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An die Tochter der Le da.
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TTomer, der alte, blinde Welse,
J, 1 Erzählt, wie einst im Troer-Staat,
In die Versammlung würd'ger Greise
Frau Helena, die Fürstin, trat.
Und plötzlich sank ein tiefes Schweigen,
Wo just das Wort wie Stahl gesprüht;
Und all' die Silberhäupter neigen
Sich tief, und jedes Auge glüht.
Und alle küssen ihre Hände —
Beim Zeus, wie war sie schlank und jungt
Und die Beratung war zu Ende
Und starb in froher Huldigung.
0 Helena, seit tausend Jahren
Ruh'st du in Spartas Grüften aus.
Den Mohnkranz in den lock'gen Haaren,
Zur Seit' dem tapfern Menelaus.
0, schieb' hinweg die Marmelsteine
Noch einmal mit der kleinen Hand,
Am Gürtel helle Edelsteine
Und dunkle Rosen im Gewand,
So tritt wie damals, stolz und leise,
Ein Siegeslächeln um den Mund,
In unsern Rat der Tapergreise
Und mach' die kranke Zeit gesund!
Und zeig' als Siegespreis den Jungen
Die Rose nur aus deinem Kranz,

Dein Lächeln nur, um das gerungen
Die Mannesblüte Griechenlands.
Schon schwillt's in dumpfen Kampf-
getösen —
Schild prallt an Schild und Schwert an
Schwert.
Wer ist, den Gürtel dir zu lösen,
0 Ledatochter, heute wert?
Wer wird den Mund als Sieger s£nken
Auf deine Lippen, rot und heiss;
Wem wird dich Aphrodite schenken
Als Dank für ihren Ida-Preis?
Aus Dämmerwinkeln heisser Stuben
Schleicht das heut heimlich — Not und
Schmach! —
Und tappt dem Wink geschminkter Buben
Im Park auf dunklen Wegen nach.
Und will sich ängsten, will sich schämen
In Maiennächten, hell und klar.
Ein Mädel in den Arm zu nehmen,
Wie's tapf'rer Ahnen Sitte war;
Und drückt sich in die Ecken zage,
Kommt, schwellend in der Jugend
Pracht,
Was Gott am sechsten Schöpfungstage
Sich für den Adam ausgedacht . . *

Lass uns an deinem Bild gesunden,
Wie's der Hellene uns gezeigt;
Dass aus der Liebe heissen Stunden
Die Schönheit und die Weisheit steigt;
Dass aus dem Schatze, nie ergründet,
Uns winkt der Sängerkranz des Ruhms
Und sich der Jugend Kraft entzündet
Am Feuer deines Heiligtums;
Dass uns begleitet wie ein süsses
Erinnern ohne Unterlass,
Der Märchenlenz des Paradieses,
Der Heldentraum der Ilias!
0, lehr' uns uns're Kraft zu nützen,
Wo Hass die roten Fahnen hisst,
Dass wir dein holdes Haupt be-
schützen,
Die du in Schwachheit mächtig bist.
Vom kranken Wahn uns zu befreien,
Zeig' uns des Preises wert die Müh'n,
Lass aus des Alltags Wüsteneien
Die Rosen deiner Anmut blüh'n.
Lass alles köstlich uns zu eigen,
Was Liebe wagt und Liebe litt.
Auf dass die Greise tief sich neigen,
Wenn Helena den Saal betritt!
R. P.

No. 49
 
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