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Lehmann, Friedrich Rudolf
Peter Paul Rubens: Menschen und Mächte des Barock; ein Zeitbild — Stuttgart: Union Dt. Verl.-Ges., 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.66541#0248
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„Sie waren sicher in Brüssel von sehr vielen und sehr vornehmen
Kavalieren umworben, ma crou8ine?"
„Das gerade nicht, Monsieur Albrecht, denn wir durften nur
sehr selten und nur in Begleitung der Schwestern das Kloster ver-
lassen."
„In Antwerpen wird das ganz anders werden. Alle jungen
Herren werden Sie verehren, ich fürchte beinahe, ich werde dann
wenig Chancen haben, ma oonsine."
„Aber, Monsieur, für Sie bin ich doch ohnehin viel zu alt."
„Welch ein Witz,ma eousine! Sie sind ganze zwei Monate älter
als ich."
„Albrecht! Ich bin Ihre alte Tante. Bitte, vergessen Sie das nicht!
Weshalb sagen Sie überhaupt immer rua oousiue? Sie wissen wohl
gar nicht, daß Ihre Frau Mutter die Schwägerin meines Bruders
Daniel war. Sie sind mithin mein kleiner Neffe, junger Mann.
Bitte, respektieren Sie das!"
Albrecht will aber gar nicht die bildhübsche Leni als Tante
respektieren. Mit der ganzen Verliebtheit seiner sechzehn Jahre blickt
er unverwandt das entzückende Mädchen an, dem er am liebsten
einen Kuß rauben möchte. Die Novemberkälte muß sich im Wagen
jetzt wohl sehr bemerkbar machen, denn Leni verkriecht sich ganz tief
in den neuen, kostbaren Pelzmantel, den Daniel Fourment durch
Albrecht seiner Tochter mit nach Brüssel geschickt hat. Der junge
Kavalier sieht jedenfalls bis zur Ankunft in Antwerpen nichts mehr
von seiner Dame als die von der Kälte gerötete Nasenspitze.
Als man sich vor dem „Goldenen Hirsch" trennt, flüstert Al-
brecht Leni noch zu: „Ich werde gelegentlich einmal die Ansicht
unserer „Alten Herrn" über unsere familiären Beziehungen und
deren eventuellen zukünftigen Ausbau einholen, Leni."
„Aber ich würde nicht Ja dazu sagen. Es ist besser. Sie schlagen
sich diesen Gedanken ein für allemal aus dem Kopf, Albrecht!"
Albrecht will nicht mit in den „Goldenen Hirsch" hinaufgehen;
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