□ Von Richard Dehme!. □
ch danke dir, Bildhauer, dass
du dich
für deinen fürsten noch bemühn
willst; bitte,
nimm Platz! — Du roeisst, ich bin der
Krone müde,
zu lleujahr geb ich sie dem Volk zurück;
es mag oersuchen, selbst sich zu be-
herrschen,
mir ist es teils zu reif und teils zu schlecht,
mein Hingang aber soll mein Volk und mich
noch einmal in beglückter Ehrfurcht einen
und unsern Enkeln eine Ehrfurcht bleiben
durch ein Geschenk fürstlicher ITlenschen-
dazu entbot ich dich. [liebe;
Ich toeiss, dich drängt dein grosses
Eebenswerk:
„der deutsche michel, aus dem Schlaf
erroachend“ —
ich danke dir, dass mein Gesuch dir
oorgeht.
So höre, voas ich ausgesonnen habe, ,
du bist der Einzige, der es schaffen kann:
ein Denkmal für Herrn Heinrich Heine.
Erlaube, dass ich uns das fenster öffne;
der ITlärzgeruch der Grossstadt tut mir
coohl.
Dort auf dem Platze uor der Kathedrale
möcht’ ich das Denkmal aufgerichtet sehn,
mitten im Kranz der landen.
Da soll er sitzen, roie er innerst toar,
der kranke tude und der grosse Künstler,
der unsre JTlutfersprache mächtiger sprach
als alle deutschen müllers oder Schulzens.
Verziere reich mit Gold den Krankenstuhl,
bunt soll das Denkmal sein, ein Schmaus
den Sinnen!
Sussdecke, Rock, Symbole, alles Beitoerk
soll sich in dunklen Tönen unterhalten,
oon ungewissen Eichtern überlacht;
aus dem gedämpften Rot und Grün der
Bronzen,
aus Porphyr, Syenit, Basalt und Eaoa
soll marmorklar nur sein Gesicht her-
leuchten
und seine blassen Dichterhände.
Und rück ihn nicht zu hoch oom Boden weg,
nicht in die Euft, damit ihm Volk und Erde
treu bleiben, roie es grossen Künstlern
lieb ist.
flur eine einzige Stufe oon Granit,
in mächtigem Geoiert, gib ihm als Sockel,
dass man sein fächeln deutlich sehen kann,
dies müde fächeln des getauften luden,
mit dem er sich nach neuer fiebe sehnt,
dies bittre fächeln, das zu sagen scheint:
0 moses, du gefällst mir nicht,
du bist mir überflüssig,
und dein oergrämtes Angesicht
ist längst mir überdrüssig.
Zu seinen füssen aber lass —nein, so:
in seine finke gib ihm einen Stock
und eine himmelblaue Schellenkappe!
Und links zu füssen des getauften luden,
den Stock beschnüffelnd und beblinzelnd,
hockt,
ich schlage oor aus rheinischem Eisenquarz,
ein fettes Schwein, das echte deutsche
Hausschroein.
ITlach mir dies Schwein ja wahrhaft
wahr und schön,
mie’s dieser grosse Künstler wert ist; und
oergiss mir auch die Borsten nicht!
Doch rechts zu füssen dieses grossen
Künstlers
lass einen flügelstolzen Greifen liegen,
mager, die Geiernase möglichst krumm,
den edeln Pantherleib zum Sprung gereckt,
Ich sehe, wie des Dichters blasse Rechte
liebkosend nach dem stählern hoch-
geschwungnen,
dem nordseegrauen flügelpaar hintastet;
ich sehe seinen meerblau stillen Blick,
die dunkeln Amethysten der Pupillen,
in sich gekehrt, heimkehrend aus der ferne,
er träumt ein fied.
Ueber die finstern furchen der flordsee,
über die fliehenden Schäume her
sieht er ihn kommen,
seinen Ahnherrn Ahasoer,
er sucht den lllessias.
Der Wind jagt seinen Bart,
morgendlich funkelt ein Strand;
seit Jahrtausenden so, der arme Alte,
sucht er den Tod.
Plötzlich sprühn ihm alle Wellen Eicht:
fern am Strand steht Einer, der reckt sich,
jünglingskeck, und blickt und lacht,
lacht in die Sonne:
der deutsche michel aus dem Schlaf
Und Ahasoer schreit auf, [erwacht,
dass sein Schrei die möoen uor ihm
herschreckt
über das leuchtend spritzende Wasser,
und ans fand stürzt er und bricht
und Jahrtausende schluchzen [zusammen,
dem erstaunten michel ins dumme Herz:
Plein Heiland Du,
mein heimlich erstandener Herr Israels!
Hinten aber auf den Dünen sitzt,
mit oerwunderten Alienen, [wartend,
den Sonnenaufgang nach der Uhr er-
das oersammelte deutsche Publikum,
Ehristen-und-Judenpöbel,
und jemand sagt:
Ja, Herr Geheimraf oon Schulde,
daoon ahnten wir nichts! —
So bilde mir, mein freund, den Blick des
Dichters.
fass, Kleister, des Hellenen freie Kraft,
lass auch des alten Inders freie Inbrunst,
lass des Germanen freie Eeidenschaft
als sieche Sehnsucht drin entdeckbar sein,
siech durch die stete Knechtschaft Jsraels.
Doch hinter seinen goldnen Krankenstuhl
stell auf die rechte Seite einen Greis,
ärmlich, ins Knie gesunken, arbeits-
krüpplig,
der einem Enkel eine Krone aufsetzt
und seine marmorn blühende flacktheit
nimm meine Krone als ITlodell 1 [segnet;
Einks aber hinter seinen Krankenstuhl,
das Schwein des Vordergrundes über-
ragend,
setz auf die Sockelsfufe eine Jungfrau,
im myrfenkranz, im Silberschleier,
bräutlich,
so bräutlich, wie es nur der Deutsche
träumt,
die soll nachsichtig einem Affen wehren,
der grinsend, mit unzüchtiger Gebärde,
dem Dichter in den Rücken glotjt.
mach mir den Affen ja schön wahr
und schön,
wies dieses grossen Künstlers würdig istl
dann gib ihm braune Augen, wie dem
Greise,
dem Knaben aber und der Jungfrau blaue,
wie sie der grosse Künstler selber hatte,
doch so oon dir, Bildhauer, deutsch
oerklärt,
dass ich den kranken Dichter stammeln
0 Venus, alte frau Sünderin, [höre;
oerneige dich der Reinen,
o könnt ich noch mit Kindersinn
zu ihren füssen meinen! —
So, freund und Herr, möcht’ ich das
Denkmal haben.
So, Kleister, bis ins Kleinste lebensgross
das Einzelne; das Ganze aber so,
dass uns der Schauder ängstigt und
beglückt
Vor unsrer menschlichen Tiergöttlichkeit.
Dann um das alles, wie um einen friedhof,
zieh mir ein schmiedeeisern Gittermerk
oon hohen Eilien, deren Blütenköpfe
ein Dornenkranzgeminde eint.
Und eile dich mit deiner Arbeit, freund I
Schon weil dein grosses febenswerk
• , dich drängt,
„der deutsche michel, aus dem Schlaf
erwachend“;
sonst schilt mich noch das deutsche
Publikum.
nimm dir Gehilfen nach Belieben! Horch,
der märzsturm braust oom Turm der
Kathedrale;
wenn der Dezemberreif die finden
schmückt,
möcht ich das Werk oollendet sehn, ich mill’s
dem deutschen Volk zu Weihnachten
Eeb wohl, mein Künstler! — [bescheren.
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JJAEMEN