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Was Weihnachten kostet.
Sie fragen mich, was Weihnachten kostet,
junger Mann, was es einen Familienvater
kostet? Ja, sehen Sie, im Voraus kann
man das nie sagen. Denn was man so ein-
kauft und sich schenkt, das sind so die
„eigentlichen" Kosten nicht, die kommen
erst nachher. Ein Mathematiker kann den
Inhalt eines Dreiecks berechnen, wenn er
eine der Seiten und zwei Winkel kennt. Der
Astronom kann den Flug eines Planeten er-
staunlich genau berechnen. Aber ein Familien-
vater kann niemals berechnen, was ihn —
Weihnachten kostet.
Nehmen wir ein Beispiel. Meine Familie
besteht aus mir, meiner Frau Klotilde, meinem
zehnjährigen Töchterchen Tilly und meinem
neunjährigen Sohne Franz. Ferner gehörte
zum Hausstand ein Mädchen für Alles:
Anna, die dreissig Jahre alt, sehr hässlich,
wenig liebenswürdig, aber eine vorzügliche
Köchin war; die erste Köchin in elfjähriger
Ehe, die wirklich auch — kochen konnte.
Ferner hatten wir am heiligen Abend einen
Gast, einen armen Verwandten meiner Frau,
den Vetter Karl, der draussen in einem
Vorort die Gärtnerei erlernte. Schön.
Für meine Frau hatte ich ein seidenes
Kleid bestimmt und selbst ausgesucht. Das
kostete 150 Mk. Tilly bekam eine Puppen-
stube mit heizbarem Herd für 18 Mk. Für
Franz war ein Aquarium mi
Goldfischen und Wasser-
pflanzen bestimmt, das er sich
innigst gewünscht hatte
Kostenpunkt 12 Mk. Vetter
Karl war mit einer Aufmerk-
samkeit zu bedenken. Wir
wählten einen Regenschirm,
der 18 Mark kostete. Und für
Anna, das Mädchen ... Ja,
sehn Sie, die hatte meiner
Frau in all der Deutlichkeit
die solchem zarten Wesen eigen
zu sein pflegt, zu verstehen
gegeben, dass ihr gerade noch
40 Mk. an „rund 400 Thalern''
fehlten, die sie sich schon
erspart. Und da sie nun gar
so gut kochte — es war die
Erste, der meine Frau nicht
ewig zu helfen oder auf die
Finger zu sehen brauchte! —
so beschlossen wir seufzend,
ihr die vier Goldstückchen in
ein Portemonnaie von Wert-
heim zu legen und sie so „an
unser Haus zu fesseln".
Nehmen Sie nun noch
Baum, Lichter, Konfekt, drei
Flaschen Festwein, alles zu-
sammen etwa mit 20 Mk. an-
gesetzt, so finden Sie, dass
mich das Fest ungefähr 258 Mk.
kostete. „Ungefähr!" Ja, Prost
Mahlzeit.
A.uf das seidene Kleid
meiner Frau tropfte vom Christ-
baum das rothe Wachs. Ich
hatte mir Umtausch Vorbe-
halten. Sie ging am nächsten
Tag, es umzutauschen. Aber
mit den rothen Wachsflecken
wollten's die Herren nicht mehr
nehmen. Meine Frau — Sie

kennen sie ja! — wurde heftig. Sie nannte
das Geschäftsgebahren „unreell." Sie wollte
wohl „uncoulant" sagen; aber sie sagte
„unreell"; wie später fünfzehn Zeugen
beschworen. Es kam zu einem bösen Auf-
tritt. Man complimentirte sie sehr rasch
hinaus und warf ihr das Kleid mit den rothen
Wachsflecken nach . . . Ihr Schirm wurde
im dem Gedränge zerbrochen; ihre Lorg-
nette ging verloren. Auch der Beleidigungs-
prozess, der folgte. Sie wurde zu fünfzig
Mark Strafe verurtheilt und in die Kosten.
Zusammen 100 Mk. Dazu eine Lorgnette
28 Mk., ein feiner Schirm 16 Mk., ein neues
seidenes Kleid 150 Mk.
Der Puppenherd meiner Tilly setzte
bei seinem ersten Debüt die Gardinen in
Brand. Bis die Feuerwehr kam, war der
kleine Brand zwar schon gelöscht. Immer-
hin kostete mich dieser Schreck ein paar
neue Gardinen Mk. 30,—, fünf Flaschen
Wein für den umsonst allarmirten Löschzug
Mk. 6,—, ein Trinkgeld von 3 Mk. für den
Portier, der ganz unnöthiger Weise allarmirt
und mir dann beim Löschen „geholfen"
hatte, wobei er das Wasser hauptsächlich —
„um vorzubeugen" — auf die Möbel goss,
die gar nicht brannten, aber alsbald über-
zogen werden mussten. Das kostete60Mk. etc.
Das Aquarium meines Jungen war in
der zweiten Nacht total ausgelaufen. Es

erwies sich als „undicht". Die Fische todt
auf dem trocknen Sand. Der Teppich unter
dem Tischchen, auf dem das Unglücksbassin
stand, total ruinirt. Kostenpunkt Mk. 32,—.
Vetter Karl aber hatte sich bei dem
Schrecken des Gardinenbrandes ein heftiges
Fieber zugezogen. Wir hielten uns für ver-
pflichtet, dem armen Teufel, der's doch
„nicht so hatte", ein um den andern Tag
unser Mädchen, eben die vorzüglich kochende
Anna, mit einem Töpfchen Taubensuppe,
oder einem Hühnchen in Reis, oder einem
schönen Ragout zu schicken. Als Anna,
unsere mit schweren pekuniären Opfern an
unser Haus gefesselte Perle, zum fünften
Mal beim Vetter war — hat sich der gemeine
Kerl — mit ihr verlobt. Er esse auch
gern gut, Hess er uns sagen.
Na, nun rechnen Sie sich gefälligst die
Kosten meines Festes selbst zusammen!
Vergessen Sie aber nicht zwölf Miethsthaler
— denn seit Anna „zog", haben wir an jedem
Ersten ein anderes Gesicht in der Küche
und einen schrecklichen Hundefrass auf
dem Tisch.
Vetter Karls Regenschirm aber haben
wir kürzlich zum zweiten Mal bezahlen
müssen, weil meine Frau im ersten Aerger
alle Papiere, die sie an die Verwandtschaft
mit dem ungetreuen Vetter errinnern konnten,
zerrissen hat. . . M. Sp.
Die Huldigung.
„Sagen Sie, bester Baron,
Ihr Sohn, der Dragoner, ist ja,
wie ich höre, unmittelbar nach
seinem Sturz beim Rennen
neulich von Serenissimus
decorirt worden?"
„Thatsache! Thatsache!
Mein Sohn ging bei der letzten
Runde gerade vor Loge
Serenissimi über den Kopf
und blieb einige Secunden in
eigenartiger Stellung liegen.
Serenissimus geruhten das für
den vielbesprochenen
Kotau zu halten und schickten
meinem Sohn das Verdienst-
kreuz für nachahmens-
werte Leistungen."


Et?amhpriain'a Mp.

„@3 ist ntc ein Vieh auf so humane 31etse geschlachtet wie
gerade dieses" — sagte Chambcrtain, da hat er setne meihnachts-
gans lebendig gebraten —.

Der Mäcen.
„Was nehmen Sie für ein
Miniaturportrait?"
„„1000 Mark.""
„Ich hatte auf 2000 ge-
rechnet . . . Na, dann malen
Sie mir das Portrait auf den
ersparten Tausendmarkschein."
Nach dem Abendessen.
„Ach, erzählen Sie uns
doch noch einige Ihrer amü-
santen Gedankensplitter, Herr
Assessor."
DerHerrAssessor: „Ja,
jetzt bin ich splitternackt, meine
Damen!"
Kollegenneid.
A: Ist denn der neue Lieb-
haber ein guter Schauspieler?
B: Er bildet das Talent
sich ein in der Stille!

No. 49.

LUSTiGE BLÄTTER

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