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Leisching, Julius
Die Wege der Kunst — Wien [u.a.]: Tempsky, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.47007#0025
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DIE BLÜTEZEIT

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13. Parthenonfries (Reitergruppe).
anfangs des 19. Jahrhunderts durch Lord Elgin nach London gebracht
(Britisches Museum).
MYRON, um 490 geboren, ist der erste, der heftig ausschreitende Beine und
weit ausladende Arme darstellt: am Diskuswerfer (römische Nachbildung in
Rom, Palazzo Lancelotti) und am Silen Marsyas (römische Nachbildung des
Bronzeoriginals in Rom, Lateran), dem Athena die Flöten aus der Hand ge-
schlagen hat, nach denen er zurücktaumelnd begehrlich niederblickt.
Neben Tempelplastik und Einzelfigur gibt indessen auch bei den Griechen
das Prachtgrab dem Bildhauer Arbeit.
Aus Lykien stammen das Harpyiendenkmal und das Nereidendenkmal
von Xanthos (London, Britisches Museum) sowie das Heroon von Giöl-
baschi, dem alten Trysa (Wien, Hofmuseum). Le^teres mit Heroenkämpfen,
Kentauren und Amazonen, und vielfigurigen Bildern aus dem trojanischen
Kriege in zwei Reihen übereinander, darin an die nahen Reliefs Persiens und
Assyriens erinnernd. Zugleich verrät das Heroon einen malerischen Stil, wie er
der gleichzeitigen Plastik Griechenlands nicht eignet. Das feiner gegliederte, zier-
lichere Wesen ist die asiatische Erbschaft der in Lykien wohnenden Jonier.
Die klare Ordnung der lebhaft bewegten Gruppen aber ist dem geistigen
Einflüsse eines Malers zu verdanken, Polygnotos, der, selbst ein Jonier,
die Versammlungshallen von Delphi und Athen mit demselben Bilderschabe
schmückte.
POLYKLET, um 470 v. u. Z. in Sikyon, dem peloponnesischen Hauptorte der
Bildhauerei, geboren, hat im Wetteifer mit Phidias eine uns nur in Münzen
erhaltene Hera, ebenfalls in Elfenbein und Gold, für Argos geschaffen. Sein
Doryphoros (Stabträger) galt schon dem Altertum als Maßstab für die richtigen
Verhältnisse des menschlichen Körpers und wurde deshalb vielfach nach-
geahmt. Das Bronzeoriginal ist verloren und nur in einer römischen Marmor-
nachbildung erhalten (Neapel, Museo Nazionale), die statt des verlorenen
Speeres einen (unrichtig ergänzten) Stab trägt; sie stand in der Palästra von
Pompeji als Vorbild männlicher Tüchtigkeit. Der Doryphoros steht zu den
späteren Arbeiten des Lysippos in demselben Verhältnis, wie etwa die dorische
Säule zur jonischen: der Doryphoros ist wie jene viel gedrungener, wuchtiger;
er begnügt sich sozusagen mit seiner innerlichen Tüchtigkeit. Auch das
Bronzeoriginal von Polyklets zweitberühmtester Gestalt, dem Diadumenos
(Sieger, der die im Wettkampf eroberte Siegerbinde um die Stirn legt), ist nur
in der römischen Marmornachbildung des Theaters von Vaison (Südfrankreich)
vorhanden. Auch hier derselbe Rhythmus der sicher in sich ruhenden Gestalt,
ein Sinnbild des kraftvoll aufstrebenden jungen Volkes, das soeben durch
 
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