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Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 29.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.19917#0193
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5)er DforntaU'Scmgo.

®ie gattje 9cad)t batte icl) mir um bie Obren gefcblagen, u>ei(
id) feben mailte, Unc fte im ‘SlbmiraUpalaff beit „©irxbeit£-A£ango''
ausfanaen . . .

3d) hielte 51t, bt$ mir bie klugen sttfielen . . .

91 bei- uoit einem „©mbeif3=$ango" fab id) nichts; jebeS Paar
fcbmamnt nad) eigener ^affcmg in ’Sartgofeligfeif. 9ÜS id) mid)
hierüber bei ber ©irelfton bellagfe, ernannten fic micb sum 9tormab
Preisrichter. 3d) Heft fic aile antrcfctt ttnb fic mufften mir ihre
9tormaH©runbfäüe erflären.

„Oer 9?ormab'$ango," erhärte mir baS erffc Paar, „muff fo
auSfeben, als ob man ©lieberreiffeit hätte unb jctjt ootn Olr^f eleh
trifiert mürbe. 5\omm, ODccbanie, mir fanden bcnt Perm PrctS-
rid)ter ein paar 3ucfungen oor . . ♦"

3)aS smeife Paar erflärfe: „Oer Normal--§dngo mit ft ben
©inbritcf mad)en, als mollte man in ein pdupbab fteigen unb man
probiert nun mit ber groftett 3cbe, ob’s OB aff er nicbf 31t falt
iff. £?omm, Stephanie, mir haben bent Perm 9Prei^ricf)fcr mal
maS kaltes oor . .

9)aS britte Paar gab mir 311 miffett: „9tlleS falfcb! 9?ormal--
'Sango iff: man möchte fattsen, aber eS gebt nicht, metl man 51t
enge Schube anbat. 9ionnal--'$ango ift Pübneraugentanä. 5\omm,
(Pnilie, mir bübneraugcntanscn ein bt§d)en . . ."

QSierfeö Paar: „9?can muff fid) oorftellen, bie Oarnc hätte

^opffchmerscn unb ber Perr 9)cagenbrüden unb fie molltcn fid) baS
einanber panfomtmtfd) 31t oerftehen geben. 3)aS ift bann — 9iormal--
9ango. 5\omm, Pampbilte, mir mollen ber 3ttrt) efmaS oorfopR
magenfchmcrsenbrüdcn . . ."

pTtnffeS Paar: „©lattbett 6ie’S nid)t, Perr Preisrichter,

alles 93löbfinn. 9'htr fo iff 9cormal'l5ango: man ift mit 'Jliegen--
leint am ^attäparfeff feftgefleiftert unb fud)t vergeblich loSsufommen.
93 aS nicht biefeit 93cgriff oerfinnbilblichf, ift überhaupt fein
3mngo . . ."

£lnb nun eleftrifierten, babeten, hühneräugfen, fopfmagenfcbmers--
brüdfen unb fleifterten fie alle um mich herum, bis —

— bis meine fyrau fagte: „Steig aitS unb sabl’S 9lufo, mir
fittb 31t Paitfe." G. H.

Der Erfinder.

r"\a war ein Mann: Matthias Kukken,
Dess’ Schicksal, das begann recht bös’;
Die Eltern waren sehr nervös,

So litt das Kind am Nervenzucken.

Er zuckt’ an allen Körperteilen,
Besonders wippte Fuss und Hand.

Die Aerzte fanden’s interessant,

Jedoch vermochten’s nicht zu heilen.

In seiner Jugend spätem Tagen,

Just als er bog um’s Kranzler-Eck,

Fuhr ihm ein schwerer Schlächterwagen
Am linken Fuss zwei Zehen weg.

Die dritte schnitten die Doktoren,

Sein Gang schien nun ein schlechter Witz,
Weil er an Sicherheit verloren,

Wie auch am Rhythmus seines Schritts.

Und eines Tags — Matthias Kukken
Kam aus der Schenke „Zum nassen
Schlauch'1

Mit Hinkebein und Nervenzucken;

Und schwer besoffen war er auch.

Und wie er zuckend so und hinkend
An dunklen Häusern hin chassiert,

Und knickend, den Faternen winkend
Die Mauern links und rechts berührt,
Da kam ein Herr im Pelz gegangen,
Der stutzt und schaut und ruft:

„ Hallo!

Wie bin ich glücklich doch und
froh —“

Und küsst’ ihn schon auf beide
Wangen.

Und Kukken, im Faternenlieht,

Glotzt aus den Augen, den verglasten,

Derweil durch’s Hirn die Schnäpse rasten:
„Sehr freundlich — blos: ich kenn'

Sie nicht!“

„Was tut’s“, sagt Jener, „Mit Vergunst,

Es finden sich verwandte Geister.

Ich bin Herr Schlick, der Tänze Meister
Und grüss’ die edle, neue Kunst!

Denn was ich sucht’ in heissen Stunden, —
Geht nur voraus — da ist es, da!

Den neuen Tanz hab’ ich gefunden,

Da ich Euch eben wandeln sah.

Dies Schulterschlenkern, Beineschleifen,
Dies rülpsend in die Füfte greifen,

Dies knickebein’ge, schiefe Schlürfen,
Dies müd’-sein und nicht-sitzen-dürfen,
Dies eng sich an’s-Geländer-krallen,

Dies vor- und wieder rückwärts-Fallen,
Das wird im Girandolen-Glanz,

Schon morgen der — modernste Tanz!
Heil, dass Sie, Meister mir erschienen!"
(Erneuter Kuss). „Ich danke Ihnen!"

Das ist das Schicksal der Erfinder.
Beim Schulgang fanden Meyers
Kinder

Matthias Kukken steif und still
Früh morgens in ’nem Haufen Müll.
Man hat ihn in sein Bett gebracht,
Dort lag er würgend und belämmert.
In seinem Hirn hat kaum gedämmert
Erinn’rung dieser wüsten Nacht.
Jedoch der Tanz ist allerorten
Als Wunder im modernsten Geist,
Der fürder „Arizona“ heisst,
Beliebt und hoch berühmt geworden:
Dies Schulterschlenkern, Beine-
schleifen,

Dies rülpsend in-die-Lüfte-greifen,
Dies knickebein’ge, schiefe Schlürfen,
Dies müd’-sein und nicht-sitzen-
dürfen,

Dies eng sich ans-Geländer-krallen,
Dies vor- und wieder rückwärts-
Fallen,

Ein Hinken und ein Nervenzucken,
Kurz: der besoff'ne Matthes

Kukken.

M. Sp.

No. 8

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