fliegt, und die das Kennwort ,,Lustig“ deutlich genug
verkündet. Was m dieses Programm hmemfällt, dient
seinen Zwecken; und so kann es sich ereignen, daß der-
selbe Zeichner, der gestern mit froher Laune irgend einen
akademischen Zopf verspottet hat, morgen m die Lage
kommt, eine Lächerlichkeit der Kunstheiligen vom jüngsten
Tag' zu glossieren. Eine absolute Gerechtigkeit im Sinne
vollkommener Widerspruchslosigkeit ist da weder erziel-
bar noch ersprießlich. Wer den Blick dauernd auf ewig
gültige "Werte gerichtet hält, der soll Metaphysiker werden
oder Prediger, aber nicht Leiter eines Witzblattes. Dieses
stellt eine Welt für sich dar, m der die Logik vielfach
durchbrochen wird und die draußen herrschenden Schwer-
kräfte ihre Geltung' verlieren. Nur ein Grundprinzip
gibt es da, d as hochg'ehalten werden muß, und das sich
bei uns, von Zufallsschwankung'en abgesehen, immer wieder
durchgesetzt hat: die Schärfe der Charakteristik, die
Übereinstimmung der Visirlime innerhalb der zugrunde-
liegenden Bildidee und der Verwirklichung des Themas
durch den zeichnenden Künstler.
Denn soweit die Aktualität m Frage kommt, —
und diese behauptet räumlich wie sachlich die ersten
Plätze im Blatt — werden die Bilder der ,,Lustigen
Blätter“ zu einem ganz überwiegenden Prozentsatz ^aus-
gegeben“. Der Redakteur entwirft sie nach ihrem In-
halt, bezeichnet sie oftmals bis in die Details und verlangt
vom Zeichner, daß er seinen Gedanken folge. Vereinigt
sich erfinderische und zeichnerische Qualität m einer
Redaktionskraft — (ein Luxus, der vordem durch
Brinkmann vertreten wurde, heute in Dr. Kraemer ver-
körpert wird) — so flattert die schwarzweiße oder
farbige Skizze als Pilot voraus. Diese Methode legt
dem Zeichner allerdings einen gewissen Zwang auf,
bewahrt ihn aber vor der Entgleisung und bietet ihm —
sofern das Thema etwas taugt — eine Garantie für die
Wirkung. Kann er nun auch nicht aus dem tiefsten
Schacht seines Gemütes schöpfen, so bleibt ihm doch
immer noch ein ungeheurer Spielraum, auf dem er sein
eigenstes Können zu betätigen vermag, und ich kann
wohl sagen, daß gerade die besten Zeichner mit offen-
sichtlicher Schaffensfreude an die redaktionell präzisierte
Aufgabe herangegangen sind. Weitaus seltener sind die
Fälle, m denen der Zeichner ohne Anstoß von außen
die Ereignisse direkt aus dem Gesichtswinkel des
illustrativen Witzes ansieht. Glückt es ihm bei solcher
Gelegenheit, das Ereignis ,,bei der Stirnlocke zu fassen“,
so gibt d as allemal einen Trumpf für das Blatt. Es ist
dann, als ob die vollausgeschälte Frucht direkt aus dem
Keim primärer Erfindung erwachsen wäre, ohne daß
dieser Zeit beansprucht hätte, organische Zwischenstufen
zu durchlaufen, und den Leser überkommt es wie eine
Offenb arung. A.uf solche Glückszufälle kann mdeß das
Getriebe eines humoristischen Blattes nicht eingestellt
werden, dessen Hauptaufgabe es vielmehr bleibt, mög-
lichst viele Berührungsflächen zwischen redaktioneller
und zeichnerischer Phantasie zu schaffen. Unabhängig
hiervon gibt es aber noch eine Sondergattung von Bildern,
die lediglich den Typ oder eine Situation erfassen, ohne
sichtlichen Zusammenhang mit den Zeitereignissen; sie
flieg en unterschriftslos m die Redaktion und warten auf
Textierung. Gerade diese Blätter bieten oft des Meister-
haften so viel, daß ihnen die bevorzugte Stelle im Blatt
angewiesen werden muß, vorausgesetzt, daß es gelingt,
ihnen die humoristische Legitimation als textlichen Ge-
leitsbrief auszuschreiben. Da sind denn oft für die
Schriftleitung harte Nüsse zu knacken. Denn niemals
darf die Bildseite verraten, daß der Text als Zweit-
geb orener entstanden ist. Ganz im Gegenteil muss es
den Anschein gewinnen, als ob die Lichter des Illustrators
sich an den Funken des darunter stehenden Textes ent-
zündet hätten. In solchen Nöten tritt nicht selten die
Aktualität als Helferin auf den Plan : was im Bilde
eine an sich belanglose Situation war, wird nun plötz-
lich vermöge einer unsichtbaren Volte zu einer politischen
Pointe ; und mancher Zeichner hat alle Ursache zum
Erstaunen, wenn er im fertig ausgedruckten Blatt sein
ursprünglich ganz beziehungsloses Bild als politische
Bombe wiederfmdet. Aus meiner persönlichen Erfahrung
möchte ich behaupten, daß ich mit geringerer Mühe
einen Reigen von Epig’r amme baue oder eine Druckseite
Manuskript schreibe, als die zwei Zeil en, die so em
Bild als Passierschein nötig hat. Denn umgekehrt ver-
tragen es diese oft sehr großzügigen Bilder auch nicht,
über einen jener leicht zu konstruierenden Scherze placiert
Roerens Geheimkabinett.
(Umschlagbild der Lex Heinze-Nummer.)
verkündet. Was m dieses Programm hmemfällt, dient
seinen Zwecken; und so kann es sich ereignen, daß der-
selbe Zeichner, der gestern mit froher Laune irgend einen
akademischen Zopf verspottet hat, morgen m die Lage
kommt, eine Lächerlichkeit der Kunstheiligen vom jüngsten
Tag' zu glossieren. Eine absolute Gerechtigkeit im Sinne
vollkommener Widerspruchslosigkeit ist da weder erziel-
bar noch ersprießlich. Wer den Blick dauernd auf ewig
gültige "Werte gerichtet hält, der soll Metaphysiker werden
oder Prediger, aber nicht Leiter eines Witzblattes. Dieses
stellt eine Welt für sich dar, m der die Logik vielfach
durchbrochen wird und die draußen herrschenden Schwer-
kräfte ihre Geltung' verlieren. Nur ein Grundprinzip
gibt es da, d as hochg'ehalten werden muß, und das sich
bei uns, von Zufallsschwankung'en abgesehen, immer wieder
durchgesetzt hat: die Schärfe der Charakteristik, die
Übereinstimmung der Visirlime innerhalb der zugrunde-
liegenden Bildidee und der Verwirklichung des Themas
durch den zeichnenden Künstler.
Denn soweit die Aktualität m Frage kommt, —
und diese behauptet räumlich wie sachlich die ersten
Plätze im Blatt — werden die Bilder der ,,Lustigen
Blätter“ zu einem ganz überwiegenden Prozentsatz ^aus-
gegeben“. Der Redakteur entwirft sie nach ihrem In-
halt, bezeichnet sie oftmals bis in die Details und verlangt
vom Zeichner, daß er seinen Gedanken folge. Vereinigt
sich erfinderische und zeichnerische Qualität m einer
Redaktionskraft — (ein Luxus, der vordem durch
Brinkmann vertreten wurde, heute in Dr. Kraemer ver-
körpert wird) — so flattert die schwarzweiße oder
farbige Skizze als Pilot voraus. Diese Methode legt
dem Zeichner allerdings einen gewissen Zwang auf,
bewahrt ihn aber vor der Entgleisung und bietet ihm —
sofern das Thema etwas taugt — eine Garantie für die
Wirkung. Kann er nun auch nicht aus dem tiefsten
Schacht seines Gemütes schöpfen, so bleibt ihm doch
immer noch ein ungeheurer Spielraum, auf dem er sein
eigenstes Können zu betätigen vermag, und ich kann
wohl sagen, daß gerade die besten Zeichner mit offen-
sichtlicher Schaffensfreude an die redaktionell präzisierte
Aufgabe herangegangen sind. Weitaus seltener sind die
Fälle, m denen der Zeichner ohne Anstoß von außen
die Ereignisse direkt aus dem Gesichtswinkel des
illustrativen Witzes ansieht. Glückt es ihm bei solcher
Gelegenheit, das Ereignis ,,bei der Stirnlocke zu fassen“,
so gibt d as allemal einen Trumpf für das Blatt. Es ist
dann, als ob die vollausgeschälte Frucht direkt aus dem
Keim primärer Erfindung erwachsen wäre, ohne daß
dieser Zeit beansprucht hätte, organische Zwischenstufen
zu durchlaufen, und den Leser überkommt es wie eine
Offenb arung. A.uf solche Glückszufälle kann mdeß das
Getriebe eines humoristischen Blattes nicht eingestellt
werden, dessen Hauptaufgabe es vielmehr bleibt, mög-
lichst viele Berührungsflächen zwischen redaktioneller
und zeichnerischer Phantasie zu schaffen. Unabhängig
hiervon gibt es aber noch eine Sondergattung von Bildern,
die lediglich den Typ oder eine Situation erfassen, ohne
sichtlichen Zusammenhang mit den Zeitereignissen; sie
flieg en unterschriftslos m die Redaktion und warten auf
Textierung. Gerade diese Blätter bieten oft des Meister-
haften so viel, daß ihnen die bevorzugte Stelle im Blatt
angewiesen werden muß, vorausgesetzt, daß es gelingt,
ihnen die humoristische Legitimation als textlichen Ge-
leitsbrief auszuschreiben. Da sind denn oft für die
Schriftleitung harte Nüsse zu knacken. Denn niemals
darf die Bildseite verraten, daß der Text als Zweit-
geb orener entstanden ist. Ganz im Gegenteil muss es
den Anschein gewinnen, als ob die Lichter des Illustrators
sich an den Funken des darunter stehenden Textes ent-
zündet hätten. In solchen Nöten tritt nicht selten die
Aktualität als Helferin auf den Plan : was im Bilde
eine an sich belanglose Situation war, wird nun plötz-
lich vermöge einer unsichtbaren Volte zu einer politischen
Pointe ; und mancher Zeichner hat alle Ursache zum
Erstaunen, wenn er im fertig ausgedruckten Blatt sein
ursprünglich ganz beziehungsloses Bild als politische
Bombe wiederfmdet. Aus meiner persönlichen Erfahrung
möchte ich behaupten, daß ich mit geringerer Mühe
einen Reigen von Epig’r amme baue oder eine Druckseite
Manuskript schreibe, als die zwei Zeil en, die so em
Bild als Passierschein nötig hat. Denn umgekehrt ver-
tragen es diese oft sehr großzügigen Bilder auch nicht,
über einen jener leicht zu konstruierenden Scherze placiert
Roerens Geheimkabinett.
(Umschlagbild der Lex Heinze-Nummer.)