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„Versuchsweis e."
Posteleve: Hier ist ein viereckiges kartenartiges
Blatt eingelaufen, es sieht aus wie eine Postkarte, trägt
aber nicht den Aufdruck „Postkarte", was soll damit
geschehen?
Postassistent: Lassen Sie sich belehren, junger
Mann. Solche Karten, bei denen die Aufschrift fehlte
waren bisher nicht zulässig. Nun ist aber dieser Tage
eine Verfügung von oben gekommen, dass derartige
Karten versuchsweise wie andere Postkarten behandelt
werden sollen. Also versuchen Sie es!
Posteleve: Ich werde mir Mühe geben und zu-
nächst einmal versuchen, ob sich diese merkwürdige Karte
abstempeln lässt.
Postassistent: Nun?
Posteleve: Wahrhaftig, sie lässt sich stempeln,
ganz wie jede andere Karte. Der Farbstoff haftet.
Postassistent: Ist die Karte, mitderSiehantiren
deutlich adressirt?
Posteleve: Vollkommen deutlich.
Postassistent: Dann versuchen Sie jetzt, die
Karte einem Briefträger zu übergeben. Vielleicht glückt
das. Riskirt muss es auf alle Fälle werden.
Posteleve: Sie, Briefträger . . .
Briefträger: Möchten Sie nicht versuchsweise
Herr Briefträger zu mir sagen?
Posteleve: Also, Herr Briefträger, probiren Sie
einmal, ob Sie es fertig kriegen, diese Karte — bei der
die Aufschrift „Postkarte" fehlt, die aber im Uebrigen
tadellos abgefasst ist, dem Adressaten zuzustellen. Wird
Ihnen das nicht zu schwer sein?
Briefträger: Ach Unsinn! Ob so eine Karte
oder so eine Karte is mir janz Wurscht. Ick trage se
eben aus und basta. Jeben Se man her!
(Nach einer Stunde.)
Postassistent: Nun,wie ist dieAffäreausgegangen.
Hat der Adressat die Karte versuchsweise angenommen?
Ja? inderThat? Heil uns! Heil Seiner Excellenz! Der
schwere Versuch ist gelungen! m.
Vom Sinne des Lebens.
In Leipzig wurde eine Broschüre Leo Tolstois be-
schlagnahmt, die sich betitelt: „Der Sinn des Lebens."
Es giebt traurige, kenntnisslose Gesellen, die dem
pflichtgetreuen Leipziger Staatsanwalt solches Vorgehen
übelnehmen und ihre Missstimmung damit begründen,
dass man den einzigen Mann, der diese immer noch nicht
unaktuelle Frage gelöst hat, hätte ausreden lassen sollen.
Diese kümmerlichen Nörgler ein für allemal abzu-
thun, haben wir den Herrn Staatsanwalt in Leipzig selbst
gebeten, uns seine Auffassung der Sache mitzutheilen.
Der hochverdiente Justizbeamte hat uns das Nachfolgende
geantwortet:
Auf Ew. Wohlgeboren Geehrtes vom Gestrigen
bemerke ich: dass für das Deutsche Reich der Sinn des
Lebens seit und durch Erscheinen des Neuen Bürgerlichen
Gesetzbuches endgültig als gelöst zu betrachten ist. Die
Bürgerpflichten sind darin erschöpfend dargelegt und
bedürfen keinerlei Auslegung durch unbekannte und
juristisch nicht vorgebildete Ausländer. Sollte aber die
vorschriftsmässige Auffassung vom Sinn des Lebens —
wie einige Rechtslehrer behaupten — unter den Begriff
der Staatsgeheimnisse fallen (indem nämlich nur die
leitenden Stellen befugt sind, darüber nachzudenken und
die Entscheidung zu formuliren), so käme gegen den Ver-
fasser des confiscirten „Sinnes des Lebens" der
Paragraph 92 Absatz 1 des „Strafgesetzbuches für das
Deutsche Reich" in Anwendung: „Wer vorsätzlich Staats-
geheimnisse oder solche Urkunden, von denen er weiss,
dass ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegen-
über für das Wohl des Deutschen Reiches oder eines
Bundesstaats erforderlich ist, dieser Regierung mittheilt
oder öffentlich bekannt macht, wird mit Zuchthaus
nicht unter zwei Jahren bestraft."


frohes erdgmss.

Serenissimus: 3ch,Heber Kindermann,Slewlsaenja, Serenlastma
-na also 81c hönnen uns wobt eine Hmme besorgen, aber bitte nicht
ao eine unanständige peraon, die schon ein Kind hat!

No. 48.

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