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der grossen majestätischen Linie, für die weite, den Blick ins Unendliche
führende Ferne und seit den letztvergangenen Dezennien auch für die
feinen Reize der Luft- und Lichtstimmungen, aber es ist dieses Ge-
fühl weder ein angeborenes, wie es etwa die Kraft der Charakterisierung
ist, noch ist es unmittelbar aus dem Anschauen der Natur geboren,
wie das für die Kleinwelt auf Wiese und im Wald, sondern es hat sich
auf einem mittelbaren Wege entwickelt: durch das Studium fremden
Kunstschaffens. Dort, bei den Italienern und den Holländern, lernte
der deutsche Maler, den ihm so lieben Kleinkram der Natur zu Gunsten
der Gesamtwirkung des Bildes zu beschränken, das Nebensächliche dem
Wesentlichen unterzuordnen und die Summe aller Einzelerscheinungen
zu einer einzigen Harmonie zusammenzuschliessen; das wunderbare Ge-
heimnis des paysage intime, „das zarteste Kind unseres Jahrhunderts“,
wurde ihm aus dem Walde von Barbizon offenbart, was er dann alle-
dem aus eigenem deutschen Geiste hinzugegeben hat, das bleibt natür-
lich sein ungeschmälertes Verdienst.
Aber um das Wesen einer Kunst ganz zu verstehen, muss man sie
in ihren Anfängen belauschen, und die kostbaren Dokumente aus dem
Kindesalter unserer Malerei scheinen im Vergleich mit den Erstlingen
der niederländischen und italienischen, auf einen treuherzig-ehrlichen,
aber etwas kleinlichen Sinn (das herabsetzende Beiwort nicht absolut,
sondern relativ genommen) der deutschen Meister in der Auffassung der
Landschaft hinzudeuten.
Den Mangel eines grossen Zuges, ja die Spur einer fast das Pfahl-
bürgerliche streifenden Gesinnung, ist auch bei den altdeutschen Meistern
des Porträts nicht zu verkennen, und seine Wandlung nach Seite des
Grossartigen und Grossen scheint sich noch langsamer zu vollziehen, als
bei den Landschaftern. Von den beiden grössten deutschen Bildnis-
malern konzentriert der eine, Dürer, alle seine unvergleichliche Kraft der
Charakteristik fast ausschliesslich' in den Köpfen und auch diesen, selbst
aus seiner besten Zeit nach der niederländischen Reise, haftet noch ein
wenig die peinlich - objektive Naturbeobachtung an, die einer freien,
gleichsam in die Ferne gerückten Auffassung der ganzen Persönlichkeit
hinderlich ist, und der andere, Holbein, von dem man wohl sagen
kann, dass auch er das Porträt zu einem der „Phänomene des Welt-
ganzen“ erhoben habe, steht innerhalb der deutschen Malerei auf so
der grossen majestätischen Linie, für die weite, den Blick ins Unendliche
führende Ferne und seit den letztvergangenen Dezennien auch für die
feinen Reize der Luft- und Lichtstimmungen, aber es ist dieses Ge-
fühl weder ein angeborenes, wie es etwa die Kraft der Charakterisierung
ist, noch ist es unmittelbar aus dem Anschauen der Natur geboren,
wie das für die Kleinwelt auf Wiese und im Wald, sondern es hat sich
auf einem mittelbaren Wege entwickelt: durch das Studium fremden
Kunstschaffens. Dort, bei den Italienern und den Holländern, lernte
der deutsche Maler, den ihm so lieben Kleinkram der Natur zu Gunsten
der Gesamtwirkung des Bildes zu beschränken, das Nebensächliche dem
Wesentlichen unterzuordnen und die Summe aller Einzelerscheinungen
zu einer einzigen Harmonie zusammenzuschliessen; das wunderbare Ge-
heimnis des paysage intime, „das zarteste Kind unseres Jahrhunderts“,
wurde ihm aus dem Walde von Barbizon offenbart, was er dann alle-
dem aus eigenem deutschen Geiste hinzugegeben hat, das bleibt natür-
lich sein ungeschmälertes Verdienst.
Aber um das Wesen einer Kunst ganz zu verstehen, muss man sie
in ihren Anfängen belauschen, und die kostbaren Dokumente aus dem
Kindesalter unserer Malerei scheinen im Vergleich mit den Erstlingen
der niederländischen und italienischen, auf einen treuherzig-ehrlichen,
aber etwas kleinlichen Sinn (das herabsetzende Beiwort nicht absolut,
sondern relativ genommen) der deutschen Meister in der Auffassung der
Landschaft hinzudeuten.
Den Mangel eines grossen Zuges, ja die Spur einer fast das Pfahl-
bürgerliche streifenden Gesinnung, ist auch bei den altdeutschen Meistern
des Porträts nicht zu verkennen, und seine Wandlung nach Seite des
Grossartigen und Grossen scheint sich noch langsamer zu vollziehen, als
bei den Landschaftern. Von den beiden grössten deutschen Bildnis-
malern konzentriert der eine, Dürer, alle seine unvergleichliche Kraft der
Charakteristik fast ausschliesslich' in den Köpfen und auch diesen, selbst
aus seiner besten Zeit nach der niederländischen Reise, haftet noch ein
wenig die peinlich - objektive Naturbeobachtung an, die einer freien,
gleichsam in die Ferne gerückten Auffassung der ganzen Persönlichkeit
hinderlich ist, und der andere, Holbein, von dem man wohl sagen
kann, dass auch er das Porträt zu einem der „Phänomene des Welt-
ganzen“ erhoben habe, steht innerhalb der deutschen Malerei auf so