entbehrt. Zu einer ihm an drastischer Wirkung
äquivalenten Kraft hat sich Ernst Stern entwickelt.
Sem Griffel scheint von einem Explosionszünder be-
flügelt, aber m dem raschen Schwung’ seiner Linien
steckt immense Gestaltungskraft, scharfe Beobachtung’ und
em wuchtiges, den Kern des Gegenstandes erfassendes
Zupacken. W. A. Well ner ist
der geborene Humorist auf dem
Gebiete der exotischen Parodien
und der klembürg’lichen Typen.
Zwei scheinbar so exzentrische
Kreise wie deutscher Mittelstand
und groteske Abenteuerlichkeit in
wilden Fernen liegen seinem auf
drolligen Umrissen dahmgleitenden
Stift gleich gut. Kann er auf diesen
Gebieten als köstliche Spezialität
gerühmt werden, so umfaßt er doch
mit seiner Begabung eigentlich
alles, was überhaupt einem Zeichner
zugemutet werden darf, und Versager kommen bei
ihm nicht vor.
W. A. Wellner.
LP’er Blätter“
Das Leb en der oberen Zehntausend und der vie
pnvee der ganz obersten Fünfhundert
bilden die Domäne
des Meisters Ernst Heilemann,
an den als Erfinder markanter
Typen des high life vielleicht nur
Thöny und im Punkte der Eleganz
seit Rezniceks Hmscheiden kein
Lebender heranreicht. Der unifor-
mierte Junker, die Salonschlange,
der üppige Backfisch, der Löwe
des Parketts, die Badedame, die
Kurtisane, kurz alle Figuren, die
den genießenden Teil der Mensch-
heit darstellen, sind Heilemann
tributär geworden; aus ihnen hat er m unzähligen
Schlagern eine künstlerische Welt aufgebaut, m der man
sich nicht langweilt.
Sem Antipode ist Zille. Um die Kreise, die im
Zeichen des Claque, Frack und Lack stehen, kümmert
er sich nicht, und seine Figuren duften nicht nach
Patschuli. Im polaren Gegensatz zu Heilemann sucht er
seine Stoffe auf der Schattenseite des großstädtischen
Lebens; hier hat er künstlerisches Neuland, den Nordpol
des Daseins entdeckt und das Sternenbanner seiner eigenen
realistischen Malweise aufgepflanzt.
B. G estwicki, em Ganzmoderner, versteht es, mit
seinen Linien nicht nur die Körperlichkeit der Frau,
sondern das unter der Oberfläche zuckende Fluidum
nervöser ÄVeiblichkeit zu erfassen. Durch plastische
Gesichtsmodellierung, herben Humor m Umnßlmien
und energische Flächenwirkung zeichnen sich die
Arbeiten des Amerikaners Lionel Feinmger aus.
Mehrere Jahrgänge unseres Blattes erhalten eine beson-
dere Prägung durch die mit trotzigem Eigenwillen be-
tonten Schöpfungen Gmo v. Fmetti’s; er ist ein Künstler
von unverkennbarer Eigenart, der mit genialischer Initiative
auf schwierigen Seitenpfaden einem oft grimmigen und
düsteren Humor neues Terram eroberte. Aber auch
das Weltmännische, Elegante weiß er mit gleicher Sicher-
heit vorzutragen, wenn auch fast immer selbst in seinen
fröhlichen Akkorden em di ahoi ischer Unterton mitklingt.
Ich müßte die Liste bis ms Unabsehbare verlängern,
wollte ich sie alle mit Signalement und besonderen Kenn-
zeichen nennen, die mit ihrer Kunst unser Blatt ge-
schmückt haben. Zu kurz ist die Elle des Chronisten,
und so mögen sich alle, die hier nicht das gebührende Aus-
maß finden, mit den zahlreichen schriftstellerischen Kapa-
zitäten trösten, deren ich hier auch nur unter dem Sammel-
begriff ,,Etcetera etcetera“ zu gedenken vermag. Es
genüge festzustellen, daß ganz gewiß keine Provinz des
Humors existiert, die nickt von vorzüglichen Vertretern
für unser Blatt durchfurcht und beackert worden wäre.
Eine stattliche Zahl jener Autoren, die auf der Sonnen-
seite des deutschen Parnasses wohnen, hat m gelegent-
licher Mitarbeiterschaft den Weg zu unserer Redaktion
gefunden, die wiederum nach Kräften bemüht war, sich
von jeder schablonierten Engbegrenzung fernzuhalten. Von
dem weltschmerzlichen Humor, der unter Tränen lächelt,
bis zu den Ausbrüchen bierseligen Studentenulkes hat
alles „in den Ton unseres Blattes“ gepaßt und wird da
kmempassen, sofern es nur einer einzigen Prüfung stand-
hält: Talent muß dann stecken.
❖
Kemer unserer Zeichner ist von den Einflüssen der
,,Moderne“ unberührt geblieben, und es hat Zeiten ge-
geben, m denen die sezessionistische Willkür dem Blatt
eine gefährliche Orientierung zu geben drohte. Hier
hab en die natürlichen Lebensbedürfnisse des Organs von
innen heraus die notwendige Korrektur bewirkt. Eine
Zeitschrift, die den Tagesereignissen nachgeht, kann sich
von vornherein nicht auf eine bestimmte Geschmacks-
richtung emschwören und vor allem im Künstlerischen
nicht das Extrem bekennen. Hierzu wäre eine Kon-
tinuität erforderlich, die sich bei der Verpflichtung zwei-
undfünfzigmal im Jahre Neues, wenn möglich Über-
raschendes zu bieten, gar nicht emhalten läßt. Eine über-
aus große Menge von Bildthemen der Aktualität ver-
langt, wenn die Pointe überhaupt verstanden werden soll,
deutliche Gegenständlichkeit der Ausführung und stellt
somit an den Zeichner Auf gaben, die sich mit den Mitteln
des Symbolismus und anderer ganzmodernen —ismen nicht
lösen lassen. Andernfalls bleibt die Pointe irgendwo
stecken oder wird von irgendwelchen geheimnisvollen
Bildqualitäten bis zur Unkenntlichkeit überschattet. Hier
heißt es also eine mittlere Linie auffmden, der künst-
lerischen Gourmandise verfeinerter Leser Rechnung tragen
und dabei doch, im eigentlich satirischen Felde, klare
Farbe bekennen. Die Stilemheit unseres Blattes wird
schließlich durch die Fahne bestimmt, die ihm voraus-
äquivalenten Kraft hat sich Ernst Stern entwickelt.
Sem Griffel scheint von einem Explosionszünder be-
flügelt, aber m dem raschen Schwung’ seiner Linien
steckt immense Gestaltungskraft, scharfe Beobachtung’ und
em wuchtiges, den Kern des Gegenstandes erfassendes
Zupacken. W. A. Well ner ist
der geborene Humorist auf dem
Gebiete der exotischen Parodien
und der klembürg’lichen Typen.
Zwei scheinbar so exzentrische
Kreise wie deutscher Mittelstand
und groteske Abenteuerlichkeit in
wilden Fernen liegen seinem auf
drolligen Umrissen dahmgleitenden
Stift gleich gut. Kann er auf diesen
Gebieten als köstliche Spezialität
gerühmt werden, so umfaßt er doch
mit seiner Begabung eigentlich
alles, was überhaupt einem Zeichner
zugemutet werden darf, und Versager kommen bei
ihm nicht vor.
W. A. Wellner.
LP’er Blätter“
Das Leb en der oberen Zehntausend und der vie
pnvee der ganz obersten Fünfhundert
bilden die Domäne
des Meisters Ernst Heilemann,
an den als Erfinder markanter
Typen des high life vielleicht nur
Thöny und im Punkte der Eleganz
seit Rezniceks Hmscheiden kein
Lebender heranreicht. Der unifor-
mierte Junker, die Salonschlange,
der üppige Backfisch, der Löwe
des Parketts, die Badedame, die
Kurtisane, kurz alle Figuren, die
den genießenden Teil der Mensch-
heit darstellen, sind Heilemann
tributär geworden; aus ihnen hat er m unzähligen
Schlagern eine künstlerische Welt aufgebaut, m der man
sich nicht langweilt.
Sem Antipode ist Zille. Um die Kreise, die im
Zeichen des Claque, Frack und Lack stehen, kümmert
er sich nicht, und seine Figuren duften nicht nach
Patschuli. Im polaren Gegensatz zu Heilemann sucht er
seine Stoffe auf der Schattenseite des großstädtischen
Lebens; hier hat er künstlerisches Neuland, den Nordpol
des Daseins entdeckt und das Sternenbanner seiner eigenen
realistischen Malweise aufgepflanzt.
B. G estwicki, em Ganzmoderner, versteht es, mit
seinen Linien nicht nur die Körperlichkeit der Frau,
sondern das unter der Oberfläche zuckende Fluidum
nervöser ÄVeiblichkeit zu erfassen. Durch plastische
Gesichtsmodellierung, herben Humor m Umnßlmien
und energische Flächenwirkung zeichnen sich die
Arbeiten des Amerikaners Lionel Feinmger aus.
Mehrere Jahrgänge unseres Blattes erhalten eine beson-
dere Prägung durch die mit trotzigem Eigenwillen be-
tonten Schöpfungen Gmo v. Fmetti’s; er ist ein Künstler
von unverkennbarer Eigenart, der mit genialischer Initiative
auf schwierigen Seitenpfaden einem oft grimmigen und
düsteren Humor neues Terram eroberte. Aber auch
das Weltmännische, Elegante weiß er mit gleicher Sicher-
heit vorzutragen, wenn auch fast immer selbst in seinen
fröhlichen Akkorden em di ahoi ischer Unterton mitklingt.
Ich müßte die Liste bis ms Unabsehbare verlängern,
wollte ich sie alle mit Signalement und besonderen Kenn-
zeichen nennen, die mit ihrer Kunst unser Blatt ge-
schmückt haben. Zu kurz ist die Elle des Chronisten,
und so mögen sich alle, die hier nicht das gebührende Aus-
maß finden, mit den zahlreichen schriftstellerischen Kapa-
zitäten trösten, deren ich hier auch nur unter dem Sammel-
begriff ,,Etcetera etcetera“ zu gedenken vermag. Es
genüge festzustellen, daß ganz gewiß keine Provinz des
Humors existiert, die nickt von vorzüglichen Vertretern
für unser Blatt durchfurcht und beackert worden wäre.
Eine stattliche Zahl jener Autoren, die auf der Sonnen-
seite des deutschen Parnasses wohnen, hat m gelegent-
licher Mitarbeiterschaft den Weg zu unserer Redaktion
gefunden, die wiederum nach Kräften bemüht war, sich
von jeder schablonierten Engbegrenzung fernzuhalten. Von
dem weltschmerzlichen Humor, der unter Tränen lächelt,
bis zu den Ausbrüchen bierseligen Studentenulkes hat
alles „in den Ton unseres Blattes“ gepaßt und wird da
kmempassen, sofern es nur einer einzigen Prüfung stand-
hält: Talent muß dann stecken.
❖
Kemer unserer Zeichner ist von den Einflüssen der
,,Moderne“ unberührt geblieben, und es hat Zeiten ge-
geben, m denen die sezessionistische Willkür dem Blatt
eine gefährliche Orientierung zu geben drohte. Hier
hab en die natürlichen Lebensbedürfnisse des Organs von
innen heraus die notwendige Korrektur bewirkt. Eine
Zeitschrift, die den Tagesereignissen nachgeht, kann sich
von vornherein nicht auf eine bestimmte Geschmacks-
richtung emschwören und vor allem im Künstlerischen
nicht das Extrem bekennen. Hierzu wäre eine Kon-
tinuität erforderlich, die sich bei der Verpflichtung zwei-
undfünfzigmal im Jahre Neues, wenn möglich Über-
raschendes zu bieten, gar nicht emhalten läßt. Eine über-
aus große Menge von Bildthemen der Aktualität ver-
langt, wenn die Pointe überhaupt verstanden werden soll,
deutliche Gegenständlichkeit der Ausführung und stellt
somit an den Zeichner Auf gaben, die sich mit den Mitteln
des Symbolismus und anderer ganzmodernen —ismen nicht
lösen lassen. Andernfalls bleibt die Pointe irgendwo
stecken oder wird von irgendwelchen geheimnisvollen
Bildqualitäten bis zur Unkenntlichkeit überschattet. Hier
heißt es also eine mittlere Linie auffmden, der künst-
lerischen Gourmandise verfeinerter Leser Rechnung tragen
und dabei doch, im eigentlich satirischen Felde, klare
Farbe bekennen. Die Stilemheit unseres Blattes wird
schließlich durch die Fahne bestimmt, die ihm voraus-