Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lehmann, Alfred
Das Bildnis bei den altdeutschen Meistern bis auf Dürer — Leipzig: Verlag von Karl W. Hiersemann, 1900

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51438#0216
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
- IQ2 -
Deutschland weder bei den Fürsten, noch unter dem Adel, noch in den
breiten Schichten des Bürgertums zu finden. Dass trotzdem kirchliche
Gemälde von hoher künstlerischer Bedeutung geschaffen worden sind,
steht mit dieser Thatsache nicht im Widerspruch. Das allgemeine
Schmuckbedürfnis, welches das gesamte Mittelalter beherrschte und
welches dazu führte, in allem, was überhaupt für das ganze mensch-
liche Dasein gebildet wurde, instinktiv die Lösung einer bestimmten
Kunstaufgabe zu sehen, musste sich erst recht an Gegenständen bethä-
tigen, die für die heiligsten Räume der Christenheit geschaffen werden
sollten. Wo es der Ehre der Kirche galt, war gewiss das beste gerade
gut genug.
Aber um einen Altar malen, ja selbst schon um sich von einem
angesehenen Meister abschildern zu lassen, dazu bedurfte es des baren
Geldes, und das war im späteren Mittelalter nur an zwei Stellen zu
finden: bei den geistlichen und den weltlichen Korporationen und bei
den wenigen Patriziern, die es trotz der dem Grosshandel durchaus
feindlichen Wirtschaftspolitik der Städte zu einem gewissen Reichtum
gebracht hatten.
Es ist nach modernen Begriffen schwer, sich das Oberhaupt des
Reiches ohne finanzielle Mittel vorzustellen und.doch darf auf die Kaiser,
mit Ausnahme des durch Böhmen zum Wohlstand gelangten Karl IV.,
beinahe jener sprichwörtliche Vergleich mit der Kirchenmaus angewendet
werden. Ruprecht von der Pfalz, der in Geldangelegenheiten grenzenlos
leichtsinnige Sigmund und der knauserige Friedrich III., sie alle waren
ohne eigentlichen, ein ständiges und gesichertes Einkommen gewähr-
leistenden Besitz und fristeten ihr Leben gleichsam aus der Hand zum
Mund, auch Maximilian befand sich noch in ewigen Geldnöten. Um die
Territorialherren war es nicht besser bestellt, auch sie waren mehr
oder weniger verschuldet. Der Landadel, der seine wirtschaftlichen
Einkünfte immer geringer werden sah, und dem schliesslich nur
zwischen Verbauerung auf seinem Schlösslein und Strauchdieberei die
bange Wahl blieb, wenn anders er nicht etwa durch Universitäts-
studien sich für eine fürstliche Beamtenstellung vorbereitet hatte, Kriegs-
dienste genommen oder den Kampf ums Dasein meidend in ein
Kloster geflüchtet war, er verwendete das erpresste Bauerngut oder
die dem reisenden Kaufmann abgejagten Schätze auf prächtige Kleider,
zu Schmausereien und Trinkgelagen. Für eine künstlerische Ausstattung
seines Wohnsitzes hatte der Landedelmann nichts übrig, selbst wenn
 
Annotationen