mehr und nichts zu
brechen;
Noch keine Note hat er aufgeführt
Und kein Verleger ist für ihn zu sprechen.
Nun bei der Arbeit sitzen alle zwei,
Denn Jeden drängt es, dass er komponire;
Der frohe A. schreibt einen Trauer-
marsch,
Der B. schreibt einej ub el-Ouverture. m.
Der verkannte Gamsbart.
„Papa, warum lässt denn der Mann
dort seine Haare durch den Hut
wachsen?"
Knallprotz.
Arzt: . . . Und dann machen Sie Ihrem
Herrn Gemahl fleissig Eisumschläge.
Dame: Von Himbeereis oder von
Vanilleneis?
Böser Handel.
Erster Journalist: Was haben Sie
denn für den aufreizenden Leitartikel be-
kommen?
Zweiter Journalist: Hundert Mark.
Erster Journalist: Donnerwetter,
das ist aber ein anständiges Honorar.
Zweiter Journalist: Ach, nicht doch,
ich meine hundert Mark Strafe.

Thesen.

Schon funkelt hell die gütdne Krön'
Am Sarge des Titanen,
Die scharfen Fänge spreizen schon
Die Adler auf den Fahnen.
Schon schreit und johlt erkaufter Tross,
Und Leipzig ist vergessen-—
Hätt' nur auf Dir, du stolzes Ross,
Kein solcher Esel gesessen! . . .

Die Bonmots von vorgestern sind sehr
häufig wieder die Bonmots von über-
morgen.
Die Politik verdirbt seltsamerweise nur
da den Charakter, wo — keiner vor-
handen ist.

Wenn ein Mann berühmt wird, trifft er
im Leben merkwürdig viele Schulfreunde
wieder.
*
Der Frieden wird bisweilen dermassen
„geschlossen", dass er sich nicht rühren
kann.

Chi
In der Provinz Hün-gan-fu bestanden
sehr strenge Examina. Wie da die Stu-
denten gepeinigt, geschunden und bis auf
die Knochen ausgefragt wurden, davon macht
sich ein europäischer Kandidat gar keinen
Begriff. Na und die Durchfälle! Die meisten
rasselten dermassen mit Pauken und Trom-
peten durch, dass man es auf viele Hunderte
von Meilen bis nach Mukden hören konnte;
und wenn man in Weiheiwei ein donner-
artiges Getöse vernahm, so sprachen die
Leute: „Lasst uns für die Unglücklichen
beten, in Hün-gan-fu ist gewiss Staats
Prüfung." Und so war es. Für die Kommi-
litonen galt geprüft werden für gleich-
bedeutend mit gehängt werden, und wenn
einem die schriftlichen Arbeiten zugeschickt
wurden, so klapperte er vor Angst mit den
Zähnen, wie der Storch, der an den Ufern
des Peiho lustwandelnd mit dem Schnabel
klappert.
Nichts erklärlicher, als dass die chine-
sischen Studenten darob in grosse Auf-
No. 2.

oesisehe flistönch
regung geriethen. Und da sie den Pro-
fessoren nichts thun konnten, gingen sie aus
Wuth zu den Boxern und Hessen ihren Zorn
an den Fremden aus. Hieran schlossen sich
der Rachefeldzug der verbündeten Europäer,
die Niederwerfung Chinas unddie„unwider-
ruflichen Bedingungen", deren wichtigste
lautete:
„In den Städten, in denen Fremde er-
mordet oder grausam behandelt wurden,
müssen die Staatsprüfungen fünf Jahre
lang unterbleiben!"
Da jubilirten die Studenten und riefen:
„Tsing pu lehau jin!" zu Deutsch: „Donner-
wetter, ist das famos, besser hätten wir es
uns gar nicht wünschen können!" Und sie
nahmen sich vor, nach fünf Jahren abermals
einige Fremde zu massakriren, damit die
Examina allmählich gänzlich abgeschafft
würden.
*
Ein chinesischer Prinz Namens Flo-Fang
war von unbändiger Reiselust erfüllt. Be-
LUSTIGE BLÄTTER.

en.
sonders wollte er Berlin sehen, die Stadt
seiner Träume. Aber der Hof erlaubte es
nicht, denn das Staatsgrundgesetz bestimmt,
dass die Prinzen in der heiligen Stadt bleiben
müssen. Dort also vertrauerte Flo - Fang
seine Jugend, ohne seinen heissesten Wunsch
erfüllen zu können. Mit der Zeit ging seine
Trauer in Wuth über, und da er diese nicht
an dem Hof auslassen durfte, so organisirte
er Boxerbanden u. s. w., siehe oben, bis er
in den „unwiderruflichen Bedingungen" der
Mächte den wichtigen Paragraphen fand:
„Ein chinesischer Prinz soll nach
Berlin gesandt werden!"
Das war er! Flo-Fang selber! Er schoss
vor Freude Kobolz und jauchzte: „Tsang je hu!"
zu Deutsch: „Es ist erreicht!" Und er nahm
sich vor, noch weitere Boxerbanden zu or-
ganisiren, damit er später einmal auch Paris
und London zu sehen bekäme. —
Und das war die Rache der Grossmächte.

No. 2
 
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