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Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 30.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.19920#0080

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rogmutter butt' einen ©ürEen-Sd;al.
33on einer weiten weiten Steife
93rad)t^ il;n ber jävtlicije (Satte einmal,
93ettern unb 23afen ftanben im Greife,

Slls er, ber leberncn Safere entrafft,
ilber bas Sofa tnngegoffen,

Sd>war3 im (Srunbe, rot überftoffen,
Spenbetc leud;tcnbe JarbenEraft.

SBilbe Sßlumen, bie itgenbtoo,

Stübnfte, buntefte Sd;öpfergebanfen,
feigerer Sonne entgegen ranten,
flammten unb züngelten lichterloh«

Glitten unter ben 3auberifd;en
gremben 23lumen Sterne bajnnfcben,
Stimmer gefeben am §immelsrunb,

SBie fie bie ©räumerwütifcbe begehren;
©cd) es l;ie^: in türEifd;en SJteeren
Stuben fie tief auf bern fd>weigenben ©runb.

SBenn id? weit in bie ©räume laufe
StücEwärts, bent' id? mir manches mal:
©rofjmuttcr ftanb in bem £ürten-Sd;al
Sid;erlid;, fid;er bei meiner ©aufe.
tlnb meine Säuglingsaugen b'ngen,

— SBäbrenb ber epfarrer bas Söajfcr gojf,
Seife betenb bie Beier bcfcblof; —

Sin ben bunten feltfamen ©ingen,
21ngefd;aut noch unb unerlebt,

©ie ein ©ürEe ins ©Stuftet gewebt,

SBenn icb heute bie alte Jrau
Säd;elnb in meinen ©räumen fd;au,
©lattgefcbcitelt, fd;üd;t unb febmat,

©rägt fie ftets noch ben ©üvEen-Scbal.

©er, oon bem fie ibn einft empfangen,

SBar auf bie lebte Steife gegangen;

Sb'ir ju ©t;ren, wie id; mir ben!',

©rüg fie immer fein foftbar ©efebent.

©ine ©iite mit Keinen S?ud)en
SBar in feinen galten oerfted’t —

93is id; es hörte, erftaunt unb erfd;rc<ft:
„©rojfmutter ging ©rofjoater befugen“ —
SItutter bcutet's mit; tränenfd;wer
SBar ihre Stimme: „Sie tommt nicht mehr 1“

Sang in hellem SSimbaumfpinbe
Sag ber Sd;al. Unb bas feembe ©ueb
©üftete leis einen feinen ©erucl;,

©en id; nimmermehr wieber finbe:
Strömenb aus SSlumen, bie lid;terlob
93reiteten il;re 3auberifd;en
Seitfamen Stelcbe, Sterne bajwifcben
Stimmer gefeben am Simmelsrunb,

SBie fie bie ©räumerwünfd;e begehren;
©od; es biefj, in türtifd;en Sdeeren
Stuben fie tief auf bem }d;weigcnbcn ©runb,

... Slnbere Beiten — anbere Sttoben,

SBie fie balb Saune, halb Starrheit gibt!

Sch b^^e in Seiben, in Sltlas, in Soben
53icl fd;öne Bmuen gefeb’n unb geliebt.

93om OrbensEleib bis 311 ^3arifer gineffen
Sd;uf manche „S3erpacfung" mir ^erjens-

qual —

ltnb übeewunben unb längft oergeffen
SBar mir ber alte ©ürfenfd;al,

©a geftern... ©s war oon ben ©renjen

erfd;ollen

©er Stuf: „©er SBinter gewinnt ©ewalt.

„Stun her mit allem, was warm unb wollen 1
©ie ^often feieren; bie 9täd)te finb Ealt. .
Unb als ich jur Stad;t — bie Stabt lag in

Stube —

©emuftert mein häusliches Sirfcnal,

©a leucl;tet aus lang oerfd;loffener ©cul;e
©rofjmutters el;rwürbiger ©ürEenfd;al.

S3erbtagt ein wenig, unb nicht fo fprübenb,
Unb leis nur umwittert oom alten ©erueb,
©od; immer befternt nod; unb immer nod;

blübenb,

Schmiegt fid; in bie §änbe bas alte ©ueb-
©u warft, fo fprad; ich, einmal bas 93efte,
©as Siebe ber Siebe 3ugebad;t;

©u baft befebeibene feiern unb Jefte
Sn frieblicbem £jaufe mitgemad;t.

©in ©acbcnmärcbcn aus fparfamert ©agen,
Sßarft bu meiner Stinbbeit wonnige Sd;au;
llnb unter bir l;at bas §erj gefd;lagen
93on einer fd;lid;ten beutfd;en Stau.

©ie hätte, bas weif; ich, aus Eargem Seben
gür's Sanb, bas ihre Stinber gewiegt:

©af; ©eutfcblanb Eämpft unb ©eutfcblanb

liegt,

©ern ihren Scbmuct unb Staat gegeben.
So foll ein beutfeber Sanbwebrmann
©ie trotzige 93ruft auf ben oerfdmeiten
Selbem Polens mit bir umfleiben.

Unb wenn ein ©oter nod; fegnen Eann,
©ann ruht ein Segen in ben ©eweben,
©ief in bie Sterne unb 23lumen oerfenEt
©er — oorboi bem geweihten Seben —
Sille Stugcln ber Schlachten lenEt ...

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