Der alte Junggeselle.
Vor dreissig Jahren! Gerade heute, an
seinemGeburtstage,vordreissig langen Jahren!
Er sass am offenen Fenster in seiner
einsamen Wohnung und starrte trübe in den
Sommerabend hinaus, und dann wieder herab
auf das Erinnerungszeichen aus längst ver-
gangner Zeit, das er in seiner Hand hielt.
Es war ein billiger, altmodischer Tabaks-
beutel — aber das Ding hatte sein ganzes
Leben verbittert. Instinktiv krallten sich
seine Finger in das morsche Leder ein. Die
Erinnerung an jene Nacht erwachte mit einer
Klarheit, als sei es Alles erst gestern passirt.
Dann lächelte er plötzlich. Er liebte es
ja noch, das Bild seiner Braut — seiner
einstigen Braut!
Ein ganz sinnloser kleiner Streit war
es nur gewesen, und sie hatten beide ge-
schmollt. Endlich ward es ihm leid, und als
Friedensopfer sandte er ihr einen prachtvollen
Rosenstrauss, mit einem Briefe, einem leiden-
schaftlichen, inbrünstigen Briefe, der sie
um Verzeihung bat, der ihr ewige Treue und
Liebe schwor, ihr, seiner Göttin, seinem All!
Und die Antwort war eben dies gewesen
— ein gewöhnlicher Tabaksbeutel mit der
geschmacklos gestickten Inschrift: „Jung-
gesellentrost."
Er hatte ihre Ironie verstanden und das
Geschenk mit einem Fluch in die Ecke ge-
worfen, wo jedenfalls das Dienstmädchen es
gefunden und irgendwo weggelegt hatte.
Dann war er auf Reisen gegangen und hatte
sie nie wieder gesehen.
Und nun, nach dreissig Jahren, war ihm
der alte Beutel wieder in die Hände gerathen,
gerade an dem Todestage seiner Jugendliebe.
Er starrte lange in die dunkelnde Gluth des
westlichen Himmels, und nach und nach
löste sich sein Herz inWehmuth. Mechanisch
drehte und zupfte er an den verschossenen
Seidensträngen, und der Beutel öffnete sich.
Da, in den inneren Falten versteckt, lag ein
beschriebenes Stück Papier!
Mit zitternden Fingern zog er es heraus
und beeilte sich, die Lampe anzuzünden.
Mit nervöser Hast setzte er den Kneifer auf
und glättete das vergilbte, winzige Dokument
auf der Tischplatte aus. Einige Sekunden
lang konnte er garnicht sehen, denn schwere
Thränen waren ihm in die Augen getreten
und seine Hand bebte vor Aufregung.
Dann aber kämpfte er seine Erregung
gewaltsam nieder und buchstabirte mühsam
die feine, kaum leserliche Schrift: „Garan-
tie echtes Hundsleder — Mk. 3.75!" szotek.
Da5 Voth sind wir! (Rm36üffct&es1Rcidbstag$.)
„Sehen Sie, Heber Kollege, das mit dem Rungergespenst, das sind Hebertreibungen, damit senden die
Freihändler nur Ihrer eigenen Sache. Meines 6rachtene ernährt man eich in Deutschland reichlich und gut.'
No 51. LUSTIGE BLÄTTER
Vor dreissig Jahren! Gerade heute, an
seinemGeburtstage,vordreissig langen Jahren!
Er sass am offenen Fenster in seiner
einsamen Wohnung und starrte trübe in den
Sommerabend hinaus, und dann wieder herab
auf das Erinnerungszeichen aus längst ver-
gangner Zeit, das er in seiner Hand hielt.
Es war ein billiger, altmodischer Tabaks-
beutel — aber das Ding hatte sein ganzes
Leben verbittert. Instinktiv krallten sich
seine Finger in das morsche Leder ein. Die
Erinnerung an jene Nacht erwachte mit einer
Klarheit, als sei es Alles erst gestern passirt.
Dann lächelte er plötzlich. Er liebte es
ja noch, das Bild seiner Braut — seiner
einstigen Braut!
Ein ganz sinnloser kleiner Streit war
es nur gewesen, und sie hatten beide ge-
schmollt. Endlich ward es ihm leid, und als
Friedensopfer sandte er ihr einen prachtvollen
Rosenstrauss, mit einem Briefe, einem leiden-
schaftlichen, inbrünstigen Briefe, der sie
um Verzeihung bat, der ihr ewige Treue und
Liebe schwor, ihr, seiner Göttin, seinem All!
Und die Antwort war eben dies gewesen
— ein gewöhnlicher Tabaksbeutel mit der
geschmacklos gestickten Inschrift: „Jung-
gesellentrost."
Er hatte ihre Ironie verstanden und das
Geschenk mit einem Fluch in die Ecke ge-
worfen, wo jedenfalls das Dienstmädchen es
gefunden und irgendwo weggelegt hatte.
Dann war er auf Reisen gegangen und hatte
sie nie wieder gesehen.
Und nun, nach dreissig Jahren, war ihm
der alte Beutel wieder in die Hände gerathen,
gerade an dem Todestage seiner Jugendliebe.
Er starrte lange in die dunkelnde Gluth des
westlichen Himmels, und nach und nach
löste sich sein Herz inWehmuth. Mechanisch
drehte und zupfte er an den verschossenen
Seidensträngen, und der Beutel öffnete sich.
Da, in den inneren Falten versteckt, lag ein
beschriebenes Stück Papier!
Mit zitternden Fingern zog er es heraus
und beeilte sich, die Lampe anzuzünden.
Mit nervöser Hast setzte er den Kneifer auf
und glättete das vergilbte, winzige Dokument
auf der Tischplatte aus. Einige Sekunden
lang konnte er garnicht sehen, denn schwere
Thränen waren ihm in die Augen getreten
und seine Hand bebte vor Aufregung.
Dann aber kämpfte er seine Erregung
gewaltsam nieder und buchstabirte mühsam
die feine, kaum leserliche Schrift: „Garan-
tie echtes Hundsleder — Mk. 3.75!" szotek.
Da5 Voth sind wir! (Rm36üffct&es1Rcidbstag$.)
„Sehen Sie, Heber Kollege, das mit dem Rungergespenst, das sind Hebertreibungen, damit senden die
Freihändler nur Ihrer eigenen Sache. Meines 6rachtene ernährt man eich in Deutschland reichlich und gut.'
No 51. LUSTIGE BLÄTTER