Ein amerikanisches Duell.
Noch nie zuvor war die Frage „Oü est
ia femme" mit grösserer Berechtigung auf-
getreten wie in diesem Falle. Sie war schön,
jung, Hebenswürdig, vermögend, kurzum sie
besass den ganzen Katalog der Vorzüge, die
der Erzähler braucht, um eine Dame ais
Streitobjekt zwischen zwei Kavalieren auf-
treten zu lassen. Diese waren zwei schneidige
Juristen und selbstverständlich Leutnants
der Reserve, bei denen sich merkwürdiger-
weise das Point d'honneur seit einiger Zeit
auf das Heirathsmotiv geworfen hatte. Egon
glaubte bei Lilli im Vortheil zu sein, dagegen
hielt sich Bruno unweigerlich für den
Begünstigten, und da es die schöne Dame
für zweckmässig hielt, sich von Beiden
gleichmässig umwerben zu lassen, so konnte
es nicht fehlen, dass zwischen den beiden
Schneidigen allmählig eine sehr polemische
Stimmung entbrannte. Es war
also in vorliegender Affaire nicht
der Bowlenrausch, sondern der
Liebesrausch, durch den die
ultima ratio des Duells noth-
wendig und unvermeidlich wurde.
Denn dass einer von Beiden zu
viel auf der Welt war, lag klar
am Tage, sintemalen sie in
einem so monogamen Staate wie
Preussen lebten und nicht daran
denken konnten, Lilli halbpart zu
heirathen.
Nur über die Form des Duells
konnten die zwei Kavaliere nicht
so schnell zu einem Resultate
gelangen. Säbelmensur? was
konnte dabei herauskommen, als
eine Abfuhr, die für den Ausgang
der Sache nicht das Mindeste be-
wies! Pistolenduell? Ebenso un-
zweckmässig, denn was sollte die
arme Lilli anfangen, wenn dieser
Zweikampf mit zwei Krüppeln
oder mit zwei Leichen endete? Es
wurde daher mit gutem Grunde
beschlossen, zu einem amerika-
nischen Duell zu schreiten, da
diese Form einzig und allein die
absolute Garantie dafür bietet, dass Einer
heil übrig bleibt, während sich der Andere
zu seinen Vätern versammelt.
Lfm die Form in vollem Umfang zu
wahren, wurde ein dritter, ganz kolossal
schneidiger Herr als Unparteiischer hinzu-
gezogen. Kurt war sowohl mit Egon als
mit Bruno befreundet, und zwar so innig,
dass er ohne Weiteres die Nothwendigkeit
begriff, einen von beiden aus der Liste der
Lebendigen zu streichen. In seine Hände
wurde also der ganze Ehrenhandel gelegt,
und man kam überein, am 1. Dezember
die Prozedur in seiner Wohnung steigen zu
lassen.
Es war ein feierlicher Moment, als sich
die drei Herren in den Salon begaben, der
mit seinem freundlichen Ameublement
eigentlich nicht den Eindruck einer Richtstätte
machte. Kurt, der Unparteiische, rollte zwei
Fauteuils herbei, lud zum Sitzen ein und
eröffnete die Ceremonie mit einer kurzen
Ansprache:
„Meine lieben Freunde! Ihr seid hier
zusammengekommen, um Euch von einem
vorläufig noch unbekannten Geschick durch
2 dividiren zu lassen. Um dies erstrebens-
werthe Ziel nicht zu verrücken, unterlasse
ich jeden Versöhnungsversuch. Testament
habt Ihr doch wohl gemacht?"
Gewiss! sagte Bruno.
Natürlich! bekräftigte Egon, wir sind
ja Juristen.
Sehr gut! fuhr der Unparteiische fort;
dann können wir also zum Werke schreiten.
Auf dieser silbernen Schale liegen, wie Ihr
seht, zwei Cigaretten. Die eine davon habe
ich mit Cyankali imprägnirt, und derjenige,
der sie aufraucht, wird nach wenigen Minuten
aller irdischen Sorgen enthoben sein. Ich
bitte nunmehr, zu wählen.
Die Freunde zögerten.
Nur zugegriffen! ermunterte der Un-
parteiische. Die vergiftete Cigarette schmeckt
zwar abscheulich, die andere dafür um so
besser, und schliesslich ist ja alles im Leben
Glücksache.
Da meldete sich Egon zum Wort: Lieber
Kurt, die Sache hat einen Haken: ich bin
nämlich Nichtraucher. Mein Gegner übrigens
auch, soviel ich weiss.
Bruno bestätigte dies, indem er hinzu-
fügte, dass er allerdings früher geraucht habe
aber neuerdings eines Halskatarrhs wegen
das Qualmen gänzlich unterlassen müsse.
Dann ergiebt sich freilich die Nothwendig-
keit, das amerikanische Duell zu modiHciren.
Wählen wir also eine andere Form! erklärte
der Unparteiische. Ich lege hier vor Jeden
von Euch ein Stück Zucker. Derjenige, auf
dessen Zucker sich zuerst eine Fliege setzt,
geht sofort nach Hause und erschiesst sich.
Einverstanden?
Die Zweikämpfer sahen sich im Zimmer
um, überlegten einige Sekunden und gaben
alsdann ihre Zustimmung.
Die Zuckerstücke lagen parat und harrten
der Fliege, die da kommen sollte. Aber
sie kam nicht.
Nach zehn Minuten äusserte Bruno: ich
bin der Meinung, dass es hier überhaupt
keine Fliegen giebt.
Das hängt mit der Saison zusammen,
sagte Egon. Wir befinden uns im Dezember
vor Beginn der warmen Jahreszeit ist also
eine Entscheidung auf dem Zuckerwege nicht
zu erwarten. Und das würde mir, ehrlich
gesagt, zu lange dauern.
Inwiefern? fragte Kurt.
Egon entgegnete: Weil wir absolut noch
heute wissen müssen, wem Fräulein Lilli
zufällt.
O, darüber braucht Ihr Euch keine Sorgen
weiter zu machen, beruhigte Kurt, Fräulein
Lilli kommt für Keinen von Euch in Betracht.
Woraus schliesst Du das? fragten die
Duellanten gleichzeitig.
Ich schliesse dies aus der
einfachen Thatsache, dass sie sich
gestern nach allen Regeln der
Kunst mit einem Dritten verlobt
hat; nämlich mit mir!
Wie! was! mit Dir? mit
unserm Unparteiischen? brauste
Bruno auf; und Egon ergänzte:
dann werden wir uns also mit Dir
zu schlagen haben.
Ist nach dem Ehrenkodex voll-
ständig ausgeschlossen, erklärte
Kurt; der Unparteiische darf nie-
mals gefordert werden. Hingegen
rechne ich fest darauf, Euch bei
meiner Hochzeit als Trauzeugen
zu begrüssen.
Und später als Hausfreunde!
fügte Bruno hinzu.
Das Programm wurde eingc-
halten. Der ganze Streitfall löste
sich in Harmonie auf, und die
beiden Zweikämpfer von ehemals
erschienen schon nach kurzer Zeit
bei dem jungen Gatten als die
Fliegen auf dem Zucker seines
ehelichen Glücks. Ein Beweis, dass
ein amerikanisches Duell in der
Regel nicht halb so gefährlich ist, als die
Leute gewöhnlich behaupten. m.
8
LUSTIGE BLÄTTER
No. 51.
Noch nie zuvor war die Frage „Oü est
ia femme" mit grösserer Berechtigung auf-
getreten wie in diesem Falle. Sie war schön,
jung, Hebenswürdig, vermögend, kurzum sie
besass den ganzen Katalog der Vorzüge, die
der Erzähler braucht, um eine Dame ais
Streitobjekt zwischen zwei Kavalieren auf-
treten zu lassen. Diese waren zwei schneidige
Juristen und selbstverständlich Leutnants
der Reserve, bei denen sich merkwürdiger-
weise das Point d'honneur seit einiger Zeit
auf das Heirathsmotiv geworfen hatte. Egon
glaubte bei Lilli im Vortheil zu sein, dagegen
hielt sich Bruno unweigerlich für den
Begünstigten, und da es die schöne Dame
für zweckmässig hielt, sich von Beiden
gleichmässig umwerben zu lassen, so konnte
es nicht fehlen, dass zwischen den beiden
Schneidigen allmählig eine sehr polemische
Stimmung entbrannte. Es war
also in vorliegender Affaire nicht
der Bowlenrausch, sondern der
Liebesrausch, durch den die
ultima ratio des Duells noth-
wendig und unvermeidlich wurde.
Denn dass einer von Beiden zu
viel auf der Welt war, lag klar
am Tage, sintemalen sie in
einem so monogamen Staate wie
Preussen lebten und nicht daran
denken konnten, Lilli halbpart zu
heirathen.
Nur über die Form des Duells
konnten die zwei Kavaliere nicht
so schnell zu einem Resultate
gelangen. Säbelmensur? was
konnte dabei herauskommen, als
eine Abfuhr, die für den Ausgang
der Sache nicht das Mindeste be-
wies! Pistolenduell? Ebenso un-
zweckmässig, denn was sollte die
arme Lilli anfangen, wenn dieser
Zweikampf mit zwei Krüppeln
oder mit zwei Leichen endete? Es
wurde daher mit gutem Grunde
beschlossen, zu einem amerika-
nischen Duell zu schreiten, da
diese Form einzig und allein die
absolute Garantie dafür bietet, dass Einer
heil übrig bleibt, während sich der Andere
zu seinen Vätern versammelt.
Lfm die Form in vollem Umfang zu
wahren, wurde ein dritter, ganz kolossal
schneidiger Herr als Unparteiischer hinzu-
gezogen. Kurt war sowohl mit Egon als
mit Bruno befreundet, und zwar so innig,
dass er ohne Weiteres die Nothwendigkeit
begriff, einen von beiden aus der Liste der
Lebendigen zu streichen. In seine Hände
wurde also der ganze Ehrenhandel gelegt,
und man kam überein, am 1. Dezember
die Prozedur in seiner Wohnung steigen zu
lassen.
Es war ein feierlicher Moment, als sich
die drei Herren in den Salon begaben, der
mit seinem freundlichen Ameublement
eigentlich nicht den Eindruck einer Richtstätte
machte. Kurt, der Unparteiische, rollte zwei
Fauteuils herbei, lud zum Sitzen ein und
eröffnete die Ceremonie mit einer kurzen
Ansprache:
„Meine lieben Freunde! Ihr seid hier
zusammengekommen, um Euch von einem
vorläufig noch unbekannten Geschick durch
2 dividiren zu lassen. Um dies erstrebens-
werthe Ziel nicht zu verrücken, unterlasse
ich jeden Versöhnungsversuch. Testament
habt Ihr doch wohl gemacht?"
Gewiss! sagte Bruno.
Natürlich! bekräftigte Egon, wir sind
ja Juristen.
Sehr gut! fuhr der Unparteiische fort;
dann können wir also zum Werke schreiten.
Auf dieser silbernen Schale liegen, wie Ihr
seht, zwei Cigaretten. Die eine davon habe
ich mit Cyankali imprägnirt, und derjenige,
der sie aufraucht, wird nach wenigen Minuten
aller irdischen Sorgen enthoben sein. Ich
bitte nunmehr, zu wählen.
Die Freunde zögerten.
Nur zugegriffen! ermunterte der Un-
parteiische. Die vergiftete Cigarette schmeckt
zwar abscheulich, die andere dafür um so
besser, und schliesslich ist ja alles im Leben
Glücksache.
Da meldete sich Egon zum Wort: Lieber
Kurt, die Sache hat einen Haken: ich bin
nämlich Nichtraucher. Mein Gegner übrigens
auch, soviel ich weiss.
Bruno bestätigte dies, indem er hinzu-
fügte, dass er allerdings früher geraucht habe
aber neuerdings eines Halskatarrhs wegen
das Qualmen gänzlich unterlassen müsse.
Dann ergiebt sich freilich die Nothwendig-
keit, das amerikanische Duell zu modiHciren.
Wählen wir also eine andere Form! erklärte
der Unparteiische. Ich lege hier vor Jeden
von Euch ein Stück Zucker. Derjenige, auf
dessen Zucker sich zuerst eine Fliege setzt,
geht sofort nach Hause und erschiesst sich.
Einverstanden?
Die Zweikämpfer sahen sich im Zimmer
um, überlegten einige Sekunden und gaben
alsdann ihre Zustimmung.
Die Zuckerstücke lagen parat und harrten
der Fliege, die da kommen sollte. Aber
sie kam nicht.
Nach zehn Minuten äusserte Bruno: ich
bin der Meinung, dass es hier überhaupt
keine Fliegen giebt.
Das hängt mit der Saison zusammen,
sagte Egon. Wir befinden uns im Dezember
vor Beginn der warmen Jahreszeit ist also
eine Entscheidung auf dem Zuckerwege nicht
zu erwarten. Und das würde mir, ehrlich
gesagt, zu lange dauern.
Inwiefern? fragte Kurt.
Egon entgegnete: Weil wir absolut noch
heute wissen müssen, wem Fräulein Lilli
zufällt.
O, darüber braucht Ihr Euch keine Sorgen
weiter zu machen, beruhigte Kurt, Fräulein
Lilli kommt für Keinen von Euch in Betracht.
Woraus schliesst Du das? fragten die
Duellanten gleichzeitig.
Ich schliesse dies aus der
einfachen Thatsache, dass sie sich
gestern nach allen Regeln der
Kunst mit einem Dritten verlobt
hat; nämlich mit mir!
Wie! was! mit Dir? mit
unserm Unparteiischen? brauste
Bruno auf; und Egon ergänzte:
dann werden wir uns also mit Dir
zu schlagen haben.
Ist nach dem Ehrenkodex voll-
ständig ausgeschlossen, erklärte
Kurt; der Unparteiische darf nie-
mals gefordert werden. Hingegen
rechne ich fest darauf, Euch bei
meiner Hochzeit als Trauzeugen
zu begrüssen.
Und später als Hausfreunde!
fügte Bruno hinzu.
Das Programm wurde eingc-
halten. Der ganze Streitfall löste
sich in Harmonie auf, und die
beiden Zweikämpfer von ehemals
erschienen schon nach kurzer Zeit
bei dem jungen Gatten als die
Fliegen auf dem Zucker seines
ehelichen Glücks. Ein Beweis, dass
ein amerikanisches Duell in der
Regel nicht halb so gefährlich ist, als die
Leute gewöhnlich behaupten. m.
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No. 51.