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Lehmann, Friedrich Rudolf
Peter Paul Rubens: Menschen und Mächte des Barock; ein Zeitbild — Stuttgart: Union Dt. Verl.-Ges., 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.66541#0039
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Sileniuszug, in dem Peter Paul noch Isabella mit entblößter Brust
als Satyrin darstellte, hat er als Hauptfigur, die große völlig nackte
blonde Bacchantin, eine Fourment in den Vordergrund gestellt.
Sein Lieblingsmodell aber ist doch Susanne.
Zum erstenmal hat Isabella heute den Gedanken, daß Peter Paul
Susanne liebt. Nachdem ihr diese Überzeugung gekommen ist, geht
der jungen und doch so alten Frau ein phantastisches Projekt durch
den Kopf. Sie kennt die Geschichte der Mutter Peter Pauls, sie
weiß, welch großartige Haltung Maria Pypelinckx in der furcht-
baren Zeit, die ihr das Schicksal auferlegte, gezeigt hat. Isabella
möchte dieser hochherzigen Frau ebenbürtig sein, deren überirdische
Liebe der Kelch der Betrübnis nicht zu zerstören vermochte. Jetzt
glaubt sie den richtigen Weg gefunden zu haben. Sie wird zu Su-
sanne gehen und mit ihr sprechen. Und sie wird ihr sagen: Rubens
ist ein einmaliger, begnadeter Mensch, Susanne. Er gehört nicht
nur uns, um seiner Kunst willen gehört er der Welt. Und ich denke,
daß wir, die ihm nahestehen, es der Welt schuldig sind, nach unserm
Vermögen an seinem Werk zu dienen. Ein unergründliches Geschick
hat es mir versagt, für ihn diejenige zu sein, die an seiner Seite
stehen müßte. Peter Paul hat ein Anrecht auf ein junges, blühendes
Weib, statt daß eine alte, welke Frau nur um ihn ist. Betrachten Sie
einmal die beiden Bilder, die er zuletzt von uns beiden geschaffen hat!
Fühlen Sie, wie schwer es ihm geworden sein muß, diese verblühte
Frau hier zu malen? Ihm, dem das Kranke und Häßliche so zuwider
ist, daß er es in allen seinen Werken vermieden hat, das Fleisch eines
kranken Menschen zu verewigen. Und dann schauen Sie Ihr Bildnis
an, Susanne; sehen Sie, mit welcher zärtlichen Lust er Ihre frische
Haut, Ihre straffe Brust, Ihre beseligende Jugend festgehalten hat!
Ich werde nicht mehr lange leben, Susanne, der Verfall schreitet
unablässig vorwärts, kein Arzt kann mir helfen. Die Natur hat
es mir versagt, Rubens den Anblick einer schönen Geliebten zu
bieten, die Sie sein könnten, wenn Sie es wollten. Und ich weiß es.

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